Ferrari: Ein Verkäufer bei den Unverkäuflichen

Maurizio Arrivabene, einst Manager eines Tabakkonzerns, soll der Edelmarke alten Ruhm und neue Erfolge bescheren.

Das höchste Lob kam vom Schweiger. Kimi Räikkönen, wenig bis nichts sagender Starpilot der Formel 1, sagte auf einmal etwas. Ferrari im Jahr 2015 sei das beste Team von allen Rennställen, für die er jemals gefahren sei. Das will etwas heißen: Immerhin griff der 35-jährige Finne zuvor bei Sauber, McLaren, Lotus und sogar schon einmal bei Ferrari (2007 bis 2009) erfolgreich ins Steuer.

Die warmen Worte des kühlen Räikkönen ehren vor allem einen Mann: Maurizio Arrivabene. Der 58-jährige Italiener ist seit Ende des vergangenen Jahres der Teamchef von Ferrari. Innerhalb eines Jahres ist er der dritte Mann auf dem zweitwichtigsten Posten im italienischen Sport, nur der Fußball-Teamchef fühlt sich in Italien noch größerer Aufmerksamkeit und noch größerem Druck ausgesetzt.

Aufgerüstet

Arrivabene organisiert und verantwortet eine der größten Umbaumaßnahmen in der ewigen Ära der Scuderia in der Königsklasse. Rund 100 Millionen Euro extra zum ohnehin üppigen Jahresbudget hat der neue Teamchef zur Verfügung, 60 neue Mitarbeiter wurden damit nach Maranello gelotst. Der prominenteste Neuzugang ist Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel.

Das Ziel der neu formierten Renngemeinschaft ist klar ausgemacht: die Welt(meisterschaft). Spätestens in der kommenden Saison wollen die Italiener dort angekommen sein. Mit dem Sieg in Malaysia durch Vettel hat man den vorauseilenden Silberpfeilen bereits erste Kratzer zufügen können; bereits heute, Sonntag, soll in Bahrain die Jagd fortgesetzt werden (17 Uhr MESZ). Mit Teamchef Arrivabene kann da fast nichts schiefgehen. Übersetzt bedeutet sein Nachname: gute Ankunft.

Wie schwierig der Job sei, wurde Maurizio Arrivabene zur Beginn der Saison gefragt: "Auf einer Skala von null bis zehn bei ungefähr elf", antwortete er.

Es sind Aussagen wie diese, die Arrivabene zum unglamourösen Glanzlicht des Fahrerlagers machen. Das Mittagessen an einem Grand-Prix-Wochenende nimmt er schon einmal an der Seite eines verschwitzten Mechanikers ein, umringt von Fotofragen; die Testfahrten im Winter verfolgte er von der Haupttribüne aus, umzingelt von Fans.

Der Technikabteilung, die den roten Renner aus 3000 Einzelteilen zusammensetzt, lässt Arrivabene weitgehend freie Hand – so lange die Aufholjagd in dem Tempo weitergehe wie bisher: "Du musst als Teamchef den Mitarbeitern eine Richtung vorgeben", sagt er.

Abgebrochen

Der Studienabbrecher (Architektur) gibt gar nicht erst den Techniker, der Mann aus Brescia war und ist ein Verkäufer. Dass er im Herbst seiner Managerlaufbahn bei einem Arbeitgeber angelangt ist, der als unverkäuflich gilt, macht seine Geschichte nur noch spannender.

Gelernt hat Arrivabene beim US-Tabakkonzern Philip Morris. Und sein Gesicht und seine Stimme wirken, als hätte er in den 17 Jahren jede Zigarette selbst kontrolliert. "Marlboro-Mann" nennen sie ihn deshalb im Fahrerlager. Und es waren ja auch die Rauchzeichen, mit denen sich Arrivabene in Maranello einst bemerkbar gemacht hatte. Jahrelang war er die Schnittstelle zwischen Rennstall (Ferrari) und Hauptsponsor (Marlboro).

Er kennt das Formel-1-Geschäft und seine Mechanismen: "Die Fahrer sind die Stars der Show", sagt Arrivabene, "aber letztlich sind sie auch nur Angestellte."

Das weiß auch Kimi Räikkönen. Er verhandelt derzeit um einen neuen Vertrag. Vielleicht hat das unerwartete Lob des schlauen, scheuen Fuchses auch damit zu tun.

Die Formel 1 wird auch im Jahr 2015 ein Rekordergebnis abliefern – trotz Zuschauerschwund an den Strecken sowie vor den Fernsehgeräten.

Wie das geht? Durch Abstand. Die Rennserie hat sich in den vergangenen Jahren so weit von ihrem Publikum entfernt, dass sie es gar nicht mehr braucht, um über die Runden zu kommen. Damit ist nicht nur die Technik gemeint. Das Reglement ist rascher angepasst, als mancher derzeit glauben mag. Spätestens wenn bei weiteren Teams die Insolvenz droht.

Denn Rennställe wie Sauber sind für die Beschleunigung von Red Bull oder Ferrari wichtiger als der derzeitige Tempomacher Mercedes. Nur dank der Kleinen können die Großen ihre Technik weiter auf die Spitze treiben und damit (Fehl-)Entwicklungen riskieren, ohne gleichzeitig fürchten zu müssen, in der Gesamtwertung ganz nach hinten gespült zu werden und am Saisonende bei der Gewinnausschüttung leer auszugehen.

Auf Dauer schädigender ist die Entfernung vom Kernmarkt. Kein Rennen gibt es heuer in Deutschland, vielleicht schon bald keines mehr in Spanien oder Italien. Dafür wird 2016 in Aserbaidschan Gas gegeben. Weil dort weniger gefragt wird und mehr möglich ist.

In Bahrain wird seit Kurzem spektakulär bei Nacht unter Flutlicht gekreist. Das ist doppelt praktisch: Während der europäische Markt zur besten Sendezeit im Bilde ist, bleiben die Rauchsäulen der protestierenden, weil unterdrückten Bevölkerung verborgen.

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