Im Prater blühte einst ein Stadion

Fussball, Stadiontest, Happel-Stadion c Stefan Sigwarth
Die frühere Fünf-Sterne-Arena kommt für internationale Endspiele nicht infrage.

Es ist ein Stadion, das noch immer zur vierten und höchsten UEFA-Kategorie gehört. Und trotzdem hat das einstige Praterstadion und jetzige Happel-Stadion, das bei Großereignissen wie Meistercupfinale Ende der Achtziger-Jahre und Anfang der Neunziger-Jahre des vorigen Jahrhunderts oder beim EM-Finale 2008 strahlen durfte, den Glanz früherer Tage verloren, weil sich andere Länder mit neuen, viel moderneren Stadien aufpoliert haben. Am Dienstag im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland wird es wieder einmal zum Leben erwachen – mit Radetzkymarsch und Bundeshymne und gefüllt mit 48.500 Fans.

Nach intensiven Gesprächen des ÖFB mit der Stadt Wien wird man sich mit dem Happel-Stadion nun doch nicht für die EM 2020 bewerben. Für jene EURO, die quer durch Europa in großen Städten ausgetragen wird. Während Deutschland mit der Allianz Arena in München ins Bewerbungs-Rennen geht, wird die EURO um Österreich einen Bogen machen.

Endstadion

Im Prater blühte einst ein Stadion
Fussball, Stadiontest, Happel-Stadion, Alfred Ludwig c Stefan Sigwarth
ÖFB-Generaldirektor Alfred Ludwig trägt dies mit Fassung: „Die zeitliche Nähe zur EURO 2008 war zu groß. Die UEFA will ohnehin die Spiele an jene Länder und Städte vergeben, die allein keine EURO austragen werden.“ Für das EM-Finale 2020 ist zum Beispiel Istanbul in der Favoritenrollen. Arenen in Dänemark, Schweden und Ungarn werden derzeit aus dem Boden gestampft, allesamt werden sie zeitgemäßer sein als das Happel-Oval, das nur noch für einige wenige große Spiele infrage kommt.

Ein Champions-League-Finale in Wien? Das sollte sich jeder Fußballfans abschminken, denn dazu benötigt es ein Fassungsvermögen von 70.000 Zuschauern. Ein Endspiel der Europa League wäre rein theoretisch möglich, ist aber eher eine Illusion.

Nicht alles ist schlecht, was das Happel-Stadion betrifft, das um rund 35 Millionen Euro vor der EURO 2008 umgebaut bzw. modernisiert worden ist. Der Zugang zum Stadion entspricht den internationalen Vorschriften, ebenso sind die Parkplatzsituation und die öffentliche Anbindung mehr als zufriedenstellend, die VIP-Hospitality mit 900 Plätzen im Sektor B und 500 weiteren im Sektor E ist umfangreich genug für Spiele der UEFA.

Auch der Rasen und die Dachkonstruktion entsprechen internationalem Standard. Ludwig: „Das Dach, das beim Umbau in den Achtzigerjahren entworfen wurde, ist heute noch ein Geniestreich des Architekten.“

Schatten-Dasein

Wo Licht ist, fehlt aber auch nicht der Schatten. Das Happel-Stadion wird das Image des veralteten Leichtathletik-Stadions nicht los, auch wenn die äußerst selten benutzte Laufbahn seit einigen Jahren blau gestrichen ist und dem Ganzen einen farbenfrohen Touch gibt. Weiters fordert die UEFA eine zweite Anzeigentafel, auch der modernen Technik hinkt das Rund im Prater anderen Stadien hinterher. „Wir müssen die WLAN-Verbindungen ausbauen“, gesteht Ludwig. Mit dem neuen Partner T-Mobile sollte dies gelingen. „Für den ÖFB ist das Stadion tadellos, aber nicht im Vergleich mit der internationalen Entwicklung.“

