Reiter: "Kuen wäre ein klassischer Rieder gewesen"

Im Fokus: Nach 20 Jahren in der Bundesliga nimmt sich der Rieder Manager Stefan Reiter kein Blatt mehr vor den Mund.
Rieds Langzeitmanager Stefan Reiter über Rapid, Transfers und die Schuld der Funktionäre.

Der längstdienende Manager der Bundesliga hat schon viel erlebt, aber noch keinen Meisterschaftssieg bei Rapid. Bevor es seine Rieder erneut versuchen, greift der 54-jährige Stefan Reiter im KURIER-Interview an.

KURIER: Sie warten seit 34 Bundesligaspielen auf den ersten Sieg bei Rapid. Wie groß ist die Hoffnung auf das Ende dieses Traumas?

Stefan Reiter: Wir fahren jetzt schon 20 Jahre lang zu Rapid – irgendwann muss das Trauma ja enden. Für mich wäre es die größte Freude – wie Ostern, Weihnachten und mein Geburtstag an einem Tag. Wobei es für die Spieler gar kein Trauma ist, weil keiner so lange bei Ried ist wie ich.

Wie lautet das Ziel der SV Ried für das Frühjahr?

Im Sommer haben wir ausgegeben, um Platz fünf mitspielen zu wollen, weil der für den Europacup reichen kann. Das ist mit sechs Punkten Rückstand möglich. Die Europacup-Qualifikation ist aber nie ein Muss.

Im Rieder Stadion wird aber öfter gemurrt als früher. Ist das Publikum schon verwöhnt?

Es gab in den letzten Jahren Wahnsinnserfolge: Zwei Mal Herbstmeister, drei Mal im Europacup, Cupsieger – das hatte aber auch zur Folge, dass viele Spieler von Großen abgeworben wurden und neu aufgebaut werden musste. Darum sollte man nie vergessen: Es ist nach wie vor ein Geschenk, dass Ried in der Bundesliga dabei sein kann. Das wird bei einer Stadt mit 12.000 Einwohnern und unserem ländlichem Umfeld auch immer so bleiben.

Sie mussten Ihre Transfer-Taktik verändern, weil auch die größeren Klubs verstärkt Talente verpflichten. Wurde Ihre Arbeit dadurch schwieriger?

Definitiv. Früher wäre einer wie Kuen der klassische Rieder Einkauf gewesen. Es spricht für Rapid, dass sie jetzt bei solchen Talenten früher dran sind. Wir müssen deshalb wieder mehr im Ausland suchen. Momentan ist die dritte deutsche Liga ein gutes Ziel. Aber die wird auch bald zu teuer für uns sein.

Sie könnten jedes Jahr aus rund 100 Akademiespielern wählen. Gibt’s da nicht genug Qualität?

Erstens ist bei Weitem nicht jeder Akademiespieler Bundesliga-tauglich. Zweitens muss man die richtigen Talente rausfiltern. Da geht’s verstärkt um den Charakter.

Wie meinen Sie das?

Eigentlich müssten ja die meisten Jungen gerne zu uns kommen, weil es so große Chancen gibt, in die Stammelf zu kommen. Leider ist es bei der Mehrzahl der Talente aber so, dass ihnen von den Eltern und Beratern eingeredet wird, dass sie ohnehin die besten sind und deswegen auch beim Großklub gleich spielen werden. Was aber nur sehr selten der Fall ist.

Sie haben noch vor seinem ersten Länderspiel als Teamchef in einem KURIER-Interview prophezeit: "Koller ist die perfekte Lösung". Viele große Namen haben Ihnen widersprochen. Sind Sie stolz darauf, Recht behalten zu haben?

Schon. Ich hatte Koller ja auch nicht am Radar. Aber ich hab’ dann recherchiert, was der eigentlich macht und wie er es macht – das hat mir imponiert. Das Problem in Österreich ist ja, dass nur auf den Namen repliziert wird. Bei uns geht es nur um die Karriere: Guter Fußballer – guter Trainer. Oder zumindest guter Experte. Da geht es um die Sympathie, nicht um das Fachliche. Aber, wehe, Koller schafft die EM-Qualifikation doch nicht ...

Was passiert dann?

Dann gilt er als gescheitert. Das weiß Koller auch. Dann kommen wieder alle und meinen ‚Wir haben es eh immer schon gewusst‘. Ich kann mich ja auch noch an unwürdige TV-Sendungen zum Thema Koller erinnern. Da ist die österreichische Fußball-Seele zum Vorschein gekommen: Wie wir ticken, ist beschämend.

Kann es sein, dass die Bestellung von Koller als Wendepunkt gelten wird, und künftig solche Entscheidungen auch in Österreich "normal" sind?

Wir waren im Fußball 20 Jahre hinten. Jetzt sind wir in der Gegenwart. Ich bin nicht sicher, dass das bei Entscheidungen wie für Koller von Dauer sein wird.

Wird das Nationalteam auch künftig immer zum Großteil mit Legionären spielen?

Ja, daran führt kein Weg vorbei. Rapid wird sich mit dem neuen Stadion steigern, aber es gibt wegen den geringen TV-Einnahmen einen Deckel. Deswegen werden weiterhin die Besten früh ins Ausland verschwinden und dann zu Teamspielern werden.

Sie sind mittlerweile im Bundesliga-Aufsichtsrat aktiv. Sind Fortschritte erkennbar?

Ja. Die Lizenzbestimmungen werden sukzessive angehoben. Bis 2016 müssen wirklich alle bei der Rasenheizung mitziehen. Aber mich stört, dass es in Österreich so selten funktioniert, bei nötigen Infrastruktur-Verbesserungen die öffentliche Hand zu beteiligen. In Deutschland ist das üblich.

Vielleicht hängt das mit dem Image der österreichischen Fußball-Funktionäre zusammen ...

Das stimmt. Es gibt kaum eine Stadt in Österreich, in der nicht irgendwelche Machenschaften im Fußball passiert sind. Da haben Präsidenten aus Großmannssucht etwas gemacht, das heute noch als historische Schuld nachwirkt. Aber ich bin sicher: Wenn das Umfeld und die Leistung stimmen, geht’s mit der Liga nach oben. Dann werden auch wieder mehr Leute in die Stadien kommen.

Ist der Rieder Status als Nr. 1 in Oberösterreich in Gefahr, wenn der LASK aufsteigt?

Ich gehe davon aus, dass der LASK aufsteigt. Das erste Jahr ist für Aufsteiger dann auch das leichteste. Aber: Wir fühlen uns als Nr. 1 wohl und wollen das auch bleiben.

Über eine Anfrage von Rapid an Sie sprechen Sie nicht gerne. Könnten Sie dafür erzählen, warum Markus Weinzierl 2012 beinahe Ried-Trainer geworden wäre? Immerhin gilt er bei Augsburg ja als Wunderwuzzi.

Ich habe mich über ihn informiert, und wir waren in den Verhandlungen tatsächlich extrem weit. Knapp vor der Unterschrift ist uns aber Augsburg dazwischengekommen. So wie bei den Spielern gilt auch bei Trainern: Gegen die Deutsche Bundesliga hast du keine Chance.

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