Prohaska: "Wir haben bis tief in die Nacht feiern können"

Einst und jetzt: Schneckerl, heute eher als Herbert Prohaska bekannt, mit seinem Ebenbild von den 1980er-Jahren bei Madame Tussauds.
Vor seinem 60. Geburtstag spricht Herbert Prohaska über die Vergänglichkeit seines Ruhms und was sich im Fußball am meisten verändert hat.

So manch Jungem ist Herbert Prohaska nur noch als ORF-Analytiker ein Begriff. Einer fragte gar, ob er einmal selbst gekickt habe. Am 8. August feiert Österreichs Jahrhundertfußballer seinen 60. Geburtstag. Prohaska ist seit 41 Jahren verheiratet, vierfacher Großvater und auch bei einstigen Gegnern beliebt. Vielleicht auch, weil er nie vergessen hat, dass er in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist und er – speziell wenn Mikrofone abgeschaltet sind – so redet wie ihm sein Simmeringer Schnabel gewachsen ist.

KURIER: Sie waren im letzten Jahrhundert Austria-Meistertrainer und sechs Jahre Teamchef. Wollen Sie nie mehr Trainer oder Sportdirektor sein?

Herbert Prohaska: Nein. Es sei denn, Barcelona oder Real Madrid rufen an (lacht).

Wer von den aktuell fünf österreichischen Europacup-Vertreter steigt auf? Auf wen werden Sie online wetten?

Wetten hat mich nie gereizt. Ich glaube, Salzburg schafft es. Für den Rest wird es schwierig. Obwohl mir Rapids Optimismus gefällt.

Wer war Ihr liebster Mitspieler und wen empfanden Sie als unangenehmsten Gegner?

Ich hab’ so viele wunderbare Mitspieler gehabt, dass es ungerecht ist, Einzelne hervorzuheben. Aber mit Erich Obermayer war ich am längsten beisammen. Und was die Gegner betrifft, sind mir alle auf die Sock’n gegangen, weil sie ständig in meinen Schuhen g’standen sind.

Stört es Sie, wenn Junge nicht wissen, dass Sie mit Inter Mailand bis ins Meistercup-Halbfinale gekommen und mit AS Roma Meister geworden sind?

Dazu fällt mir a lustige G’schicht ein: Bei einem unserer Kindercamps ist einmal ein Bub im Inter-Leiberl aufgetaucht. Da hab’ ich ihm erzählt, dass ich bei Inter gespielt habe. Darauf hat er geantwortet: "Aber sicher nur in der Reserve."

In Italien hatten Sie sich Duelle mit Michel Platini geliefert, der nun FIFA-Präsident werden soll. Was halten Sie von ihm?

Ich habe ihn immer sehr gemocht, obwohl wir mit Roma im Meisterjahr gegen Platinis Juventus zwei Mal verloren haben. Aber bei der FIFA wird sich auch mit ihm nichts ändern. Wer korrupt ist in den 209 Mitgliedsländern, wird korrupt bleiben.

Was hat sich seit Ihrer aktiven Zeit im Fußball geändert?

100 Sachen. Angefangen vom Medienaufkommen. Früher haben wir nach einem Sieg schon einmal bis tief in die Nacht feiern können. Heute müssen sich Spieler verkriechen, weil sonst sofort Fotos ins Netz gestellt werden. Es gibt kaum mehr Spieler, die rauchen. Und es gibt jede Menge Spezialtrainer. Die Cheftrainer brauchen sich um die konditionelle Vorbereitung gar nicht mehr zu kümmern. Ich habe seinerzeit bei der Wiener Austria den Masseur gebeten, mit den Spielern ein paar koordinative Übungen zu machen, damit ich mich auf anderes konzentrieren kann. Selbst den Co-Trainer wollten’s mir streichen. 1978, als wir mit Austria das Europacup-Finale erreicht haben, bestand die Geschäftsstelle aus Herrn Norbert Lopper und einer Sekretärin. Heute ist der Apparat überall x-mal so groß. Merchandising hat man zu meiner Zeit nicht gekannt.

Und wo sehen Sie Unterschiede im sportlichen Bereich?

Die größte Entwicklung sehe ich ihm taktischen Bereich. Heute kann der Schwächere, wenn er gut organisiert ist, einem Favoriten schwere Probleme machen. Früher ist ein 5:0 öfter möglich gewesen. Auch hab’ ich mir schon vor dem eigenen Strafraum den Ball zuspielen lassen und danach bis 20 Meter vors Tor rennen können. Das ist heute undenkbar. Und man muss jetzt, noch ehe man angespielt wird, wissen, wohin man abspielt.

