Heraf: "Das ist kein Über-Drüber-Jahrgang"

Andreas Heraf ist Österreichs Unter-20-Teamchef.
Teamchef Andreas Heraf setzt bei der Unter-20-WM in Neuseeland voll auf ein funktionierendes Kollektiv.

Am Samstag (9.00 Uhr MESZ, live ORFeins) startet Österreich in Wellington (Neuseeland) gegen Ghana in die Unter-20-WM. Panama (am Dienstag, 6.00 Uhr MESZ) und Argentinien (Freitag, 6.00 Uhr MESZ) sind die weiteren Gegner in der Gruppe B. Österreichs Teamchef Andreas Heraf spricht über Ausfälle, die exotischen Gegner und erklärt, warum sein Team mehr laufen als zaubern wird.

Herr Heraf, Sie haben sich zum zweiten Mal mit Ihrem Team für die U-20-WM qualifiziert. 2011 kam in Kolumbien in der Vorrunde das Aus. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Andreas Heraf: Damals hab’ ich davon geträumt, dass wir am Ende ganz oben stehen. Auch, weil die Schweizer davor U-17-Weltmeister geworden sind und das gezeigt hat, dass vieles möglich ist. Dann habe ich mit Dragovic und Hinteregger die Innenverteidigung und mit Alaba den Chef des heutigen A-Teams nicht bekommen. Auch Holzhauser nicht und Djuricin war verletzt.

Diesmal fehlt Bytyqi verletzt, Lazaro ist beim A-Team.

Ich sehe es diesmal aber viel entspannter, weil mir klar geworden ist, dass ich es eh’ nicht ändern kann, sondern nur meine Sichtweise auf diese Situation.

Und wie ist diese?

Sehr positiv. Weil ich weiß: Ich hab’ das Maximum gemacht, bin top vorbereitet und hab vollstes Vertrauen zu jenen Jungs, die dabei sind. Dass bei so einer WM die Luft dünn wird, muss sowieso jedem klar sein.

"Natürlich hätte ich auch Horvath und Kvasina gerne gehabt"

Kvasina und Horvath fahren zur U-19-EM? Warum hat da die U-20-WM nicht Vorrang?

Da haben U-19-Teamchef Hermann Stadler und ich einen Kompromiss geschlossen. Die beiden sind Jahrgang 1996 und haben immer bei ihm gespielt. Er hat bei der EM auch Gesperrte und Verletzte zu beklagen. Dafür fährt aber Salzburgs Konrad Laimer, der sogar Jahrgang 1997 ist, bei mir mit. Natürlich hätte ich auch Horvath und Kvasina gerne gehabt. Aber ich bin sehr froh, dass wir uns mit drei Mannschaften für Endrunden qualifiziert haben, weil das einfach eine Bestätigung für unsere Arbeit ist.

Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Erfahrung von der WM in Kolumbien diesmal anders machen werden?

Ich werde mich nicht in Details verrennen. Ich hab’ mich damals aufgrund der Hitze um Kühlwesten fürs Training bemüht und Kompressionshosen organisiert, die beim langen Hinflug die Durchblutung fördern.

Was hat sich noch geändert?

Ich konnte den Trainerstab um einen Videoanalysten erweitern. Früher bin ich nächtelang selbst gesessen und habe Videos geschnitten. Diesmal habe ich viel mehr an meine Leute vom Betreuerstab delegiert. Dadurch spare ich Energie, die die Mannschaft von mir braucht.

Die Gegner sind exotisch. Wie bereitet man sich auf Ghana oder Panama vor?

Gar kein Problem. Von Panama hatte ich dank unseres Video-Analysten zwei Tage nach der Auslosung alle Videos von allen Spielen dieser Mannschaft im letzten Jahr. Das waren zwölf Qualifikations-Partien. Und somit weiß ich alles von denen.

"Es hätte einfachere Lose gegeben"

Was wissen Sie zum Beispiel?

Das es einfachere Lose gegeben hätte. Ghana stellt den Anspruch, mindestens ins Semifinale aber eigentlich Weltmeister werden zu wollen. Das sprechen Spieler und Trainer beinhart aus. Sie waren auch in den letzten drei Jahren einmal Weltmeister und einmal Dritter. Argentinien ist Rekord-Weltmeister in der U-20. Und dann kommt wie schon 2011 Panama. Da meinen wieder alle: ’Die sind zu schlagen.’

Sind Sie es denn nicht?

Klar, jeder ist zu schlagen. Panama hat von den zwölf Spielen bis zur WM kein einziges verloren, erst das Finale gegen Mexiko im Elfmeterschießen. Aber wir versuchen, jeden zu schlagen.

