Aufstand gegen das „Kunstprodukt“

epa02229537 (FILE) A file picture dated 23 June 2010 shows two Red Bull cans placed on the green of the Central Stadium in Leipzig, Germany. Austrian beverage manufacturer Red Bull has secured the naming rights to the stadium until the year 2040. From 01 July 2010 on, the World Cup site of 2006 is called Red Bull Arena. 'We view this as a long-term project', said Dieter Gudel, general manager of the soccer club RB Leipzig on 29 June 2010. The christening of the newly-named stadium will take place on 24 July 2010 at a game versus FC Schalke 04. EPA/JAN WOITAS
RasenBallsport Leipzig startet am Mittwoch in das Play-off um den Aufstieg in die 3. Liga.

Es ist manchmal gar nicht so einfach, Fan einer der Fußball-Abteilungen eines Weltkonzerns zu sein. Da kann man schon einmal in ein Dilemma schlittern.

In so einem stecken die Fans des FC Red Bull Salzburg. Sollen sie dem Konzern-Partner RasenBallsport Leipzig in den Aufstiegsspielen gegen die Sportfreunde Lotte am Mittwoch (17.30 Uhr, live MDR) und Sonntag (14 Uhr, live MDR) die Daumen drücken oder nicht? Das ist eine ziemliche schwere Entscheidung.

Um in Salzburg die zuletzt gerade von den Fans geforderte Kontinuität in der sportlichen Leitung wohl fix zu haben, wäre ein Aufstieg von RB Leipzig in die 3. Deutsche Bundesliga extrem wichtig. Sollte das oberste aller Red-Bull-Saisonziele verfehlt werden, dann hat Leipzig-Sportchef Ralf Rangnick, der ja auch für Salzburg verantwortlich ist, konzernintern Erklärungsbedarf. Der eigentliche Red-Bull-Plan, 2015 in der 1. Deutschen Bundesliga zu spielen, wäre dann zeitlich nicht mehr realisierbar, ein neuerlicher personeller Wechsel in der Red-Bull-Fußball-Abteilung keine Überraschung mehr.

Konzernplan

Andererseits: Je schneller RB Leipzig aufsteigt, desto schneller wird die Fußball-Abteilung in Salzburg konzernintern zurückgestuft. Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hat ja schon mehrmals öffentlich erklärt, was er mit Salzburg vorhat, wenn Leipzig in der obersten Liga angekommen sein wird: Die stärkste Mannschaft soll dann bei der deutschen Fußballabteilung des Getränkekonzerns spielen. In Salzburg soll dann nur noch mit jungen Talenten gearbeitet werden, von denen möglichst viele für die deutsche Eliteliga tauglich gemacht werden sollen.

2010 erläuterte Mateschitz seine Pläne erstmals in der Öffentlichkeit. Seitdem hat das Interesse an Red Bull Salzburg deutlich abgenommen, sind die Zuschauerzahlen stark rückläufig. Kamen in der Saison 2009/10 laut österreichischer Bundesliga noch 12.339 Fans im Schnitt zu den Bundesliga-Heimspielen, waren es diese Saison nur mehr 8450. Die offiziellen Bundesliga-Zahlen gibt es bisher nur für die ersten 27 Runden. Da hatte Salzburg einen Zuschauerschnitt von 8327.

Aufstand gegen das „Kunstprodukt“
Das Logo von RB Leipzig war den DFL-Verantwortlichen ein Dorn im Auge.
In der elftgrößten deutschen Stadt (530.000 Einwohner) ist der Zuschauerzuspruch hingegen durchaus bemerkenswert. Mit 7500 hat RB Leipzig nach Rot-Weiß Essen den zweithöchsten Zuschauerschnitt aller 93 Regionalligisten. Zum Derby gegen Lok kamen Anfang Mai über 20.000, beim Sachsen-Pokal-Finale gegen Chemnitz waren kurz danach 17.000 Fans in der Red-Bull-Arena.

Massenansturm

Beim Play-off-Hinspiel des ungeschlagenen Meisters der Regionalliga Nordost gegen den Regionalliga-West-Meister Lotte werden noch mehr Fans im WM-Stadion von 2006 sein – trotz der für die Zuschauer eigentlich unzumutbaren Beginnzeit von 17.30 Uhr an einem Wochentag. Das Spiel muss wegen des Länderspiels Deutschland gegen Ekuador, das am Abend stattfindet, so früh angepfiffen werden. Bis Montag Abend wurden aber trotzdem schon über 19.000 Tickets im Vorverkauf abgesetzt.

Außerhalb von Leipzig sind aber Hohn und Spott, zu oft auch Hass und Feindseligkeiten treuer Begleiter von Red Bull. RasenballSport ist für viele deutsche Fußballtraditionalisten eine Gefahr für die Werte, die mit dem Volkssport Nummer eins im einwohnerstärksten Land der EU verbunden werden. Dass eine Firma einen fünftklassigen Fußballklub übernimmt (wie der Getränkekonzern 2009 den SSV Markranstädt) und dann unter einem anderen Namen bis in die oberste Liga aufsteigt, ist für viele ein Albtraum.

Mobilmachung

Viele Verantwortliche von arrivierten Klubs aus den ersten beiden Ligen machen mobil gegen das „KunstproduktRB Leipzig. „Das ist eine absolut künstliche Konstruktion. Der Sport wird dort zu Marketingzwecken missbraucht“, meint Axel Hellmann.

Laut des Finanzvorstandes von Eintracht Frankfurt gebe es Ideen, wie man den Aufstieg von Leipzig bis in die Beletage des deutschen Fußballs verhindern könne. „Welche das konkret sind, werde ich noch nicht verraten“, sagte Hellmann vergangene Woche bei einem Vortrag an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Die Lizenz für die 3. Liga bekam Red Bull allerdings ohne Auflagen.

Auch nach vier Jahren tut sich RB Leipzig schwer, Testspielgegner zu finden. Es müssen auch immer wieder Spiele wegen Angst vor Ausschreitungen abgesagt werden. Der Kampf gegen den Kommerz eint die Fans der arrivierten Vereine. Anti-Red-Bull-T-Shirts sind ein Hit wie auch Facebook-Gruppen gegen den gerne abwertend als „Brause-Hersteller“ bezeichneten Weltkonzern.

Kuckuckseier

Nicht alle Aktionen gegen Red Bull sind allerdings so einfallsreich wie jene der Fans von Carl Zeiss Jena: Beim Regionalliga-Spiel am 19. Mai in Jena durften die RB-Fans ihre Transparente nicht selbst aufhängen. Das machten Ordner, die aber auch drei von Jena-Fans gefertigte Banner vor dem Leipziger Fansektor anbrachten.

Auf diesen war während des ganzen Spiels „Facebook, Disco und Red Bull, heut gewinnen wir zu Null. Doch selbst nach tausend Siegen, Charakter werden wir nie kriegen“, „Ultras Matteschitz Mattenschiss“ und „Ultras Red Bull Leipzig – Mucchio di Merda“ (=Scheißhaufen) zu lesen.

Vom Fußball-Magazin 11 Freunde gab es dafür das Prädikat „Protest-Coup der Saison“. Die RB-Verantwortlichen fanden die Aktion weniger lustig, fühlen sich respektlos behandelt. Nun ermittelt das Sportgericht in der Causa gegen Carl Zeiss Jena.

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