Der gnadenlose Kommerz und seine Kehrseite

Englands Fußball floriert wirtschaftlich und vergisst auf das Spiel und dessen Fans.

Im Fußball gibt es ein bekanntes Sprichwort: „Geld schießt keine Tore“. Nach dem erneut mehr als enttäuschenden Abschneiden der englischen Vereine in der Champions League muss man hinzufügen, „Geld garantiert keinen Erfolg“.

Kein Team aus England im Viertelfinale

Die englische Premier League musste zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren ein Champions-League-Fiasko erleben. Im Achtelfinale erwischte es gestern Abend auch noch Manchester City gegen den FC Barcelona. Die Runde der besten Acht in der Königsklasse wird also wie bereits in der Saison 2012/13 ohne englische Beteiligung gespielt werden. Der FC Liverpool war bereits in der Gruppenphase gescheitert, der FC Arsenal schied – zum vierten Mal in Serie – im Achtelfinale aus. Diesmal war der AS Monaco zu stark. José Mourinho scheiterte mit dem FC Chelsea gegen einen zahlenmäßig unterlegenen französischen Meister Paris St. Germain.

Scheidet der FC Everton heute Abend, nach einem 2:1 Erfolg im Hinspiel gegen Aleksandar Dragovic und Dynamo heute Abend im Europa League Achtelfinalrückspiel in Kiew aus, steht England bereits im März gänzlich ohne Vertreter im Europacup da.

Pay-TV-Rekorddeal

Im englischen Fußball fließt vor allem in der TV-Vermarktung das Geld und zwar in einem Ausmaß wie es der Profifußball weltweit noch nicht erlebt hat. Die immer weiter zunehmenden Ticketpreise in den Stadien der Premier League, allen voran beim FC Arsenal, treiben die Leute in die Pubs und dort regieren die Pay-TV-Sender SKY und BT. Die Premier League gab ihren neuen TV-Vertrag für die Inlandsvermarktung bekannt und konnte für ihre 20 Klubs einen Mega-Deal verkünden. Von 2016 bis 2019 zahlen SKY und BT Sport insgesamt 5,136 Milliarden Pfund - umgerechnet etwa 6,9 Milliarden Euro für die Übertragungsrechte der Premier League.

Wettbieten der Sponsoren und Ausrüster

Auch in Sachen Klubsponsoring scheint es in England mittlerweile kaum mehr Grenzen zu geben. Das Spielzeug des russischen Oligarchen Roman Abramovic, der FC Chelsea, schloss vor kurzem einen Trikotsponsor-Deal ab, der dem Klub jährlich rund 55 Millionen Euro garantiert. Chelsea wird ab der kommenden Saison fünf Jahre lang Werbung für den japanischen Autoreifenhersteller Yokohama auf der blauen Brust machen. Damit hat der Sponsorvertrag ein Volumen von insgesamt rund 275 Millionen Euro und ist allerdings nur der zweitbeste Vertrag mit einem Trikotsponsor in England, was mittlerweile synonym für weltweit steht. Die Vereinbarung von Malcolm Glazers Manchester United mit Chevrolet lässt die Red Devils im Jahr rund 72 Millionen Euro vom amerikanischen Autohersteller einstreifen. Zum Vergleich: Der FC Bayern erhält vom Trikotsponsor Deutsche Telekom gerade mal 30 Millionen Euro pro Jahr an Sponsorenunterstützung.

Neue Dimensionen werden auf der Insel auch bei den Ausrüstern erreicht. Adidas rüstet ab der kommenden Saison 2015/2016 auch Manchester United aus. Nach Angaben des Klubs aus Nordengland ist der Vertrag über die gesamte Laufzeit von zehn Jahren mit mindestens 750 Millionen Pfund (rund 944 Millionen Euro) dotiert. Laut Forbes wird ManU damit mit einem Gesamtwert von 3,6 Milliarden Dollar zum teuersten Fußballverein der Welt und lässt damit Real Madrid und den FC Barcelona hinter sich. Selbst die teuersten Klubs im US-Sport, die New York Yankees (MLB) oder auch die Dallas Cowboys (NFL), können mit dem „Arbeiterverein“ aus Manchester nicht mehr mithalten.

