Salzburg: Krise oder nur Krisen-Gerede?

Nach dem Aus im Champions-League-Play-off wurde auch gegen Sturm verloren. Was ist los beim Meister?

Hören wollte er es nicht, der Adi Hütter, das Wort „Krise“ nach dem blamablen Ausscheiden im Champions-League-Play-off gegen Malmö. Schon vor dem Samstag-Spiel gegen Sturm Graz wurde er mit diesem im TV-Sender Sky konfrontiert. „Ich finde das Wort Krise auch sehr frech. Wir haben in der Meisterschaft die volle Punkteanzahl“, sagte Salzburgs Trainer.

Nach dem 2:3 gegen Sturm Graz hatten die Salzburger zwei Stunden danach in der Bundesliga nicht mehr die volle Punkteanzahl und blieben nur Tabellenführer, weil sich der WAC zu Hause gegen Schlusslicht Wiener Neustadt blamierte. Hütter wurde dann in der anschließenden Pressekonferenz gefragt, ob es nun eine kleine Krise gibt? „Bei einem anderen Verein sind zwei Niederlagen keine Krise, hier ist es vielleicht unangenehmer. Das ist klar. Ein großes Ziel haben wir nicht erreicht. Jetzt haben wir die erste Saisonniederlage im siebenten Spiel. Wir werden da rauskommen, auf alle Fälle. Diese Woche ist aber sehr schwer zu verdauen“, antwortete er.

Egal ob Krise, Mini-Krise oder gar keine Krise, Salzburg hat zwei Spiele in Serie verloren. Und das ist doch eher die Ausnahme als die Regel. Also beginnen die Mechanismen des Fußballes zu laufen, wird hinterfragt, was vor einer Woche noch nicht wirklich getan wurde.

Die Transferpolitik

Mit Sabitzer, Bruno, Keita, Ankersen und Schmitz kamen fünf Neue für den engeren Kader, mit Svento, Zulj, Hierländer, Klein und Meilinger verließen fünf engere Kaderspieler den Klub. Ist Salzburg nun in der Breite besser aufgestellt, wie es geplant war? Nicht in jeder Formation. Ein Beispiel: Mit Svento und Meilinger wurden zwei Linksfüße abgegeben. Gekommen ist kein einziger. Am Samstag mühte sich der Däne Ankersen als Ersatz für Teamspieler Ulmer auf der linken Abwehrseite, obwohl er sich jeden Ball auf den rechten Fuß legen muss, was eine gewissen Zeit beansprucht. Ein Fehler des 23-Jährigen führte gegen Sturm auch zu einem Gegentor.

Der Innenverteidiger-Mangel

Sicher ist es Pech, dass mit Schiemer, Rodnei und Vorsah drei routinierte Spieler für diese Position ausfallen. Aber ganz aus dem heiteren Himmel kommen diese Probleme nicht, Schiemer und Rodnei sind verletzungsanfällig, Vorsah ist schon ewig verletzt. Es fehlt aufgrund des Personalmangels momentan der Konkurrenzkampf auf dieser wichtigen Position, der gerade Andre Ramalho gut tun würde. Der Brasilianer hat tolle Anlagen, aber in sein Spiel hat sich seit Monaten ein gewisser Schlendrian eingeschlichen, der aber ohne Konsequenzen bleibt, weil ihm niemand seinen Fixplatz streitig macht. In Leipzig hat Sportchef Ralf Rangnick auf Personalprobleme in der Innenverteidigung übrigens sofort reagiert. Mit Marvin Compper wurde ein immerhin einfacher deutscher Teamspieler geholt. Für den 29-Jährigen brach Rangnick sogar mit seinem Credo nur U-23-Spieler zu holen, an das er sich in Salzburg auch in diesem Sommer penibel genau gehalten hat.

Die Aufstellung in Malmö

„Die war nicht schuld, dass wir gegen Malmö ausgeschieden sind“, wird Hütter nicht müde zu betonen. Und trotzdem wird gerätselt, wer nun dafür verantwortlich war, dass im selbst-deklarierten „Spiel des Jahres“ eine Verteidigung aufgeboten worden war, die in dieser Zusammenstellung noch nie davor zusammengespielt hatte. In Insiderkreisen herrscht jedenfalls Uneinigkeit. Die einen meinen, es war ein Alleingang von Hütter, die anderen, dass diese Idee von Rangnick war. Einige Spieler sind sich nicht sicher. Fakt ist: Rangnick war im Spielerhotel in Malmö einquartiert und wird wohl wie das gesamte Trainerteam in den Aufstellungsfindungsprozess eingebunden gewesen sein.

