Präsident Krammer: "Rapid ist ein Ausbildungsverein"

Rapid-Präsident Michael Krammer ist 55 Jahre alt und seit 2013 an der Klubspitze.
Präsident Krammer über geplante Transfers, Grenzen für Rapid und Kritik an der Liga.

Betont optimistisch präsentiert sich Rapid-Präsident Michael Krammer bei seinem Besuch im Trainingslager. Im Interview ist der 55-jährige Mobilfunk-Manager um keine Antwort verlegen.

KURIER: Wie sind Ihre Eindrücke im Trainingslager?
Michael Krammer: Ich bin kein Experte fürs Sportliche, aber ich schaue auf die Organisation und das Gefüge. Da gefällt mir, wie homogen das Trainerteam arbeitet und mit Spielern kommuniziert.

Weil Huspek unbedingt weg wollte, besteht Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt. Kommt noch ein Flügel?
Es gibt die volle Bereitschaft zu investieren. Aber nicht für Notlösungen. Ja, ich bin zuversichtlich, dass uns noch etwas gelingt, das alle überzeugen kann.

Der österreichische Markt wirkt schon leergefischt. Wird Rapid künftig wie Salzburg auf den Österreicher-Topf verzichten, um mehr Legionäre holen zu können?
Nein, weil wir genügend große österreichische Talente im Nachwuchs haben.

Das heißt aber auch, dass – anders als jetzt – künftig alle sechs bis sieben Legionäre für österreichische Verhältnisse Top-Spieler sein müssten?
Ja, sonst wird sich das große Ziel "Top 50 in Europa bis 2019" nicht ausgehen. Um das zu schaffen, machen wir ja zahllose Aktivitäten im wirtschaftlichen Bereich.

Konnten Sie Ihre Arbeitszeit als Präsident schon wie geplant verringern?
Sie hat sich zumindest nicht weiter gesteigert. In der heißen Phase des Stadionprojekts sind alle voll gefordert. Mich beeindruckt, wie schnell Christoph Peschek als Geschäftsführer Tempo aufgenommen hat und bereits führt. Wir sind als ehrenamtliches Präsidium bei aller Qualifikation doch eine Hobby-Truppe. Da hat die Professionalisierung durch die Umstrukturierung schon gut getan.

Im Juli wird das Allianz Stadion eröffnet. Barcelona und Bayern sollen nicht als Gegner kommen. Wie wichtig ist Ihnen ein großer Name?
Ich wünsche mir einen namhaften Gegner, aber im Mittelpunkt wird bei der Eröffnung sicher Rapid stehen.

Werden dann tatsächlich alle Spiele dort ausgetragen, auch wenn es einmal die Champions League werden sollte?
Definitiv. Wer Abonnent oder Mitglied wird, kommt auch sicher an Europacup-Karten. Ein weiterer Hintergedanke sind die 40 Logenbesitzer: sollen die für ein Bundesliga-Spiel zahlen, aber dann gegen die Bayern ins Happel-Stadion ohne Logen? Das ist nicht vertretbar.

Spieler wie Kainz oder Stangl wollen im Sommer weg. Ist das für Sie enttäuschend?
Einerseits ist es enttäuschend, andererseits ist es schön, wenn sich Rapidler so gut entwickeln, dass sie in eine der fünf Top-Ligen wechseln. Selbst wenn wir den Umsatz auf 60 Millionen steigern, können sie dort ein Vielfaches verdienen.

Was folgern Sie daraus?
Rapid ist im positiven Sinne ein Ausbildungsverein, dazu stehe ich. Wir bilden aber nicht mehr für die zweite deutsche Liga aus, sondern für die Top-Ligen Europas. Wenn wir alles richtig machen, werden Rapidler Stammspieler bei Großklubs und wir bekommen dafür die Top-Talente, die uns gleich wieder verstärken.

Die Gefahr, dass ausgerechnet beim Stadion-Einzug ein nicht zusammen gespieltes Team einläuft, ist Ihnen bewusst?
Wenn wir davor den 33. Titel feiern, verkrafte ich das. Aber natürlich ist uns das bewusst, und wir bereiten uns darauf auch schon vor.

Stößt Rapid angesichts dieser Transferbewegungen an die Grenzen des Möglichen?
Ja, definitiv. Es ist beängstigend, wie die Schere beim Umsatz der fünf Top-Ligen zum Rest aufgeht. Wir tun sehr viel, um das wieder kleiner zu machen. Der Umsatz steigt, das Sponsoring steigt. Die dritte Säule muss der neue TV-Vertrag ab 2017 sein. Da prüfen wir gerade alle Möglichkeiten zur Selbstvermarktung. Außerdem stört mich, wie unser Liga-Fußball wahrgenommen wird.

Wie meinen Sie das?
Die sportliche Qualität ist nicht schlecht. Ich habe im TV parallel ein Liga-Spiel und BremenKöln gesehen. In Österreich waren 5000 Leute und der Sky-Kommentator destruktiv. Bei Bremen war der Kick der gleiche, aber auf den Rängen 40.000 Zuschauer und der Sky-Reporter euphorisiert. Das wirkt halt ganz anders.

Was schließen Sie daraus?
Dass bei manchen unserer Klubs die Infrastruktur und die Vermarktung beschissen sind. Da müssen wir die säumige Bundesliga in die Pflicht nehmen: die Liga belohnt lieber Vereine für ihre Auswärtsfans, als zu versuchen, mehr Fans in die Stadien vor Ort zu kriegen. Rapid hat auch mal vor 3000 Fans gespielt, das war kein Selbstläufer zum heutigen Boom. Aber man muss halt Initiativen setzen.

Wie lauten die Frühjahrsziele?
Ich verlange keine Titel, die streben wir an. Aber ich verlange schon, dass nicht nur in Valencia, wo das eh klar ist, alles gegeben wird. Sondern auch in Wolfsberg, in Grödig und bei der Admira. Alles mit 100 Prozent – da ist Charakter gefordert. Dann werden wir Titel gewinnen.

Wo lauern Gefahren für Rapid?
In der Wirtschaft lässt sich alles genauer planen als im Fußball. Ich habe das Buch von Brentford-Boss Benham gelesen: 42 Prozent aller Tore entstehen aus Zufall. Das ist meine größte Sorge: dass wir Spiele, die wir eigentlich gewinnen müssten, verlieren. So etwas gibt es nur im Fußball.

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