Löw: „Koller tut euch richtig gut“

Joachim Löw über österreichische Fortschritte und sein Leben als deutscher Bundestrainer.

Frank Stronach österreichischer Bundeskanzler?“ Joachim Löw muss schmunzeln, als er von den politischen Ambitionen des austrokanadischen Multimilliardärs hört. „Wahnsinn.“ Löw kennt Stronach noch als schrulligen Vorgesetzten während seiner Tätigkeit als Coach der Wiener Austria. Der Deutsche war seinerzeit von Austria-Boss Stronach gefeuert worden, obwohl der Verein auf Rang eins gelegen war. Erst der unerwartete Rauswurf öffnete Löw die Tür zur deutschen Nationalmannschaft. „Sonst wäre ich heute vielleicht Trainer in Leoben.“

Stattdessen ist der 53-Jährige heute der Bundestrainer mit der höchsten Erfolgsquote. Seit Löw im Amt ist, stand Deutschland bei jedem großen Turnier zumindest im Semifinale, auch die Qualifikation für die WM in Brasilien ist nur noch Formsache. Trotzdem musste sich Löw 48 Stunden vor dem Match gegen Österreich in München kritische Fragen anhören, da die Deutschen zuletzt in drei Partien neun Gegentore erhalten hatten.

KURIER: Herr Löw, nerven Sie solche Fragen eigentlich?
Joachim Löw:
Wenn mich in den letzten Jahren eine Frage wirklich etwas genervt hat, dann die: ,Wie schlägt man Spanien?‘ Aber zum Thema Defensive: Es stimmt ja, da hatten wir in letzter Zeit öfter Probleme. Teilweise haben wir uns richtig naiv verhalten und dumme Fehler gemacht. Das müssen wir abstellen, weil das international sofort bestraft wird.

Bedeutet das, Sie legen in Zukunft wieder mehr Wert auf die Defensive?
Wir werden jetzt sicher nicht anfangen, uns hinten reinzustellen und nur noch auf Konter zu spielen. Es hat lange genug gedauert, bis wir unsere Spielweise geändert haben. Ich erinnere mich noch gut an die EM 2008.

Was war damals?
Da sind wir zwar im Finale gestanden, aber richtig überzeugend haben wir nicht gespielt. Da war noch viel zu viel Zufall dabei, oft haben wir halt irgendwie 1:0 gewonnen. Damals habe ich erkannt: Wir müssen fußballerisch etwas ganz Anderes machen.

Ihr berühmtes Bekenntnis zum Offensivfußball.
Richtig. Es war zwar weit verbreitet, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist. Aber ganz ehrlich: Die Spielweise hat manchmal niemanden vom Sitz gerissen. Es war mir als Bundestrainer ein großes Anliegen, dass die Fans sagen: ,Wir sind stolz darauf, wie ihr spielt.‘ Ich wollte immer schon, dass sich meine Mannschaften über Spielkultur definieren und nicht allein über den Kampf. Da komme ich einfach nicht aus meiner Haut. Es geht auch darum, bei den Menschen positive Emotionen zu wecken.

Apropos positive Emotionen: Um die österreichische Nationalmannschaft herrscht mittlerweile auch wieder eine Aufbruchstimmung. Haben Sie das in Deutschland registriert?
Selbstverständlich. Ich habe mir jetzt erst noch einmal mehrere Spiele der Österreicher angesehen, und ich muss sagen: Ich sehe bei dieser Mannschaft viele, viele gute Dinge. Früher waren die Österreicher ja oft ein wenig durcheinander, aber jetzt ist dieses Team richtig gut organisiert und strukturiert.

Ist das ein Verdienst des neuen Schweizer Teamchefs Marcel Koller?
Man sieht jedenfalls klar seine Handschrift und sein Spielsystem. Marcel Koller tut euch richtig gut, Österreich ist nicht zufällig Gruppenzweiter. Ich erwarte in München eine sehr forsche und offensive österreichische Mannschaft.

Und welche Erwartungen haben Sie an die WM 2014 in Brasilien? Sind die Deutschen inzwischen reif für einen Titel?
Wir haben Spieler, die in Brasilien bereits ihr drittes oder viertes großes Turnier spielen werden. Erfahrung ist wichtig bei einer WM. Gerade dort brauchst du elf Männer, die das Ding durchziehen und nicht nach links oder rechts schauen und sich dann von äußeren Einflüssen ablenken lassen. Brasilien wird nämlich eine Ausnahme-Weltmeisterschaft.

Eine Ausnahme-Weltmeisterschaft?
In Brasilien herrschen andere Gesetze. Da hast du 35 Grad und extreme Luftfeuchtigkeit, dazu noch die weiten Reisen. Damit musst du erst einmal fertigwerden.

Weil Sie es gerade angesprochen haben: Wie werden Sie eigentlich mit Ihrer Popularität fertig?
Richtig genießen kann ich die Bekanntheit jedenfalls nicht. Ich würde mir manchmal mehr Privatsphäre wünschen und ein wenig mehr Freiraum. Manchmal wäre es auch schön, wenn nicht so viele Leute mein Gesicht kennen würden. Aber das ist nicht mehr möglich, ich kann das Rad nicht zurückdrehen.

Wie wichtig sind Ihnen überhaupt Beliebtheit und Erfolg?
Ich persönlich ziehe mein Selbstwertgefühl nicht unbedingt aus dem Fußball. Weil ich genau weiß, wie vergänglich das ist. Früher, am Anfang meiner Trainerkarriere, war ich diesbezüglich sicher auch verbissener. Aber ich habe für mich recht schnell erkannt: ,Du darfst nicht nur ein Gefangener des Fußballs sein, du musst Auszeiten nehmen, andere Dinge genießen.‘

Themenwechsel: In den letzten Tagen war der Rekordtransfer von Gareth Bale das große Thema. Was halten Sie davon?
Ich finde diese Entwicklung bedenklich. Ich weiß nicht, ob ein Spieler 100 Millionen Euro wert ist. Und wenn man bedenkt, dass in Spanien jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist, dann sind solche Summen nicht vertretbar.

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