Formel 1 in Spielberg: Kühe und Infrastruktur

Formel 1 in Spielberg: Kühe und Infrastruktur
Zufriedene Gastronomen, glückliche Schüler und ein erbitterter Kritiker.

13 Grad hat es in Knittelfeld. Eigentlich viel zu wenig für einen lauschigen Sommerabend im Freien. Dennoch sind die Tische im Gastgarten des Bachwirt gut besetzt. "Ich bin sehr froh. Wir spüren jede einzelne Veranstaltung auf dem Ring", sagt Junior-Chefin Tanja Hölzl. Für ein ausführliches Gespräch hat sie keine Zeit. "Seht’s eh. Es ist so viel los, ich muss wieder in die Küche."

Formel 1 in Spielberg: Kühe und Infrastruktur
Normal ist dieser Tage in der Obersteiermark gar nichts: Die Formel 1 ist wieder zu Gast in Spielberg. Zum zweiten Mal macht der glamouröseste Motorsport-Zirkus der Welt auf dem umgebauten Red-Bull-Ring Station. Zum zweiten Mal wird aus der verschlafenen Bergidylle ein internationaler Treffpunkt. Zum zweiten Mal hört man neben dem markanten steirischen Dialekt auch Menschen, die sich auf Englisch unterhalten. "Das ist ganz ungewohnt", erzählt die Dame hinter der Kasse der Drogerie und lacht. "Da kramt man halt in seinen Schulerinnerungen das Englisch hervor."
Formel 1 in Spielberg: Kühe und Infrastruktur
Das Thema Schule hat sich für den 18-jährigen Christoph für diese Woche erledigt. Der Judenburger steht in neongelber Warnweste vor der Ortseinfahrt von Spielberg und weist den Autofahrern den Weg. "Praxistage" nennt er es. Zumindest hat er es so der Schuldirektion verkauft. Was er verdient, darf er nicht erzählen. Als "gutes Taschengeld" kann man es aber getrost bezeichnen.

Die Stelle, an der der Schüler Position bezogen hat, ist strategisch interessant. Hinter ihm führt der schmale Weg hinauf zum Anwesen des lautesten Kritikers des Formel-1-Projektes in Spielberg. "Betreten und Befahren nicht gestattet", steht auf dem Schild vor der Zufahrt. Am Telefon ist Karl Arbesser für den KURIER jedoch erreichbar. "Das größte Problem ist, dass über das Hintertürl ‚Veranstaltungsgesetz‘ ohne Prüfung fast jedes Event bewilligt werden kann", sagt Arbesser, der sich als Ombudsmann für die Anliegen der Anrainer einsetzt und vor Gericht beharrlich Kämpfe austrägt. "Mir geht es vor allem um Planungssicherheit. Wir haben Formel 1, DTM, Air Race, nächstes Jahr kommt MotoGP dazu. Es darf nicht immer mehr werden."

Gegen die Formel 1 im Speziellen hat auch Arbesser nichts einzuwenden: "Ich kann der Formel 1 einiges abgewinnen." Zweifellos beflügle das Renngeschehen auch die Wirtschaft, wobei "ich das Ausmaß des Wohlergehens bezweifle".

Neue Arbeitsplätze

Laut offiziellen Zahlen verzeichnete die Urlaubsregion Murtal mit der Rückkehr der Formel 1 einen Anstieg der Juni-Übernachtungen von etwa 45 Prozent; 2014 wurden 267 neue Arbeitsplätze rund um die Rennstrecke geschaffen, die Unternehmensneugründungen haben sich im Vergleich zu 2009 nahezu verdoppelt.

Formel 1 in Spielberg: Kühe und Infrastruktur
epa04267119 Fans crowd the start finish strait during the open day at the Red Bull Ring circuit in Spielberg, Austria, 19 June 2014. The Formula One Grand Prix of Austria takes place 22 June 2014. EPA/HERBERT NEUBAUER
240 Millionen Euro hat das Projekt in Spielberg gekostet. 4261 Sanierungen in der Region wurden beim "Frühjahrsputz" 2014 von Hausherr Dietrich Mateschitz unterstützt.

Profitiert hat auch Bernd Kribitz, ein Ur-Spielberger, wie er sich selbst bezeichnet. 4700 Euro hat er "total unbürokratisch" vom Mateschitz-Projekt "Werkberg" für die Erneuerung seiner Hausfassade erhalten. Seine vier Gästezimmer sind an diesem Wochenende gebucht. Sie waren es auch vor einem Monat beim AC/DC-Konzert, sie werden es auch beim DTM-Gastspiel (31. 7. bis 2. 8.) sein.

"Spielberg ist durch den Ring wieder in den Mittelpunkt gerückt", sagt Kribitz. "Die Leute sehen: Wir haben nicht nur Kühe, sondern auch eine Infrastruktur."

Nico Hülkenberg ist zurück auf dem Boden der Realität. An diesem Wochenende nimmt er wieder im Force India Platz und wird – wie immer – um einen Platz im hinteren Mittelfeld kämpfen.

Vor vier Tagen war das noch ganz anders. Da stand der 27-jährige Deutsche im Mittelpunkt, genauer gesagt auf dem Siegespodest von Le Mans, dem wichtigsten 24-Stunden-Rennen der Welt. Dort, wo nur die allergrößten Rennfahrer stehen dürfen. "Das war bestimmt der größte Erfolg meiner Karriere", sagt er. Auch in Spielberg ist der Überraschungssieg des Formel-1-Piloten noch ein Thema. Die Frequenz des Kamera-Klickens bei der Auftaktpressekonferenz steigt deutlich, sobald sich Hülkenberg zu Wort meldet. "Das war eine sehr emotionale Erfahrung", sagt der Rheinländer und sieht dabei sehr zufrieden aus.

Nico Hülkenbergs Talent war stets unbestritten. Nicht erst, seitdem ihn Weltmeister Fernando Alonso dieser Tage adelte und als einen der besten drei Fahrer im Feld bezeichnete – neben Weltmeister Lewis Hamilton und dem australischen Red-Bull-Piloten Daniel Ricciardo.

Für die ganz großen Erfolge in der Formel 1 hat es bisher aber nicht gereicht. Auch, weil Hülkenberg am eigenen Leib erfahren musste, dass in der prestigeträchtigen Rennserie, die sich Königsklasse nennt, nicht immer die Könige ihrer Klasse am Steuer sitzen. Sondern jene, die das nötige Kleingeld mitbringen.

Bezahlfahrer

So musste er etwa Ende 2010 sein Williams-Cockpit für den Venezolaner Pastor Maldonado räumen, der Dollarmillionen mitbrachte, anstatt ein Gehalt zu verlangen. "Damals war Hülkenberg der beste von den Jungen", sagt Toto Wolff, damals Vorstandsmitglied von Williams. "Aber die finanzielle Situation im Team war angespannt."

Seit fünf Jahren dreht Hülkenberg in der Formel 1 seine Runden. 84 Grands Prix hat er bestritten, doch den Weg zur Champagner-Party auf dem Siegespodest blieb ihm bisher verwährt. An der Suche nach einem Cockpit bei einem der Top-Teams ändert auch der Erfolg für Porsche in Le Mans nichts. "Ich sehe mich weiter in der Formel 1, würde dort gern noch ein paar Jahre mehr haben", sagt er. Denn für einen Rennfahrer, der im Formel-Sport zu Hause ist, gibt es wohl nur einen ganz großen Traum: Den Traum vom Weltmeister-Titel in der Formel 1.

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