Stöger: "Fühle mich oft verdammt alt"

Die Austria will den Höhenflug gegen Ried fortsetzen. Trainer Stöger über Spieler, Werte und den Job.

Es lässt sich leicht leben und gut lachen, wenn man Trainer einer Mannschaft ist, die sich Spitzenreiter nennt. Peter Stöger macht beim Mittagessen im Viola Pub einen sehr entspannten Eindruck. Zumal die Austria von den kommenden vier Spielen im November gleich drei daheim in Wien-Favoriten austragen darf. Das erste heute (16 Uhr) gegen Ried.

KURIER: Wie sehr läuft man bei der Auslosung Gefahr, mögliche Punkte im Voraus zusammenzurechnen?
Peter Stöger: Es gibt die Phrase: Das nächste Spiel ist das wichtigste. Klar ist aber auch, dass ich eine intelligente Mannschaft habe, die weiß, dass in den nächsten Spielen mit drei Heimpartien einiges möglich ist für uns. Das sprechen wir intern auch an. Träumen ist erlaubt und in der Umsetzung auch möglich, wenn wir unseren Level halten.

Was macht man, damit das Träumen nicht ablenkt von der täglichen Arbeit?
Indem man den Spielern vor Augen hält, was möglich wäre. Um eben eine Euphorie zu schüren mit einem längerfristigen Ziel. Umgekehrt muss man sich Stück für Stück diesem Ziel annähern. Und es ist eine Coaching-Aufgabe, das in die Köpfe der Spieler hineinzubekommen. Wir werden aber nicht gewinnen, wenn wir nicht in jeder Partie top konzentriert sind.

Muss die Austria im Winter einen Vorsprung auf Salzburg haben?
Wir haben ja schon fünf Punkte Vorsprung gehabt. Salzburg spielt eine gute Serie, Rapid lässt nicht locker. Wir machen unseren Job gut. Wenn man hört, dass Salzburg den besten Start in der Klubgeschichte hingelegt hat, dann spricht das doch auch für uns.

Ist die Liga niveauvoller geworden?
Als Trainer finde ich, dass die Liga in den letzten Jahren an Qualität gewonnen hat. Ausgeglichenheit bedeutet nicht zwangsweise einen Verlust an Qualität. Heuer stehen drei Klubs vorne, weil sie ihr Mehr an Qualität öfter abrufen.

Wie verrückt ist der Trainerjob?
Der ist genauso verrückt wie interessant. Sehr.

Es gibt Partien, nach denen ich öfter wach werde als sonst.

Er geht an die Substanz?
Sehr oft. Würde er nicht an die Substanz gehen, wäre er nicht so interessant. Aber damit möchte ich sogar leben, weil ich keinen faden Job haben möchte.

Wie merken Sie, dass der Job an der Substanz kratzt?
Wenn ich schlecht schlafe. Es gibt Partien, nach denen ich öfter wach werde als sonst. Wichtig ist für mich mein Umfeld. Mit meiner Partnerin kann ich mich besprechen, sie bringt mich dann auch wieder in die richtige Bahn. Es ist wichtig, wenn dich jemand gut versteht.

Haben Sie Existenzangst?
Die kenne ich schon von früher, daher habe ich jetzt keine Angst mehr. Es schadet nicht, wenn man sich weiterbildet. Dann öffnen sich neue Türen, dann kann man beispielsweise im Fernsehen oder journalistisch etwas machen. Du bekommst ja nichts geschenkt, wenn du dich nicht weiterbildest.

Sind Sie wagemutig?
Ich kann leicht wagemutig sein. Ich habe keine Familie und muss nicht darauf schauen, dass nach mir noch genügend für Generationen übrig bleibt. Daher kann ich leichter was riskieren. Als Trainer habe ich eine viel klarere Vision und einen genaueren Plan als damals als Spieler. Im Nachhinein ist das schade. Ich hätte vielleicht damals einen Typen gebraucht, wie ich jetzt als Trainer bin. Als Spieler war ich zwar nicht ganz patschert, aber ich hätte noch besser sein können.

Hätte der Trainer Stöger mit einer Eigenschaft des Spielers Stöger ein Problem?
Über weite Strecken hatten Trainer mit mir keine Probleme, in kurzen Phasen aber sehr große. Die sind dann zustande gekommen, wenn ich das Gefühl hatte, dass das Team Hilfe gebraucht hätte. Mit diesem Wissen hätte ich mit mir selbst keine Probleme gehabt. Wenn allerdings eine Situation nicht mehr zu reparieren gewesen wäre, dann hätte ich schon mit mir Probleme gehabt.

