Unter-17-EM: "Am Ende bist du der Trottel"

Andreas Heraf gibt in Baku die Richtung vor.
Teamchef Andreas Heraf über hohe Erwartungen und das heutige Spiel gegen Deutschland.

Österreichs Unter-17-Team steht nach zwei 2:0-Siegen gegen Bosnien-Herzegowina und die Ukraine bei der EM in Aserbaidschan bereits im Viertelfinale und kann heute (17.00 Uhr, live Eurosport 2) gegen Deutschland mit einem Remis den Gruppensieg fixieren. Für Teamchef Andreas Heraf, der schon bei der U-20-WM in Kolumbien (2011) und Neuseeland (2015) war, ist es bereits die fünfte Endrunde als ÖFB-Nachwuchs-Teamchef. Der 48-Jährige über sein Team, den Reiz an der Arbeit mit jungen Spielern und die typisch österreichische Erwartungshaltung.

KURIER: Ihre beiden Siege waren leider nicht im TV zu sehen. Klären Sie uns also in aller Kürze auf: Wie sind sie denn zustande gekommen?

Andreas Heraf: Wir haben eine klare Philosophie, wie wir unsere Spiele bestreiten. Wir versuchen, je nachdem wie es der Gegner anbietet, hoch zu attackieren, in jeder Situation Pressing zu spielen und bei Balleroberung schnell umzuschalten. Das hat sehr gut funktioniert.

Was zeichnet Ihre Mannschaft noch aus?

Im Vergleich sind wir eine Hasen-Mannschaft. Vorne haben wir mit Kelvin Arase und Romano Schmid zwei kleine Spieler, die aber sehr quirlig sind und mit ihnen können wir das schnelle Umschalten ausnützen.

Sie sind seit 2008 beim ÖFB und haben sich bereits zum fünften Mal für eine Endrunde qualifiziert. Wo würden Sie Ihre aktuelle Mannschaft im Vergleich mit den früheren einordnen?

Die Qualität der Spieler zu vergleichen, ist schwierig, weil das meine erste Unter-17-Endrunde ist. Bisher waren es U-19 oder U-20-Turniere. Die Spieler sind also jetzt zwei oder drei Jahre jünger. Was mitspielt ist, dass auch ich mich weiterentwickelt und Erfahrungen gesammelt habe. Ich weiß jetzt mehr, worauf es ankommt bei diesen Turnieren.

Was ist das zum Beispiel?

Wenig Risiko zu nehmen im Defensivbereich. Das bedeutet, die jetzige Mannschaft spielt noch konsequenter als meine vorigen Teams und lässt damit kaum Torchancen zu.

Und in welchen Bereichen haben Sie sich weiterentwickelt?

Auf technisch-taktischem Niveau gibt es immer wieder neue Trends, an die man sich anpassen kann. Ich denke, dass ich diese Wege immer mitgegangen bin. Aber die größte Entwicklung hat an meiner Person selbst stattgefunden. Dass man sich selber nicht mehr so wichtig nimmt, sondern seine Spieler und Mitarbeiter in den Vordergrund rückt. Wir sind 14 Betreuer hier in Baku. Mir ist klar: Ich bin zwar der Teamchef, aber ohne diese Leute bin ich gar nichts.

Was macht den eigentlichen Reiz aus, als Nachwuchs-Teamchef zu arbeiten?

Auf so eine Endrunde hinzuarbeiten, macht unheimlich Spaß. Das hier in Aserbaidschan ist die am besten organisierte Endrunde, bei der ich je war. Wenn man sieht, auf welchem Niveau das hier stattfindet, was das Umfeld, das Hotel und auch die Stadien betrifft, dann reden wir von Profifußball im Nachwuchsbereich. Das ist was ganz besonderes für die Burschen, aber auch für mich. Und schön ist, wenn man Spieler auf ihrem Weg nach oben begleiten kann. Ich sehe viele Spieler im Nationalteam und im Ausland, die vorher bei mir gespielt haben.

Sind 16-Jährige, die noch von der ganz großen Karriere träumen, leichter zu motivieren als g’standene Profis in der zweiten Liga, wo sie Trainer waren?

Nein, da gibt es keinen großen Unterschied. Entscheidend ist, ob man die Spieler erreicht und motivieren kann. Ich könnt’ mich nicht daran erinnern, einen einmal nicht erreicht zu haben. Das ist eine Frage der Menschenkenntnis und natürlich auch der Erfahrung. Wenn man die hat, kann man selbst den größten Muffel motivieren. Man muss den Spielern auch vermitteln, dass es eben auch Spaß machen soll.

Was hat sich noch verändert an den jungen Spielern in Ihren acht Jahren beim ÖFB?

Es gibt immer mehr Spieler, die Dinge reflektieren und hinterfragen. Das ist eine Aufgabe für den Trainer. Früher hat der Trainer wenig bis gar nichts mit den Spielern geredet. Da war’s einfach so, wie es der Trainer vorgegeben hat. Und jetzt wollen sie wissen, warum dieses und jenes gut oder schlecht war. Dem muss man sich stellen.

Stellen muss sich Ihr Team nun den Deutschen. Ein Remis reicht zum Gruppensieg, die Erwartungshaltung wird wie üblich in Österreich gen Himmel steigen. Wie ist die Situation in Ihren Augen?

Da lach’ ich jetzt schon drüber, weil ich es von meinen bisherigen vier Endrunden schon kenne. Es war immer dasselbe. Ich habe deshalb der Mannschaft auch gesagt: Wenn man sich für eine Endrunde qualifiziert, kann man am Ende eigentlich immer nur verlieren.

Warum?

Weil man als Österreicher nicht davon ausgehen kann, den Titel zu holen. Irgendwann auf dem Weg dorthin gibt es das Ausscheiden. Sei es in der Gruppenphase oder im Halbfinale. Der Österreicher denkt aber nach zwei guten Ergebnissen, dass es jetzt immer so weitergeht. Und am Ende bist du sowieso wieder der Trottel. Das habe ich gelernt anzunehmen, weil es weder selbstverständlich ist, dass wir uns überhaupt qualifiziert haben, noch dass wir hier schon zwei Mal gewonnen haben.

Was erwartet Sie gegen Deutschland?

Ein brutal guter Gegner, der physisch enorm präsent ist und hervorragende Spieler hat. Wir selbst haben zwei gesperrte Spieler und drei weitere, deren Einsatz fraglich ist, weil sie krank oder angeschlagen sind. Das Schöne ist aber, dass uns nichts passieren kann, weil wir auch bei einer Niederlage im Turnier bleiben.

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