Freunde meinen, Sie hätten privat einen viel, viel besseren Schmäh als vor dem Mikrofon. Ist ein lockeres Mundwerk im ORF nicht erwünscht?

Ich habe diesbezüglich nie ein Vorgabe erhalten. Das Hauptprogramm ist aber immer noch das Match. Weshalb ich meine, dass man sich als Analytiker nicht in den Mittelpunkt rücken sollte.

Doch beim Spiel WolfsbergDortmund sind Sie wegen einer Entscheidung von Borussia fast ausgerastet.

Ja. Weil da Herren im FIFA-Board eine unverständliche Abseitsregel beschließen und damit alle Kicker wie Volltrotteln dastehen lassen.

Geht Ihnen die aus Deutschland übernommene Fachsprache auch so auf die Nerven wie älteren Sportfreunden, wenn vom Umschaltspiel, von der Arbeit gegen den Ball, vom Offensiv-Pressing geredet wird?

Dadurch entsteht der Eindruck, als wäre alles neu. Dabei sind’s nur die Ausdrücke, die neu sind. Und ganz komisch wird’s, wenn Trainer erzählen, sie hätten einen Matchplan gehabt. No na.

Hans Krankl behauptete soeben via Sky, den Erfolgslauf mit dem Nationalteam hätte nicht nur Marcel Koller, sondern jeder andere Teamchef auch geschafft. Teilen Sie diese Meinung?

Ich hatte bei Marcel Kollers Verpflichtung gesagt, dass ein Österreicher Österreichs Teamchef sein soll. Schließlich war Koller zuvor zwei Jahre nirgendwo tätig gewesen. Inzwischen nehm’ ich alles zurück und sage: Koller ist zu 100 Prozent der Richtige. Ich weiß nicht, ob ich es gewagt hätte, den Almer und den Janko immer wieder aufzustellen, als die bei ihren Vereinen nie gespielt haben. Die Mannschaft dankt es Koller, dass er an ihr beharrlich festhält. Sie hat sich unter dem Schweizer super weiterentwickelt.

Sie werden nach jahrelanger Tätigkeit als Schirmherr der zweiten Spielklasse abgesetzt. Stört Sie das?

Mich ärgert nur, wenn man mich als Abzocker darstellen will. Die Wahrheit: Ich habe, als man mich seinerzeit bat, den Job zu übernehmen, nur auf eine Sozialversicherung Wert gelegt. Ich hatte damals nie finanzielle Forderungen gestellt. Bei der jetzt kolportierten, stattlichen Summe handelt es sich um 3200 Euro monatlich. Ich hab’ somit jedem der 20 Vereinen 1290 im Jahr gekostet. Dabei habe ich einmal der Liga zu einem Sponsor und damit zu 1,5 Millionen Euro verholfen. Das wird Rapid-Präsident Krammer vielleicht nicht wissen. Ich kenne ihn persönlich nicht. Er hat sich schriftlich in einem Brief an die Bundesliga gegen mich ausgesprochen.

Herbert Prohaska wurde am 8. August 1955 in Wien geboren. Er begann als Neunjähriger mit dem Vereinsfußball bei Vorwärts XI, wo sein Vater, ein Hilfsarbeiter, Jugendtrainer war. Schon mit 15 bestritt er für Ostbahn XI Wiener-Liga-Spiele. Wegen seiner damaligen Haarpracht wurde er Schneckerl genannt. Rapid ließ ihn wissen, dass er einmal nach Hütteldorf kommen möge. Weil sich die Austria mehr um ihn bemühte, entschied sich Prohaska für Violett. 1978 erreichte er mit der Austria das Europacup-Finale (O:4 gegen Anderlecht). Als Stammspieler wurde er mit Inter Mailand italienischer Cupsieger und mit AS Roma Meister (1983). Er bestritt 84 Länderspiele, davon elf bei Weltmeisterschaften.

Als Trainer machte er die Austria zwei Mal zum Meister. Ab 1993 coachte Prohaska das Nationalteam, das er 1998 zur WM brachte. Nach einem 0:9 gegen Spanien in Valencia trat er 1999 zurück. Per Publikumswahl wurde er zu Österreichs Jahrhundertfußballer gekürt. 2005 erhielt Prohaska das Goldene Ehrenzeichen der Republik.

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