Die aktuelle Spielergeneration ist vernetzt, kann alles googeln. Viele laden sich aus dem Internet Trainingsprogramme runter. Wie gehen Sie damit um?
Ich kann ihnen nichts vormachen. Sie können dich als Trainer zerlegen mit ihrer Information. Man muss viel wissen und vor allem glaubwürdig sein. Wichtig ist das gesamte Trainerteam, denn ich alleine kann unmöglich alle Bereiche abdecken. Ohne meine Trainer bin ich nur halb so gut. Hast du keine Spezialisten an deiner Seite, bist du von den Spielern in der Sekunde zerlegt.

Stolz, Respekt, Demut. Die Spieler müssen manches zu schätzen wissen.

Wie steht’s mit Facebook und Twitter?
Jeder kann liken, was er will. Ich habe ihnen gesagt: Alles, was sie schreiben im Internet, kann gegen sie verwendet werden. Von mir gibt es keine Einschränkungen, aber die Verantwortung tragen die Spieler. Sie müssen dazu stehen, was sie posten. Ich erwarte mündige Spieler auf dem Platz, daher kann’s keinen Maulkorb geben.

Der Sport ist ein Spiegel der Gesellschaft. Alles wird immer schneller. Sehnen Sie sich nach Verlangsamung?
Die wird es nicht mehr geben. Bei einer Trainer-Fortbildung hat Teamchef-Assistent Schmid gesagt, dass man sich anpassen muss. Alles muss bei der Jugend schnell gehen und abwechslungsreich sein. So musst du auch als Trainer ticken. Warum sollen ausgerechnet Fußballer anders sein als Gleichaltrige in der Gesellschaft? Daher musst du dich anpassen.

Sie sind in einer anderen Zeit mit anderen Werten aufgewachsen. Gibt es da nie einen Konflikt?
Diese Werte versuche ich in die Gruppendynamik hineinzubringen. Stolz, Respekt, Demut. Die Spieler müssen manches zu schätzen wissen. Das Rundherum musst du ihnen lassen.

Hält es selbst jung, wenn man die Jugend versteht?
Im Normalfall ist es toll, aber ich fühle mich auch oft verdammt alt (lacht, Anm.).

Wie oft lachen Sie über manche Dinge oder Aktionen der jungen Spieler?
Schon des öfteren, aber meistens nach dem Training im Auto. Wenn man es ihnen zeigt, glauben sie, ich finde eh’ alles lustig.

Wie unfair empfinden Sie es, dass Ihre Arbeit fast ausschließlich nach Ergebnissen beurteilt wird?
Damit muss man sich als Trainer anfreunden. Man braucht für sich selbst und für den Verein den Erfolg. Die Tätigkeit selbst ist wie die eines Lehrers, weil wir Spieler weiterbringen wollen. Das ist natürlich eine Zwickmühle und es ist auch klar, dass alles knapp beisammen liegt. Ich habe mich damals gefreut, dass wir Filip Sebo von Bratislava zur Austria und dann zu den Glasgow Rangers transferierten. Das ist auch eine Auszeichnung.

Haben große Trainer in den richtigen Momenten das nötige Glück?
Große und erfolgreiche Trainer haben immer gute Mannschaften gehabt. Es gibt sicherlich viele sehr gute Trainer, die nie die Chance hatten, solche Teams zu coachen. Ein Jose Mourinho wird sicher etwas an sich haben. Er verfügt über gute Mannschaften, aber er hat überall Titel gewonnen. Mir taugt er. Aber was ist schon Gerechtigkeit ...

Was?
Nehmen wir den Skisport in Österreich. Wenn einer zwei Hundertstel hinter dem Dritten liegt, ist er schon der größte Trottel. Ist das etwa gerecht? Du meine Güte.

Waren Sie als Spieler mehr Egoist als jetzt als Trainer?
Ja. Ich fühle mich jetzt verantwortlich für einen Konzern. Bleibt der Erfolg aus, geht es um Arbeitsplätze.

Das Nicht-Erreichen des Europacups hat Arbeitsplätze gekostet.
So ist es. Und zwar nicht beim Kader.

Sonntagsspiel Zwei Treffer pro Auswärtsspiel sind rein statistisch gesehen der Hoffnungsschimmer der SV Ried im heutigen Gastspiel bei der Wiener Austria. Ihre einzigen zwei Niederlagen bezogen die Wiener in der Generali-Arena. In sechs Heimspielen mussten die Violetten allerdings nur drei Gegentreffer schlucken. Und in 30 Auswärtsspielen bei der Austria, die es in der Rieder Bundesliga-Geschichte gegeben hat, brachten es die Oberösterreicher nur auf zwei Siege und fünf Remis.

