Peter Stöger: "Nicht für ganz voll genommen"

Peter Stöger und der 1. FC Köln sind wieder zurück in der deutschen Fußball-Bundesliga.
Peter Stöger über seine Arbeit in Köln und das Image des österreichischen Fußballs.

Der Saisonstart gegen den HSV (23. August) war binnen einer Stunde ausverkauft; mit 65.000 Mitgliedern wurde ein Rekord aufgestellt – die Rückkehr des 1. FC Köln in die Bundesliga bewegt die Massen. Hunderte Fans begleiteten den Traditionsverein auch ins Trainingslager nach Kitzbühel, wo Trainer Peter Stöger und seine Spieler in der Hotellobby geduldig Autogramme schreiben und für Fotos posieren. "Wir suchen bewusst die Nähe zu den Fans, weil jeder im Klub weiß, wie wichtig sie für den FC sind", sagt Stöger.

KURIER: Herr Stöger, können Sie nach dem Aufstieg noch unerkannt durch die Kölner Innenstadt spazieren?
Peter Stöger:
Es ist schon so, dass ich nach diesem erfolgreichen Jahr eigentlich überall erkannt werde. Ich verstecke mich deshalb aber nicht und verhalte mich auch nicht anders als in Wien. Was witzig ist: Mit dem Erfolg in Köln ist jetzt auch in Österreich der Trubel mehr geworden.

Der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt?
Ich hatte in der Vergangenheit schon manchmal das Gefühl, dass österreichische Trainer nicht für ganz voll genommen worden sind. Dass denen grundsätzlich zu wenig zugetraut wird. Vielleicht bemerken einige durch den Erfolg in Deutschland jetzt, dass es vielleicht doch nicht so schlecht war, was wir in Österreich gemacht haben. Und vielleicht kommt man einmal weg vom Glauben: "Wenn man in Österreich etwas erreicht hat, dann ist das nichts wert." Ich kann nur so viel sagen: Manfred Schmidt und ich arbeiten im Grunde ganz ähnlich wie in Wiener Neustadt. Ich habe mich nicht verändert.

Was erwarten Sie denn nun von der Bundesliga? Und was erwartet vor allem die fußballbegeisterte Stadt Köln? Für den Klub war einmal der Aufstieg wichtig. Heuer geht es um Platz 15, und um nichts anderes. Ich akzeptiere, dass Außenstehende anders denken und sich an die Vergangenheit erinnern: der erste deutsche Meister, Europacup, und, und, und. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es über zwanzig Jahre her ist, dass Köln einen einstelligen Tabellenplatz erreicht hat. Und da waren keine schlechten Kicker dabei und sehr gute Trainer am Werk. Und trotzdem hat es nicht gereicht. Deshalb muss ich lachen, wenn irgendwer einen Platz zwischen sechs und neun als Ziel ausgibt. Okay, das wäre wunderbar, aber wichtig und gut gefahren sind wir mit unserer realistischen und nüchternen Herangehensweise. Wobei ...

... wobei?
Wobei ich eigentlich schon das Gefühl habe, dass unser Denken auf die Leute abfärbt. Das bedeutet jetzt nicht, dass die Begeisterung weniger wird, aber die Leute wissen: Wenn man etwas aufbauen will und den Verein wieder etablieren will in der Liga, dann geht das nicht in großen Schritten. Es braucht Aufbau, Kontinuität, dann ist in dem Umfeld Köln einiges möglich. Wir alle haben im Hinterkopf, dass wir in der neuen Saison vielleicht eine Art Überraschungsteam werden könnten.

Apropos Überraschung: Für viele kam auch Ihre Trainerlaufbahn unerwartet. Haben Sie selbst mit so einem Karriereverlauf gerechnet?
Es hat vor einigen Jahren schon einmal den Zeitpunkt gegeben, wo ich irgendwann geglaubt habe, dass kein Bundesligaverein in Österreich mehr auf die Idee kommt, mich zu holen. Und dann war auf einmal Wiener Neustadt da, dann die Austria, und jetzt bin ich auf einmal hier in Köln. Natürlich ist die Arbeit entscheidend, aber wie du wann wohin kommst, dafür sind oft einzelne Personen verantwortlich. Heute sage ich: Wäre damals Manfred Rottensteiner nicht Präsident in Wiener Neustadt gewesen, wäre ich heute nicht beim 1. FC Köln. Kein anderer Mensch ist damals auf mich als Trainer gekommen.

Viele haben Ihnen ja davon abgeraten, den Job in Neustadt anzutreten.
Die haben gesagt: "Wieso tust du dir das überhaupt an?" Du warst Experte für das Fernsehen, du hast Kolumnen im KURIER geschrieben, wieso lässt du dich überhaupt auf dieses Abstiegskommando ein? Heute wissen alle, dass es ein großes Glück war, dass ich dorthin gegangen bin. Und ich weiß das auch zu schätzen. Wir alle miteinander, die im Fußball arbeiten dürfen, sind ein privilegierter Sauhaufen. Wenn du den Faktor Glück nicht hast, wird es schwierig mit einer Karriere. Es laufen viele gute Trainer herum, die leider nie entdeckt worden sind. Auch bei uns in Österreich.

Sehen Sie sich jetzt in Köln etwa als Botschafter des österreichischen Fußballs ?
Nein. Da würde ich mich viel zu wichtig nehmen. Und wenn es nicht funktioniert hätte, was wäre ich dann? Ein schlechter Werbeträger?

Aber haben Sie das Gefühl, dass das Image des österreichischen Fußballs in Deutschland besser geworden ist?
Viele verbinden mit Österreich Tourismus und Skifahren. Dass die Deutschen im Fußball von Österreich lernen können, das kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit verneinen. Es ist auch schwierig, in Deutschland Informationen über den österreichischen Fußball zu bekommen. Insofern ist es vielleicht gut, dass ich als Trainer vom österreichischen Markt jetzt hier bin. Vielleicht schaut jetzt der eine oder andere Verein nach Österreich. Was die österreichischen Spieler betrifft: Die haben sich in Deutschland etabliert. Da sage ich dann immer: "Auch die werden irgendwann einmal österreichische Trainer gehabt haben, die nicht alles falsch gemacht haben dürften."

Im Sommer sind wieder zahlreiche Österreicher in die zweite deutsche Bundesliga geflüchtet. Ist dieser Schritt für Sie nachvollziehbar?
Wenn du in der zweiten deutschen Liga auffällst, ist die Chance relativ groß, dass du in die Bundesliga kommst. Bei mir haben das letztes Jahr auch viele nicht verstanden, dass ich von meinem Herzensverein weggehe, obwohl ich dort die Chance auf die Champions League und Spiele im vollen Happel-Stadion gehabt hätte. Nur: wir hatten in Köln einen Schnitt von über 40.000 Besuchern, heuern werden es 50.000. Wenn jetzt Christopher Trimmel zu Union Berlin gewechselt ist, dann sage ich: "Gratulation, der spielt jedes Mal vor 20.000 Leuten." Bitte das jetzt aber nicht falsch verstehen, das ist keine Kritik an Österreich: Für die Rahmenbedingungen, die wir in Österreich vorfinden, machen wir eh einen guten Job.

Als Trainer ein Himmelsstürmer

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