Im Prater blühte einst ein Stadion
Fussball, Stadiontest, Happel-Stadion c Stefan Sigwarth
Vor der Heim-EURO gab es sogar die Idee, das Stadion entweder umzubauen oder abzureißen und neu aufzubauen. Selbst der diplomatische ÖFB-Präsident Friedrich Stickler gab knapp 2007 zu: „Wir haben es verabsäumt, das Stadion zu sprengen oder abzureißen.“ Der viel zitierte Denkmalschutz (der Fassade) wäre kein Hindernis, wie Ludwig weiß. „Das ließe sich diskutieren. Da findet man eine Lösung.“ Es ist aber derzeit nicht leicht, die finanzielle Unterstützung durch öffentliche Gelder zu erhalten.

Da ein Neubau in absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist, wird jede Modernisierung Stückwerk bleiben. Alfred Ludwig breitet die Arme aus: „Was sollen wir da machen?“

47.500 Zuschauer sind Dienstag zum „Endspiel“ gegen Irland im Happel-Stadion zugelassen. Vor mehr als 50 Jahren hatten sich dort noch doppelt so viele Leut versammeln dürfen. Das Beton-Oval im Prater ist nicht kleiner geworden, nur die Baupolizei ungleich strenger.

Schon die Anfahrt mit der Tramway glich einem Abenteuer. Wir Buben hingen wie Trauben an den damals noch offenen Waggon-Türen. Es waren Szenen, die Mitteleuropäer heute nur noch von TV-Sendungen aus Indien oder Bangladesch kennen.

Ob der Zuschauerrekord mit 90.726 im Oktober 1960 oder ein halbes Jahr später erreicht wurde – darüber existieren unterschiedlichen Abgaben. Unglaublich wie die Besucherzahlen waren aus heutiger Sicht auch die Resultate: 3:0 gegen Spanien, obwohl die Gäste mit Reals Wunderstürmern di Stefano, Puskas, Gento antraten. 4:1 gegen England.

Bei einem dieser sporthistorischen Matches spielte der Schreiber dieser Zeilen einen der „Pausenclowns“. Wir (von der Vienna gestellten) Ballschanis durften damals während der 15-minütigen Halbzeit auf dem geheiligten Rasen einschießen. Als ich die Lederkugel irrtümlich im Kreuzeck versenke, johlten Zigtausend wie bei einem Ländermatch-Tor auf. Sie alle waren auf ihren Plätzen geblieben. Beim nächsten Match, als ich mich selbst am Juchee im Kurven-Sektor C befand, wusste ich, warum: Selbst die Auf- und Abgänge waren zu Stehplätzen umfunktioniert worden und überfüllt mit Menschen. Es gab weder ein Vor noch Zurück. Manche machten in die Hosen. Weniger aus Aufregung über ein Goal, sondern weil’s unmöglich war, auf eine Toilette zu gelangen.

Ungleich mehr als nur Pausenattraktion für Fußball-Fans war Ilona Gusenbauer. Sie erzielte im Rahmen des Länderspieles gegen Schweden (1:0) am 4. September 1971 im Prater Hochsprungweltrekord. 1,92 Meter! Heute ist die Leichtathletik-Anlage so desolat, dass sie sich nicht einmal mehr für Hobby-Meetings eignet. Aber zwischen 1984 und 1986, anlässlich der Überdachung des Stadions, wurde der Bau einer Tartanbahn damit begründet, dass Wien Schauplatz internationaler Großwettkämpfe à la Olympia werden solle.

Bei der Wiederöffnung des Stadions am 29.10.1986 erlebte der ÖFB den sonst so freundlichen Franz Beckenbauer zornig wie danach nie mehr. Die von ihm gecoachte deutsche Elf bekam mit 1:4 eine Kräftige aufs Dach. Es sollte Österreichs letzter Sieg über den Nachbarn gewesen sein.

Im Prater blühte einst ein Stadion

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