In den Klauen der Wettmafia

Auweh: Sanel Kuljic wird von einem Freund, den die Wettmafia bedroht hat, massiv belastet.
Wie ein Freund von Sanel Kuljic als Sicherheit für ein manipuliertes Spiel weggesperrt wurde.

Dominique Taboga hat ausgepackt. Zuerst mit einem Geständnis in der U-Haft, gestern Abend öffentlich mit einem Interview für den Sender Servus TV. Der tief gefallene, frühere Kapitän des SV Grödig hat einen Schlussstrich unter seine Karriere als manipulierender Kicker gezogen und wird sich vor Gericht verantworten müssen.

Ebenfalls in die Fänge der international agierenden Wettmafia geraten ist Sanel Kuljic. Der frühere Teamstürmer hat ein Teilgeständnis (über vier manipulierte Spiele) abgegeben, befindet sich aber weiter in U-Haft. Wie tief Kuljic in die schmutzigen Geschäfte rund um Österreichs Fußball verwickelt sein dürfte, erzählt die folgende Geschichte. Sie klingt nach einem wilden Agententhriller, ist aber auf drei Beschuldigtenvernehmungen begründet, die dem KURIER allesamt vorliegen.

Ausgefragt

Insgesamt über sechs Stunden lang vernommen wurde zwischen 3. und 4. Februar 2014 Zeljko B. (Name von der Redaktion geändert, Anm.), ein 50-jähriger serbischer Staatsbürger, der "seit 21 Jahren in verschiedenen Bädern der Gemeinde Wien" als Bademeister arbeitet. B. gibt an, früher nebenbei für eine große österreichische Spielerberater-Agentur (Name der Redaktion bekannt, Anm.) gearbeitet zu haben. Weiters spricht B. über ein Treffen mit der Ehefrau von Kuljic, die erzählt, "dass Taboga bei Kuljic hohe Schulden habe". Wie wurde B. selbst zum Spielball der brutal agierenden Wettpaten?

Kuljic, mit dem B. seit fünf Jahren laufend Kontakt hatte, wandte sich im Dezember 2012 vor der Partie SalzburgMattersburg an den Bademeister mit Geldproblemen. Vor einem Treffen mit dem Wettpaten Arben T. erklärte ihm Kuljic: "Ich sollte den mir unbekannten Leuten erzählen, dass ich einige Spieler bei Mattersburg kenne und die Möglichkeit habe, diese zu einer Niederlage zu überreden."

Tatsächlich endet die Partie mit 7:0 für die Salzburger. B. gibt bei der Vernehmung allerdings an, nur einen Mattersburg-Verteidiger (Name der Redaktion bekannt, Anm.) zu kennen und den nicht einmal kontaktiert zu haben. "Wir waren uns lediglich aufgrund des damaligen Tabellenstandes sowie Spielstärken der Mannschaften sicher, dass Mattersburg verlieren wird".

Ein Bluff, der tatsächlich aufgegangen ist?

Zumindest nicht für B. Nach anfänglichen Erinnerungslücken gibt er bei seiner dritten Einvernahme zu, dass er am 1. März 2013 von den Paten nach Albanien eingeflogen wurde. "In Tirana forderte T. dann die 30.000 Euro." Die Bezahlung für die aufgegangenen Wetten bei SalzburgMattersburg sei aber nie bei B. gelandet, "da Kuljic alles behalten habe".

Am nächsten Tag kam es in Wien zu einem Treffen von T., Kuljic und B. "Kuljic hat T. sein Auto (Mercedes) als Sicherheit angeboten, was T. akzeptierte."

Schließlich gibt B. auch noch zu, dass er rund um das 7:0 drei Tage lang "als Sicherheit" für das Gelingen der Manipulation in einer Wohnung in Tirana von den Wettpaten eingesperrt worden war.

Eingesperrt

Noch dramatischer wird es rund um die Partie Mattersburg – Sturm (2:2) im April 2013, die scheinbar ebenfalls manipuliert werden sollte. Unter dem Vorwand eines möglichen Spielertransfers wurde B. von T. wieder nach Tirana begleitet. Am Flughafen, erzählt er, wurde "ich von vier Männern abgeholt, welche mir gleich meinen Reisepass abnahmen." Wegen einer Polizeikontrolle steckten die Albaner B. seinen Pass wieder zu – wie sich herausstellen sollte, ein folgenreicher Glücksfall.

In einer Wohnung in Tirana trat schließlich der Boss der Bande auf und erklärte B., "dass ich 2 oder 3 Wochen bzw. 2 Monate als Sicherheit hierbleiben muss."

Warum? "Als Garantie für meinen Freund, ich glaube, er meinte Kuljic".

Im 4. Stock wurde B. in ein Zimmer gesperrt. "Die Männer bezogen ein anderes Zimmer und begannen sich zu betrinken." Das menschliche Faustpfand sah die Chance auf eine Flucht: "Gegen 5 Uhr am Morgen konnte ich über die Balkontüre mit zusammengeknüpften Leintüchern flüchten. Da die Tücher nicht bis zum Boden reichten, musste ich die letzten Meter springen und verletzte mich dabei am rechten Knöchel."

Per Bus ging es zur Grenze nach Mazedonien, über Skopje nach Belgrad und von dort per Flieger wieder nach Wien zurück. Ein weiterer bekannter, ehemaliger Fußball-Profi aus Österreich (Name der Reaktion bekannt, Anm.) soll auch als Chauffeur eingesprungen sein.

Bedroht

Eine Flucht mit Folgen. Noch im Frühjahr 2013 reiste der "albanische Boss" nach Wien. Im fünften Bezirk kam es zum Treffen von B. mit Kuljic, dem Bandenboss und drei weiteren Albanern. Möglicherweise waren die Wettpaten auch sauer, weil es mit dem 2:2 von Mattersburg gegen die Grazer nicht zum gewünschten Ergebnis gekommen war.

"Der Boss wollte wissen, warum ich Albanien fluchtartig verlassen habe. Ich teilte ihm mit, dass ich Angst um mein Leben hatte."

Dabei sollte es bleiben: "Der Boss sagte zu mir, dass er mich wieder sehen werde, da Europa zu klein ist."

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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