Eine Stadt im Rausch des Tempos

Austin gilt als Hauptstadt der Live-Musik, die Formel 1 soll das sportliche Image heben.

Für Kimi Räikkönen muss dieser Grand Prix in Austin eine Qual sein. Der finnische Lotus-Pilot ist berüchtigt dafür, dass er lieber Silben und Wörter bei Interviews auslässt, anstatt einer Party am Grand-Prix-Wochenende.

Sofern man nicht ein Angestellter von Lotus ist, hätte das in der texanischen Hauptstadt durchaus amüsant und legendär werden können. Austin gilt als US-Stadt mit der größten Dichte an Musikclubs und Bars, „Hauptstadt der Live-Musik lautet der Beiname der Stadt und „Haltet Austin eigenartig!“ ihr Motto. Solch ein Ruf will gepflegt werden, erst recht, wenn die Sportwelt erstmals mit dem Vergrößerungsglas nach Austin blickt.

In Feierlaune

Bernie Ecclestone hat seinen milliardenschweren Wanderzirkus in die Metropole gesteuert, und selbst, wenn sie hier (noch) nicht genau wissen, was sie mit der Formel 1 anfangen sollen, so zeigt sich Austin eine Woche vor Thanksgiving in bester Feierlaune.

Die Innenstadt ist für vier Tage zur Partyzone umfunktioniert worden, das offizielle Fan-Fest vereint gut einhundert Musiker und Bands zu einem einzigartigen Konzertreigen – manche wie Haupt-Act Aerosmith am Samstag zu stolzen Ticket-Preisen jenseits der 150-Dollar-Marke, viele aber auch zum Nulltarif. An der sechsten Straße, der Hauptschlagader, ist die Sause nur in den Vormittagsstunden unterbrochen.

Der Sport hat auf dieser Partymeile nur wenig Platz. In der Lobby eines Hotels ist der Formel-1-Bolide des Caterham-Rennstalls ausgestellt. Nur zaghaft wagen sich die Gäste heran an dieses UVO, das „Unbekannte Vollgas Objekt“. Ein paar Schritte weiter südlich, vorbei am Epizentrum des Trubels, prangt ein Schild wie ein Mahnmal für den Sport in dieser Stadt: Livestrong ist in gelben Lettern zu lesen.

Schwieriges Thema

Es ist der Hauptsitz des Lebensprojekts von Lance Armstrong, dem vermutlich bekanntesten, offiziell überführten Dopingsünder der Welt. Erst Anfang dieser Woche hat sich die Krebshilfe-Organisation weiter von ihrem Gründer distanziert: Armstrong wurde aus dem Namen gestrichen.

„Schwieriges Thema“, sagt Matthew Payne und verschränkt dabei die Arme hinter seinem Kopf. Er ist Chef der Sport-Kommission der Stadt, sein Job ist es, Sport nach Austin zu bringen und ihn zu bewerben. Austin ist die größte US-Stadt, die kein Team in den großen vier Profiligen stellt (Baseball, American Football, Basketball und Eishockey). „Der Grand Prix ist ein genialer Impuls“, sagt Payne, „aber wir haben schon auch mehr zu bieten.“

Das Sport-Team der Universität ist eines der profiliertesten der USA, aus ihrem Programm stammen Größen wie Ex-Schwimmer Aaron Peirsol und Basketballer Kevin Durant. Die Heimstätte, das Memorial Stadium, bietet 100.119 Besuchern Platz. Zu wenig. Schon bald wird die Kapazität auf 112.000 erweitert. Das Stadion ist dann das größte in Nordamerika. „Nicht schlecht für eine Musik-Stadt, oder?“, fragt Matthew Payne.

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