Internationale Konkurrenzfähigkeit leidet

Trotz all dieser kommerziellen Superlative halten sich die Schlagzeilen der sportlichen Erfolge im Englischen Fußball auf internationaler Ebene in Grenzen. Die Premier League muss, wie auch schon in der Saison 2012/13, ohne Vertreter im Viertelfinale der Champions League auskommen. Die taktische Ausrichtung und die Spielweise der meisten englischen Vereine wirken antiquiert. Selbst die kleinen Vereine setzen zum Großteil auf Legionäre – wobei viele Superstars die Insel verlassen haben, siehe Cristiano Ronaldo, David Luiz etc. – die jungen englischen Spieler bekommen dadurch viel zu selten die Chance sich auf einem hohen die Niveau die ersten Sporen zu verdienen. Das mehr als ernüchternde Abschneiden der englischen Nationalmannschaft bei den letzten Turnieren, allen voran das Trauerspiel in Brasilien ist da nur eine logische Konsequenz. Woher sollen die jungen englischen Talente auch kommen, wenn beispielsweise Arsenal, Manchester City und sogar Stoke City in dieser Saison bereits mit elf Ausländern in der Startelf Premier League-Spiele bestritten haben und selbst bei Burnley oder den Queens Park Rangers die halbe Mannschaft nicht auf der Insel heimisch ist.

Der Franzose David Ginola, seines Zeichens Spielerlegende von Tottenham Hotspur, sah bereits im Jahr 2000 die Problematik der vielen Ausländer in der Premier League: "Ich kann mich erinnern, als es nur drei Ausländer in einer Mannschaft gab, aber mittlerweile darf man ein komplettes Team mit Ausländern stellen. Man muss ein Limit setzen, um den Jungen eine Chance zu ermöglichen. Ich erinnere mich, als ich neun Jahre alt war, wollte ich nichts mehr in der Welt, als Fußballspieler zu werden. Es würde mich zutiefst betrüben, wenn heute die Neunjährigen denken würde, 'Ich kann kein Fußballer werden, weil ich keine Chance habe, zu spielen‘“. Was der Franzose, der sich zwischenzeitlich um das Amt des FIFA-Präsidenten bewerben wollte, über die Entwicklung im englischen Fußball wohl anno 2015 denken mag?

Identifikationsprobleme und Wucherpreise

Die Eintrittspreise in der Premier League sind Weltrekord und sorgen dafür, dass sich der Arbeitersport zu einem Upper-Class-Event verändert. Kaviar und Champagner, statt Hot Dog und Bier scheint das Motto zu sein. Der „einfache Fußballfan“ scheint einfach nicht mehr in das Konzept der geplanten „perfekten Fußballshow“ der Ligaverantwortlichen, Klubbesitzer und Fernsehsender zu passen. Klein- bis Normalverdiener können sich beispielsweise nun mal keine Saisonkarte beispielsweise beim FC Arsenal leisten, wenn diese sage und schreibe 1177,- Euro kostet. Zum Vergleich, eine Sitzplatzkarte bei den Bayern bzw. Dortmund ist um 340,- bzw. 372,- Euro zu haben.

Der Kampf der Fans die Stehplätze in Englands Stadien wieder einzuführen, um die etwas gegen die immer schlechter werdende Stimmung zu tun und endlich wieder mehr Fankultur erleben zu können scheint ein Aussichtsloser. Mit dem Hillsborough-Mantra belastet, scheint die Rückkehr der Stands selbst wenn professionelle Konzepte wie „Safe Standing“ dahinter stehen, auf kürzere Sicht fast utopisch. Oft bleibt den englischen Fans nur ein sehnsüchtiger Blick nach Deutschland. Ein englischer Dortmund-Fanklub ist heute nichts Ungewöhnliches mehr.

Die rücksichtslose Kommerzialisierung lässt den Fans oft keinen Ausweg als sich von ihrem Verein abzuwenden. Aus Protest gegen den Einstieg von US-TV-Magnat Malcolm Glazer, zu wenig Mitspracherecht und zu hohe Ticketpreise haben ehemalige Fans von Manchester United einen eigenen Verein gegründet, den FC United of Manchester. Eine ähnliche Geschichte wie die von Austria Salzburg, deren Fans ihren Verein nach der Red-Bull-Übernahme ebenfalls von Null an wieder auf die Beine stellten und mittlerweile vor der Rückkehr in den Profifußball stehen. In Manchester entsteht gerade eine neue Heimstätte für den FCUM, der Broadhurst Park. Die Finanzierung des 5.000 Zuschauer fassenden Stadions, wurde mit über zwei Millionen Pfund durch die Anhänger unterstützt. Saisonkarten werden beim Alternativklub je nach persönlichen finanziellen Möglichkeiten, nach eigenem Ermessen bezahlt.

Seit der Gründung im Jahre 2005 ist der FC United deshalb der Zufluchtsort für diejenigen, die mit dem was aus Manchester United geworden ist, nichts mehr anfangen können. Die Anhänger und Amateure der "Red Rebels" stört es nicht, dass sie wohl nie in der Premier League spielen werden. "Keiner von uns würde freiwillig zurückgehen", sagt der Vereinsvorsitzende Andrew Walsh.

Stefan Gamlich

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