Özcan: "In Deutschland wird dir nichts geschenkt"

Hoch im Kurs: Ramazan Özcan spielt eine hervorragende Saison bei Zweitliga-Leader Ingolstadt.
Der Goalie über den Höhenflug des FC Ingolstadt, den Reiz der 2. deutschen Liga und den Aufschwung des Nationalteams.

Der FC Ingolstadt steht vor dem erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga. Nach dem 1:1 Montagabend gegen Nürnberg kann der Klub am Wochenende bereits alles klar machen. Maßgeblichen Anteil am Höhenflug der Bayern haben auch drei Österreicher: Ralph Hasenhüttl als Erfolgscoach, Lukas Hinterseer als Goalgetter, und Ramazan Özcan als Nummer eins. Der Tormann im Interview.

KURIER: Herr Özcan, verraten Sie uns, was in diesen Tagen in Ingolstadt los ist?
Ramazan Özcan:
Das Kribbeln ist in der ganzen Stadt spürbar, alles wartet jetzt auf den Matchball. Man merkt die Euphorie und dass wir in Ingolstadt Gesprächsthema sind.

Eine erstaunliche Entwicklung: Noch im November 2013 stand Ihr Verein am Tabellenende der zweiten Liga.
Nach neun Runden hatten wir gerade einmal vier Punkte. Und wenn damals irgendwer gesagt hätte, dass wir eineinhalb Jahre später vier Runden vor Schluss vorne sind, dann wäre er für geisteskrank erklärt worden. Damals ist es nur mehr darum gegangen, die Saison irgendwie zu retten. Mit Rang zehn ist uns das dann sogar relativ souverän gelungen.

War denn der Aufstieg vor der heurigen Saison das erklärte Saisonziel des FC Ingolstadt?
Wir haben uns in der Vergangenheit allzu oft Punkte und Platzierungen zum Ziel gesetzt und sind nicht wirklich gut damit gefahren. Für diese Saison galt es in erster Linie einmal, die Mannschaft weiter zu formen und vielleicht den nächsten Schritt vorwärts zu machen.

Es sind sogar Riesenschritte geworden. Welchen Anteil hat Trainer Ralph Hasenhüttl an der positiven Entwicklung, die der FCI in den vergangenen eineinhalb Jahren genommen hat?
Er ist eine Schlüsselfigur, er ist der Leitwolf. Der Trainer hat dem Team Selbstvertrauen eingeimpft und Spieler stark gemacht, die von manchen schon abgeschrieben waren. Wobei man das ganze Trainerteam erwähnen sollte: wir haben mit Co-Trainer Michael Henke (der langjährige Assistent von Otmar Hitzfeld) einen Mann im Trainerstab, der alles schon gewonnen hat und sehr viel Knowhow besitzt.

"Die zweite deutsche Liga ist besser als viele Bundesligen in Europa"

Vor nicht allzu langer Zeit Letzter, nun Erster – zeigt das auch, wie eng und umkämpft diese 2. deutsche Bundesliga ist?
Diese Liga ist einfach nur brutal schwer. Ich sag immer: da mag zwar vielleicht ein Zweier davor stehen, aber die zweite deutsche Bundesliga ist besser als viele Bundesligen in Europa.

Vom Niveau her, oder vom Zuschauerinteresse?
Von beidem. Man muss sich ja nur die Spiele und die Stadien anschauen. Düsseldorf, Leipzig, Betzenberg, Allianz Arena – das sind alles WM-Stadien. Und dann hast du noch so Kultstätten wie die Alte Försterei in Berlin oder das Millerntor in St.Pauli. Da wird Fußball gelebt.

Trotzdem konnten hierzulande manche nicht nachvollziehen, dass österreichische Spieler aus der heimischen Bundesliga in die zweite deutsche Liga wechseln.
Ich bin kein Spielerberater. Aber wenn du die Chance kriegst und schon eine gewisse Erfahrung hast, dann kann ich nur jedem raten, hierher zu kommen. Ein Liendl, ein Trimmel, ein Kulovits – die spielen jetzt vor 35.000 Leuten. Das sind einfach sensationelle Erfahrungen. Wobei eines natürlich schon auch klar sein muss.

Nämlich?
In Deutschland wird einem nichts geschenkt. Hier musst du dich durchbeißen, und das lernst du hier auch. Und das ist gut und wichtig für deine Persönlichkeit.

Österreichische Fußballer wurden in Deutschland jahrelang belächelt und sogar verspottet. Haben Sie das Gefühl, dass sich der Ruf gebessert hat?
Da ist jetzt auf jeden Fall sehr großer Respekt da. Man muss nur einmal am Samstag um 15.30 Uhr die Bundesliga schauen, da gibt’s ja kaum mehr ein Spiel, wo nicht ein Österreicher dabei ist. Die Fußballwelt hat schon mitbekommen, was unsere Jungs in Deutschland leisten – und natürlich ist auch registriert worden, dass wir eine gute EM-Qualifikation spielen.

Sind die vielen Legionäre der Grund für den Aufschwung der Nationalmannschaft?
Das spielt sicher auch mit hinein. Das Team profitiert natürlich davon, dass sich die Spieler im Ausland alle gut entwickelt haben. Dazu kommt der Teamchef, der sehr akribisch arbeitet und sich an einem Wochenende 20 Partien ansieht. Das war der nächste Schritt, ein Schritt, der auch notwendig war.

"Wenn man einen Millimeter nachgibt, dann hat man schon verloren"

Österreich liegt in der EM-Quali so souverän voran wie der FC Ingolstadt in der zweiten Liga: können beide Teams auf dem Weg zum großen Ziel sich nur mehr selbst ein Haxl stellen?
Es wäre ein großer Fehler, jetzt schon zu weit nach vorne zu blicken. Das Raufkommen ist das eine, aber oben zu bleiben, das ist schwierig. So lange es nicht rechnerisch erledigt ist, besteht kein Grund zum Feiern. Nürnberg, Bochum, Leipzig, Kaiserslautern – das ist unser Restprogramm mit Ingolstadt. Russland, Schweden, Montenegro, Moldawien, Liechtenstein – das wartet auf uns noch mit dem Team. Wenn man da einen Millimeter nachgibt, dann hat man schon verloren. Es wird einem nichts geschenkt. Ich weiß, wovon ich rede.

Weil Sie selbst oft um das Einserleiberl kämpfen mussten?
Wenn du jetzt als Nummer eins zu einem anderen Verein wechselst, dann wirst du voraussichtlich auch beim neuen Verein spielen. Aber ich bin als Reservist von Salzburg nach Deutschland gekommen, als No-Name. Gerade als Tormann gehst du da ein Risiko ein.

Bei Ihnen hat sich das Risiko offenbar bezahlt gemacht.
Nach Hoffenheim hat keiner auch nur einen Cent auf mich gesetzt. Wie ich zu Ingolstadt gekommen bin, hat es geheißen: ,du bist die Nummer zwei’. Nach acht Runden habe ich gespielt. Was ich damit sagen will: ich habe bei allen Vereinen, bei denen ich war, nie aufgegeben und immer weiter an mir gearbeitet. Das kommt jetzt zurück.

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