Zahlenspiele. So weit, so gut. Trainer Heinz Fuchsbichler kennt die Fakten und hofft: "Wir tun uns zurzeit schwer, wenn wir selbst das Spiel machen müssen. Wir hatten gegen Wiener Neustadt und die Wiener Viktoria zwei Erfolgserlebnisse. Da müssen wir anschließen und auch von der Austria etwas mitnehmen."

Tabellenführer Austria hat hingegen den Anspruch, weiter vorne mitzuspielen. Ob dabei auch der Titel des Torschützenkönigs herausschauen könnte, ist Nebensache. Zumindest, wenn es nach dem potenziellen Kandidaten Philipp Hosiner (derzeit elf Treffer) geht: "Dafür wird man sicher einige Tore mehr brauchen als im Vorjahr. Aber wichtiger ist ohnehin, dass wir Spiele gewinnen."

Zur Erinnerung: Im Vorjahr reichten 14 Tore nach 36 Runden zu Königsehren.

Holland. James Holland. Im Auftrag seines Trainers Peter Stöger hat er die Lizenz zum Abräumen im zentralen Mittelfeld. Der 23-jährige Australier gilt als Fixpunkt in der violetten Startelf, in zwölf von 13 Ligaspielen stand er von Beginn an auf dem Platz. Das wird auch heute im CupMatch in Villach so sein.

Holland ist kein Blender, keiner, der das Rampenlicht sucht. "Natürlich will sich jeder Spieler irgendwie in den Vordergrund spielen, das ist klar. Aber ich brauche das Rampenlicht nicht wirklich. Ich weiß, was meine Aufgabe ist und habe damit kein Problem." Er soll nicht glänzen, sondern unauffällig seine Defensivarbeit verrichten. Und den Offensivgeistern den Rücken freihalten.

In dieser Saison gelingt ihm das mit Vorzug, der anfängliche Konkurrenzkampf mit Mader wurde gewonnen. "Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich eingewöhnt habe. Aber jetzt fühle ich mich in Wien und bei der Austria sehr wohl. Wien ist eine tolle Stadt." In einer Wohnung im ersten Bezirk lässt es sich auch gut leben.

Dass sich Holland nicht einsam fühlt, dafür sorgen auch einige australische Freunde, die den kickenden Bekannten zum Anlass für einen Europa-Trip nehmen. "Erst letzte Woche hat mich ein Freund besucht."

Heimweh

Seine Heimat hat der Fußballer schon lange nicht besucht, Holland war seit fast zwei Jahren nicht mehr in Australien. Weihnachten wird er jedoch Down Under bei seiner Familie eine Autostunde nördlich von Sydney feiern. "Vor allem meine Mutter freut sich extrem, dass ich komme." Sie trägt auch Schuld, dass James beim Fußball gelandet ist. "Ursprünglich habe ich mich für Australian Rules Football interessiert, aber das war meiner Mutter zu brutal."

Dabei setzte Holland seine Karriere einst selbst leichtfertig aufs Spiel. Der passionierte Surfer wurde einmal von einer großen Welle vom Brett gefegt, dabei brach sein Knöchel. Danach hat er das Surfboard an den Nagel gehängt. "Das tut schon weh, weil in unserer Gegend gibt es tolle Surfer-Strände."

Bergauf

Über das New South Wales Institute of Sport und das Australian Institute of Sport landete der Mittelfeldspieler beim australischen Erstligisten Newcastle United Jets und später auch im Kader der Nationalmannschaft. Mit 19 Jahren riskierte Holland den Sprung nach Europa, zum – nomen est omen – holländischen Spitzenklub AZ Alkmaar.

Über Vermittlung von Ex-Austria Goalie Joey Didulica wechselte er im Jänner dieses Jahres zu den Veilchen.

Mittlerweile fühlt er sich als halber Europäer. "Ich weiß nicht, ob ich mal meine Karriere in Australien ausklingen lasse und zurückgehe. Heute kann ich wirklich nicht sagen, ob ich nicht vielleicht für immer in Europa bleibe."

Entspannt

Auch wenn die Australier von der Mentalität viel offener sind als die Europäer. "Die brauchen mehr Zeit, um sich zu öffnen. In Australien ist alles ein wenig entspannter." Entspannung in Wien findet der modisch gekleidete Australier häufig in der Literatur. "Bücher sind ein Hobby von mir." Zuletzt hat ihn das Werk des legendären Basketball-Coaches Phil Jackson beeindruckt. "Es war toll zu lesen, wie er mit Spielern umgeht."

Ein möglicher Trainerjob ist für den Austrianer noch in weiter Ferne. Davor möchte er als Spieler mit der Austria Titel holen und in den Europacup einziehen.

Und irgendwann soll der Schritt in eine stärkere Liga gelingen. "Natürlich ist das ein Ziel."

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