Welchen Anteil haben die Spielweisen der Gegner auf Ihr taktisches Konzept?

Wir werden die Spieler so einstellen, dass sie genau wissen, mit wem sie es zu tun haben. Unsere Spielanlage werden wir aber nicht ändern. Meine Mannschaft ist keine besondere Mannschaft. Das ist kein Über-Drüber-Jahrgang. Da waren andere Jahrgänge aus Österreich besser. Viele Gegner auf dem Weg zu dieser WM waren von der Qualität her besser. Die sind aber nicht dabei. Man kann durch ein Kollektiv viel erreichen. Und ein starkes Kollektiv haben wir.

Sagen Sie Ihrer Mannschaft auch, dass sie keine besondere ist?

Ja, ich sage ihnen auch ganz klar: Wenn ihr ohne Richtlinien einfach hinaus geht und wie im Käfig versucht, mit denen mitzuspielen, dann verlieren wir. Gegen alle drei. Weil sie einfach von der individuellen Klasse über uns zu stellen sind.

Auch Panama?

Auch Panama! Das ist taktisch eine hoch entwickelte Mannschaft mit technisch überragenden Fußballern. Zum Teil schneller, robuster und größer. Aber wissen Sie, was das Schöne ist?

Verraten Sie’s.

Wir hatten auf dem Weg zur WM schon einige solche Gegner und trotzdem gegen alle einen Weg gefunden, dass es klappt. Außer gegen Deutschland vor einem Jahr im EM-Semifinale in Budapest. Die haben uns nicht unterschätzt, sondern sich taktisch genau auf uns eingestellt und hatten dazu überragende Klassespieler, wie Selke, Brandt, Öztunali oder Stendera, die alle Deutsche Bundesliga spielen oder sogar in der Champions League. Aber meine Mannschaft hat einiges gelernt in all den Jahren.

Zum Beispiel?

Sie hat die Mentalität entwickelt, gegen im Grunde stärkere Mannschaften zu gewinnen, mit den Tools, die wir ihnen vermittelt haben.

"Habe eine clevere Mannschaft"

Welche sind das?

Das ist vor allem das Spiel gegen den Ball. Wir nennen es Formationspressing, weil wir aus der Formation heraus attackieren. Auch das klassische Gegenpressing nach Ballverlust. Also Pressing, Pressing und nochmal Pressing ist ein großer Punkt. Und dafür brauchst du nicht die besten Kicker, sondern Spieler, die giftig sind, laufen wollen und clever sind. Und eine clevere Mannschaft hab’ ich.

Man wird Ihre Mannschaft in Neuseeland also weniger zaubern denn laufen sehen.

Ganz bestimmt. Unser Spiel wird nicht das schönste sein, aber zweckmäßig. Wir sind im Pressing gut und haben gesagt, wir müssen den Ball so schnell wie möglich dorthin bringen, wo wir pressen können und es interessant wird. Und das ist ganz vorne und das wird unter anderem mit hohen Bällen passieren.

Hohe Bälle statt gepflegtem Spielaufbau? Passt das zur Spielphilosophie des ÖFB?

Es ist das beste für diese Mannschaft. Wir haben im Spielaufbau früher oft Fehler gemacht und uns deshalb auch nicht für die U-17-EM qualifiziert. Wir haben damals von 14 Spielen neun verloren und man hat uns immer attestiert, dass wir ’eh toll mitgespielt hätten’. Das war mir aber zu wenig und deshalb habe ich gesagt, wir müssen bei dieser Mannschaft diesen kleinen Punkt, den Spielaufbau, in unserer Philosophie verändern. Alles andere wie Positionsspiel, Kombinationsspiel oder gepflegtes Flachpassspiel bleibt aufrecht.

Was kann man von Ihrer Mannschaft noch erwarten?

Wir haben auch im Detail an Standardsituationen gearbeitet, da wollen wir jeden Millimeter ausnutzen. Und wir haben auch gelernt, ganz tief zu verteidigen und schnell umzuschalten. Das Wechselspiel aus tief verteidigen, schnell umschalten, kontern, Ballverlust, Gegenpressing und wieder zurückziehen ist die Mischung, die funktionieren muss. Dann hast du eine Chance.

Sie gehen also davon aus, im taktischen Bereich mit ihrer Mannschaft sehr viel leisten zu können. Glauben Sie, den Gegnern diesbezüglich überlegen zu sein?

Überlegen vielleicht nicht, aber wir brauchen uns auf keinen Fall zu verstecken. Es ist uns auf dem Weg zu dieser WM auch schon gelungen, einen Gegner taktisch zu brechen, wie zum Beispiel die Ungarn in Budapest.

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