Serbien fordert 3:0 am grünen Tisch

Die Tumulte in Belgrad haben ein umfangreiches Nachspiel.
Die UEFA hat sowohl gegen Serbien als auch gegen Albanien ein umfangreiches Disziplinarverfahren eröffnet.

Nach dem Skandal in der EM-Qualifikation von Belgrad hat der serbische Fußball-Verband (FAS) die Europäische Fußball-Union (UEFA) aufgefordert, das Qualifikationsspiel gegen Albanien zu seinen Gunsten mit 3:0 zu werten. Serbische Medien kritisierten indes das Versagen von Polizei- und Sicherheitskräften.

Das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien war am Dienstagabend in der 41. Minute nach Tumulten zwischen Spielern und Zuschauern abgebrochen worden. Danach kam es zu den Ausschreitungen. Auslöser war eine per Drohne ins Stadion gelenkte Fahne mit einer Abbildung Großalbaniens. Sie soll laut Belgrads Polizeichef Miladin Despotovic inzwischen im Besitz der UEFA sein. Das Auftauchen des Flugobjekts sei eine von langer Hand geplante Aktion gewesen, erklärte die FAS. "Es war ein Akt des Terrorismus, der gegen die Interessen der Republik Serbien gerichtet war", hieß es in der Mitteilung.

Die UEFA hat gegen beide Verbände bereits ein umfangreiches Disziplinarverfahren eröffnet. Als Verhandlungstermin vor der Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer wurde der 23. Oktober angesetzt. Der serbische Verband muss sich für das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion, die Zuschauerausschreitungen, den Platzsturm, die mangelhafte Organisation und das Benutzen von Laserpointern verantworten. Die Albaner werden für den Spielabbruch und das Zeigen eines verbotenen Banners verantwortlich gemacht.

Kritik an Sicherheitskräften

Zahlreiche große serbische Medien diagnostizierten ein völliges Fehlverhalten der Sicherheitskräfte. "Versagen von Polizei und Sicherheitsdiensten", überschrieb die Zeitung Danas am Donnerstag ihre Titelseite. Die größte Zeitung Blic kommentierte: "Was arbeiten unsere Agenten? Schlafen die? Für was erhalten diese Leute ihr Gehalt? Nach diesem Skandal wäre es normal, dass alle Chefs der Sicherheitsdienste sofort ihren Rücktritt einreichen oder dass der Regierungschef alle zusammen auswechselt".

Indes rückte der albanische Teamspieler Edmond Kapllani in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Geschehen am Feld zurecht. "Wir hatten keine Schlägerei mit den serbischen Spielern. Ein paar serbische Spieler haben uns auch in Schutz genommen. Sie haben versucht, serbische Anhänger zurück auf die Tribüne zu schicken", erzählte der Kicker vom deutschen Zweitligisten FSV Frankfurt.

"Die Emotionen waren hoch", erklärte Kapllani, der auf der Ersatzbank saß, weiter. "Wir sind mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Auch ich habe versucht, den einen oder anderen serbischen Spieler zu beruhigen. Wir wussten, dass es ein schwieriges Spiel werden wird. Aber dass es so eskalieren würde, damit hatten wir nicht gerechnet."

Albaniens Verband entrüstet

Indes stellte der albanische Fußballverband (FSHF) die schweren Tätlichkeiten gegen seine Nationalspieler beim Spiel ins Zentrum seiner Kritik. Schon bei der Anreise ins Stadion sei der Teambus von Serben mit Steinen beworfen worden, kritisierte der Verband am Donnerstag in Tirana. Die Spieler seien von den Zuschauern schon beim Aufwärmen "mit einem Hagel von Münzen und Feuerzeugen" empfangen worden.

Die serbischen Zuschauer hätten mit Slogans wie "Töte die Albaner" und "Tod den Albanern" für eine "extrem feindliche und aggressive Atmosphäre" gesorgt, heißt es in der Erklärung weiter. Vor dem Abspielen der Nationalhymne, die vor lauter Zuschauerprotesten nicht zu hören gewesen sei, sei ein "nationalistischer Marsch" intoniert worden. Schließlich seien die albanischen Spieler nicht nur von Zuschauern, sondern selbst von Sicherheitskräften und sogar von der Polizei angegriffen worden.

Granit Xhaka, Schweizer Teamspieler kosovo-albanischer Herkunft, ist einer der Stars der Eidgenossen und hat sich auch längst beim deutschen Topklub Mönchengladbach durchgesetzt. Sein um ein Jahr älterer Bruder Taulant Xhaka gilt als nicht ganz so talentiert – und hat sich vielleicht auch deshalb für das Nationalteam Albaniens entschieden.

Taulant war mittendrin statt nur dabei, als das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien am Dienstag in Belgrad abgebrochen wurde. Er gehörte zu jenen Spielern, die sich auf dem Platz ein Handgemenge lieferten. Seinen jüngeren Bruder Granit erfüllte dies mit Stolz. "Das zeigt die Stärke der Albaner. Wir gedenken Adem Jashari", postete der Fußballer unter dem Foto seines Bruders auf dem Internetportal Instagram. Jashari war Mitbegründer der Befreiungsarmee des Kosovo und wurde 1998 von serbischen Terrormilizen getötet.

Ausgelöst hatte den Abbruch am Dienstag in Belgrad eine Drohne. André Scholz von der Kopterzentrale in Hannover erklärt im Interview mit Die Welt: "Was dort geflogen ist, ist die meistverkaufte Drohne der Welt. Das ist eine DJI Phantom, die unter 1000 Euro kostet." Die Drohne kann bis zu 500 Gramm an Gewicht transportieren. In Belgrad flog sie mit der "großalbanischen" Flagge ins Stadion. Serbiens Verteidiger Stefan Mitrovic holte die Flagge aus der Luft. Sein Arbeitgeber, der SC Freiburg, verteidigte ihn nun: "Stefan hat das gemacht, was jeder machen würde, denn jeder ärgert sich, wenn der Fußball durch politische Dinge unterbrochen wird", sagte Freiburgs Präsident Fritz Keller.

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