Mirna Jukic: "Ich bin belächelt worden"

Mirna Jukic engagiert sich in einem Projekt des ÖOC
Die frühere Schwimmerin floh vor dem Krieg. Heute setzt sie sich für Flüchtlinge ein.

Heute gilt Mirna Jukic, 30, als Musterbeispiel für Integration. Während des Kroatien-Krieges flüchtete sie als Fünfjährige mit ihrer Familie aus ihrer Heimatstadt Vukovar nach Zagreb. Als ihr sportliches Talent erkannt wurde, übersiedelte die Familie nach Wien. Für Österreich holte Jukic eine olympische Bronzemedaille über 100 Meter Brust (2008) und 21 weitere Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Als ehemaliges Flüchtlingskind unterstützt sie die Initiative des ÖOC "Sport für Integration" (Info: olympia.at).

Haben Sie noch Erinnerungen an die Kämpfe in Vukovar?

Ich habe Bilder im Kopf. Der Krieg hat mich oft beschäftigt, ich habe mich viel damit auseinandergesetzt und auch immer wieder nachgefragt. Gott sei Dank war ich erst fünf und kann mich nicht mehr an alles erinnern. Damit schütze ich mich auch selber. Aber jetzt bin erwachsen geworden und gereift. Vukovar ist 25 Jahre her. Ich habe damit abgeschlossen.

Welche Bilder verfolgen Sie? Erinnerungen an Krieg, an Tote?

Tote habe ich zum Glück nie gesehen, oder ich kann mich nicht daran erinnern. Aber ich weiß, wie wir von einem Keller zum nächsten laufen mussten und rundherum Bomben gefallen sind. Wir haben in unserer Großfamilie auch Menschen verloren. Und einige meiner Freundinnen haben ihre Väter nie wiedergesehen.

Als 13-Jährige sind Sie aus sportlichen Gründen nach Wien gekommen. Dennoch wurden Sie als "Flüchtlingskind" bezeichnet. Haben Sie sich auch als Flüchtling gefühlt?

Ich habe versucht, den Leuten zu erklären, dass ich mit fünf Jahren ein Flüchtlingskind war, aber nicht mehr mit 13. Gefühlt habe ich mich in Wien wie jeder, der gerade in ein neues Land kommt. Ich habe dann bald in einem Verein Fuß gefasst. Das hat geholfen.

Was waren zu Beginn die größten Schwierigkeiten?

Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. So nett Kinder sind, so gemein können sie sein, wenn man anders ist. Ich bin wegen meiner Sprache belächelt worden. Dann habe ich Zweifel bekommen und zu Hause geweint. Ich habe aber das Gefühl, dass es in der derzeitigen Situation nicht so wichtig ist, ob man grammatikalisch richtig spricht.

Sondern?

Wichtig ist, dass man einfach versucht, Deutsch zu reden. Ich habe in der Schule lauter Einser gehabt, in Deutsch maturiert und mache noch immer Fehler. Aber ich glaube, da bin ich nicht die einzige Österreicherin.

Nicht alle Österreicher sind Fremden gegenüber aufgeschlossen. Ist Ihnen vor 17 Jahren Fremdenfeindlichkeit entgegengebracht worden?

Natürlich. Es war manchmal so, als würde man nicht dazugehören. Ich will die Wörter gar nicht sagen, mit denen ich beschimpft worden bin. Interessant finde ich, dass alles leiwand ist, wenn man in der U-Bahn jemand Englisch oder Spanisch sprechen hört. Aber es ist ganz schlimm, wenn jemand Jugo spricht, ich darf das so sagen. Oder Türkisch oder Arabisch.

Verstehen Sie die Ängste vor dem Fremden?

Teilweise. Durch die eher negative Berichterstattung entstehen Ängste. Aber an den Orten, wo der Kontakt zu den Flüchtlingen da ist, schaut es schon anders aus.

Sie wurden zum Sport-Liebling in Österreich. Wie sehr haben da die Medaillen und vor allem der Olympia-Erfolg geholfen?

Natürlich kommen Erfolge bei den Leuten gut an. Aber ich bin nicht die Einzige mit einem "-ic" am Ende, die für Österreich etwas gewonnen hat. Kinder mit Migrationshintergrund sind Teil des österreichischen Sports. Das ist mehr eine Bereicherung als ein Störfaktor.

Im Zuge der Flüchtlingsbewegung sind im Vorjahr 90.000 Menschen nach Österreich gekommen. Wie können diese Menschen integriert werden?

Jeder Flüchtling muss die Bereitschaft haben, sich integrieren zu wollen. In einem anderen Land herrschen andere Regeln, an die muss man sich halten. Dafür muss man nicht seine Kultur aufgeben. Und natürlich gehört das Lernen der Sprache dazu.

So einfach ist das?

Auch von der anderen Seite muss die Bereitschaft da sein, die Leute aufnehmen zu wollen. Wir sollten die Flüchtlinge mit einem offenen Herzen begrüßen. Klar ist, dass es immer auch Menschen gibt, die Schwierigkeiten machen. Aber die gibt es in jedem Land.

Wie geht es Ihrem Bruder Dinko Jukic? Wird er in Rio bei Olympia schwimmen?

Er ist mein Bruder, und ich liebe und schätze ihn sehr – aber ich mische mich nicht in seine Belange ein.

Haben Sie noch regelmäßigen Kontakt?

Natürlich. Aber wir haben das Sportliche vom Familiären komplett getrennt und reden relativ wenig über das Schwimmen.

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