Die Vertragsverlängerung von Gulacsi

Just am Freitag gab Salzburg bekannt, dass der Vertrag des Ungarn, der eigentlich eh noch drei Jahre gelaufen wäre, vorzeitig bis 2019 verlängert worden ist. „Der schießt einen Bock nach dem anderen. Und als Belohnung bekommt er einen neuen Vertrag mit sicher noch höherem Gehalt. Das ist eine Verhöhnung für uns Zuschauer. Schreibt’s das mal“, schrie ein Stammgast am Samstag in der Red-Bull-Arena Richtung Pressetribüne. Dass Spieler Vertrauen bekommen, gerade in Zeiten, in denen es nicht so gut läuft, ist ja an sich positiv. Der Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntgabe von Gulacis' Vertragsverlängerung just nach dessen unglücklichen Aktionen gegen Malmö war vielleicht ebenso unglücklich.

Die Vertragslaufzeiten

Seit Rangnick in Salzburg tätig ist, ist es überhaupt Usus, Verträge mit extrem langen Laufzeiten abzuschließen. Die maximal möglichen fünf Jahre werden sehr gerne ausgenützt. Das gibt einerseits natürlich eine gewisse Planungssicherheit, andererseits birgt es die Gefahr einer gewissen Bequemlichkeit bei den Spielern, die mit so einem langen Vertrag bei Red Bull eigentlich finanziell ausgesorgt haben - zumindest, wenn man einen normalen Lebensstandard als Maßstab her nimmt. Bis auf die letzte Woche haben die Salzburger Spieler allerdings bewiesen, dass sie trotzdem bereit sind, Leistung zu bringen.

Das Fehlen eines Führungsspielers

Diese Tatsache ist von vielen Experten nach beiden Partien gegen Malmö kritisiert worden ist. Es fehle einer, der in kritischen Situationen für Ruhe und Ordnung sorgt. Es ist ja zwar nicht so, dass Salzburg keine Routine im Team hätte: Leitgeb, Kapitän Soriano oder Schwegler, sie alle haben lange Erfahrung. Aber sind sie auch Führungsspieler? Jein. Entweder fehlt ihnen das Naturell, um die Jungen in schwierigen Situationen mitzureißen. Oder es mangelt an den sprachlichen Fähigkeiten. Oder sie spielen einfach auf einer Position, von der man die Mannschaft nicht antreiben und ordnen kann. Die vielen Gegentore in letzter Minute in den letzten Wochen - auch Sturm schoss das Siegestor in der 90. Minute, beweisen ein gewisses Vakuum in der Mannschaftsstruktur, an dem sich nichts ändern wird, weil Routine in Rangnicks Philosophie einfach keine Rolle spielt.

Die Stimmung im Team

Da gibt es ebenfalls ganz unterschiedliche Beobachtungen von Salzburger Insidern – von sehr gut bis sehr schlecht lautet die Bandbreite der Meinungen aus dem Umfeld, je nach Nähe oder Entfernung der Beobachter zu Trainer Hütter. „Ich glaube, die Mannschaft ist sehr gerne zusammen. Man muss manchmal das Tal kennen lernen, um wieder den Berg erklimmen zu können“, sagt der Vorarlberger, der es als Nachfolger von Roger Schmidt natürlich alles andere als leicht hat. Der Deutsche pflegt einen speziellen Umgang mit den Spielern, der nicht jedem Trainers Sache ist, der aber bei dieser Salzburger Mannschaft super angekommen ist. Hütter ist und – will auch sein – ein anderer Typ, an den sich einige früher Verhätschelte erst gewöhnen müssen.

Sadio Mane

Bleibt noch die Causa prima. Was mit dem suspendierten 22-Jährigen passiert, soll erst nach dessen Rückkehr aus dem senegalischen Nationalteam entschieden werden. Dass er noch in dieser Transferzeit, die am Montag endet, verkauft werden wird, ist möglich, wäre aber aufgrund der letzten Aussagen von Rangnick eine Überraschung. Ein Verkauf könnte aber auch ein fatales Zeichen sein, das Schule machen könnte, wenn sich ein Spieler auf diese Art und Weise praktisch freipressen kann. Für Rangnick ist es sicherlich die schwierigste Entscheidung, seit er in Salzburg tätig ist. Eines haben die beiden Niederlagen auch bewiesen: Gleichwertig ersetzen kann man Mane (noch) nicht. Sowohl in Malmö als auch gegen Sturm fehlte ein Spieler, der mit schnellen Dribblings in kürzesten Abständen Verwirrung beim Gegner in Strafraum stiften kann.

„Wir haben eine Phase, die unangenehm ist. Aber die Mannschaft hat einen tollen Charakter. Und wir werden versuchen, wieder eine Siegesserie zu starten“, meinte Hütter am Samstag abschließend. So eine wäre das Mittel gegen das beste Krisengerede. Und die nächsten Aufgaben nach der zweiwöchigen Länderspielpause sind genau die richtigen, um zu beweisen, dass der Tabellenführer eben in keiner Krise steckt: In der Bundesliga warten auswärts der WAC und die Austria, in der Europa League gastiert Celtic in Salzburg. Und das alles innerhalb von acht Tagen.

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