Morgenstern: Vom Überflieger zum Flugschüler

Volle Konzentration: Thomas Morgenstern will auch nach seiner Karriere hoch hinaus. Der Kärntner gibt sein Debüt bei der Hubschrauber-WM.
Ex-Skisprungstar Thomas Morgenstern hebt als Anfänger bei der Hubschrauber-WM in Polen ab.

Man möchte eigentlich meinen, dass einen wie Thomas Morgenstern nichts mehr so schnell aus der Ruhe bringen kann. Wer sich fast sein ganzes Leben lang über gefährliche Sprungschanzen gestürzt hat, wer sich dabei praktisch ungeschützt den heftigen Launen des Windes ausgeliefert hat, wer im dichten Nebel und bei Schneefall mit Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h durch die Lüfte gesegelt ist – für wen also seit früher Kindheit die Hochrisikosport Skispringen die wichtigste Nebensache der Welt gewesen ist, dem müssten im Grunde doch weiche Knie und Pulsrasen fremd sein. Vor allem dann, wenn er in seinem Element ist.

Der Anfänger

"Das Herz klopft schon ordentlich", sagt nun aber Thomas Morgenstern vor seinem Antreten bei der Weltmeisterschaft im Hubschrauberfliegen in Przylep. Und wer kann dem 28-Jährigen die Aufregung auch verdenken. Denn wenn der Kärntner am Donnerstag bei den Titelkämpfen in Polen abhebt, dann ist er nicht mehr Thomas Morgenstern, der dreifache Olympiasieger, achtfache Weltmeister und zweifache Gesamtweltcupsieger im Skispringen. Er ist dann nur mehr Thomas Morgenstern, der Rookie im professionellen Hubschrauberfliegen. "Ich darf dort nur in der Anfängerklasse starten", berichtet der Österreicher.

Rookies werden im Reich der Rotoren Piloten genannt, die maximal 250 Flugstunden Erfahrung vorweisen können. Thomas Morgenstern hat bisher erst 200 Stunden im Cockpit verbracht, aber das bedeutet nicht, dass er sich für seine WM-Premiere keine hohen Ziele gesetzt hätte. Alles andere würde auch gar nicht zu Thomas Morgenstern passen: Der Ehrgeiz, der Beste zu sein, war schon immer seine Triebfeder, zugleich aber auch sein größter Hemmschuh. "Ich wollte früher sogar der Erste sein, wenn es darum ging, die Taschen in den Mannschaftsbus zu räumen", erinnert sich der 28-Jährige, "da war mir mein Ehrgeiz manchmal sicher auch etwas im Weg. Über die Jahre bin ich gelassener geworden."

Der Ehrgeizling

Aber so gelassen dann auch wieder nicht, dass der mehrfache Goldmedaillen-Gewinner nach der Karriere nun plötzlich dem olympischen Motto etwas abgewinnen könnte. "Die Hubschrauber-Weltmeisterschaft ist keine Gaudi für mich. Ich will da schon auch zeigen, was ich alles kann."

Für die Titelkämpfe in Polen hat sich der Kärntner eigens einen neuen Hubschrauber zugelegt. Sein Robinson R44, Kostenpunkt 340.000 Euro, bringt es bei 260 PS auf eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h.

Doch um Tempo geht es gar nicht bei der Hubschrauber-WM. Dort sind von den Piloten in den vier Disziplinen vor allem Geschick, Präzision und Konzentration gefragt. Dann etwa, wenn Morgenstern im Slalom einen vollen Wasserkübel unter dem Hubschrauber hängen hat und damit einen Parcours bewältigen muss, ohne Wasser zu verschütten. Oder wenn er im Navigationsflug an der richtigen Markierung ein mit Reis gefülltes Säckchen punktgenau abwerfen muss. "Ich bin auch in dieser Hinsicht ein Perfektionist und suche und brauche den Wettkampf", sagt Morgenstern, "wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann hat das immer schon Realität werden müssen."

Der Luftikus

Der Traum vom Fliegen begleitet den Überflieger bereits seit jungen Jahren. Während seiner Karriere hat Thomas Morgenstern schon den Pilotenschein für Flugzeuge gemacht, seit seinem Rücktritt vor einem Jahr gilt seine ganze Leidenschaft dem Hubschrauberfliegen. "Das Element Luft lässt mich einfach nicht los. Aber Skispringen käme nicht mehr in Frage. Das hat mich am Ende nur mehr fertig gemacht."

Dass Skispringer nach ihrer Karriere abheben, ist kein neues Phänomen. Der zweifache Tourneegesamtsieger Hubert Neuper arbeitete einige Jahre als Pilot, und sein damaliger Teamkollege und Weltmeister Armin Kogler sitzt heute noch für Tyrolean Airways im Cockpit.

Auch der Rookie Thomas Morgenstern würde auf eine Piloten-Karriere fliegen. "Ich bin nicht dafür geschaffen, im Büro zu sitzen."

Schon seit 1971 werden Weltmeisterschaften im Hubschrauberfliegen ausgetragen.

Navigationsflug Die Piloten müssen in einem Areal mehrere ausgelegte Zeichen finden und mit Reis gefüllte Säckchen in einen Zielkreis abwerfen.

Präzisionsschwebeflug Hier muss der Hubschrauber in stets gleich bleibender Höhe durch ein Viereck geflogen werden.

Fender Rigging Das Ziel dieses Bewerbs: der Kopilot hält ein Seil mit einem Fender (Boje), der exakt in einer Tonne am Boden versenkt werden muss.

Slalom Diesmal führt der Kopilot am Seil einen Wasserkübel. Erst wartet ein Slalom-Parcours, dann muss der – möglichst volle –Kübel auf einem Tisch abgestellt werden.

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