Wettskandal: Höchstsumme floss nach Österreich

epa01797793 Swamp Soccer World Championships are played in Hyrynsalmi, Finland on 17 July 2009. This year there are 325 teams and almost 5000 excited swamp soccer players competing to succeed in the 2009 world championships. The matches will be played in 22 fields. There are more than 400 international participants in this year's tournament coming all the way from Norway, Russia, Germany, France and The Netherlands. This year the tournament is a two-day event. During these two days almost one thousand matches will be played on 22 fields. There are six series (hobby, competition, mix, business, women, adventure) where teams compete to win the honour of being the world champion. EPA/MARKKU OJALA FINLAND OUT
Laut Europol wurden 700 Fußballspiele manipuliert. 140.000 Euro bekam ein Verdächtiger in Österreich.

Die Ermittlungen liefen über 18 Monate. Diskret und parallel in mehreren Ländern, wie es bei Europol üblich ist. Für den öffentlichen Paukenschlag suchte das Europäische Polizeiamt in Den Haag den 4. Februar 2013 aus.

Gut möglich, dass dieses Datum später als Beginn der ernsthaften Bekämpfung von Wettmanipulation genannt werden wird. Die am Montag veröffentlichten Zahlen sind auf jeden Fall erschreckend: Zwischen 2008 und 2011 wurden europaweit mehr als 380 offensichtlich manipulierte Spiele im Profi-Fußball aufgespürt. Alleine im vergangenen Jahr kamen rund 300 neue Fälle, meist in Asien, Zentral- und Südamerika sowie Afrika, hinzu.

Europol-Chef Rob Wainwright geht demnach von zumindest 700 Fällen aus: „Die Manipulation von Spielen ist auf einem noch nie dagewesenen Niveau. Wir sehen dabei aber erst die Spitze des Eisbergs.“ Nach der Auswertung von 13.000 Mails stellt Wainwright fest: „Erstmals haben wir substanzielle Beweise dafür, dass die organisierte Kriminalität nun auch im Fußballs agiert.“

425 Verdächtige

Die drei am stärksten betroffenen Nationen im Wettskandal sind die Türkei mit 79, Deutschland mit 70 und die Schweiz mit 41 verdächtigen Spielen. In England wurde mit Schrecken vernommen, dass eine der beiden mutmaßlich verschobenen Champions-League-Partien im Mutterland des Fußballs stattgefunden hat. Auch die Nationalteams hat das Problem bereits erfasst: Zwei Partien der WM- und eine der EM-Qualifikation sollen betroffen sein.

Europol konnte 425 Tatverdächtige in 15 Ländern ermitteln – darunter Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre. Namen wurden aus ermittlungstechnischen Gründen nicht genannt. Die (nur selten erwischten) Drahtzieher sitzen zumeist in Asien, als Zentrum gilt Singapur.

Österreich im Fokus

Eine zentrale Rolle nimmt – wie nach den vergangenen Ereignissen zu befürchten war – auch Österreich ein: Die bisher höchste Zahlung an eine Einzelperson für die Hilfe bei einer Wettmanipulation ging laut Europol mit rund 140.000 Euro nach Österreich. Außerdem soll der europaweit höchste Profit durch Wettbetrug mit 700.000 Euro bei einer Partie zwischen den Red Bull Juniors und Hartberg abgefallen sein.

Staatsanwaltssprecher Hansjörg Bacher bestätigt lediglich, „dass Betrugsverfahren gegen 20 Personen im Zusammenhang mit manipulierten Spielen und den Wetten darauf bzw. wegen des Verdachts der Geldwäsche laufen. Aber nicht nur gegen Spieler.“ Bundesliga und ÖFB beteuerten, „nichts Neues“ zu wissen. Der letzte Antrag auf Akteneinsicht wurde (noch) nicht gewährt.

2012 wurde in Österreich für den Kampf gegen Wettbetrug der „Verein zur Wahrung der Integrität im Sport“ gegründet. Ex-Teamspieler Günter Kaltenbrunner steht dem Verein als Präsident vor und wurde vor zwei Wochen von Interpol zu einer Tagung nach Rom eingeladen. Der frühere Rapid-Präsident sagt zum KURIER: „Dieses Problem kann den Sport zerstören. Auch wenn jetzt alle wichtigen Organisationen erkannt haben, dass sie aktiv werden müssen, wird uns dieses Thema leider noch viele Jahre beschäftigen.“ Insider sprechen sogar davon, dass Wettmanipulation mittlerweile zum beliebtesten Betätigungsfeld für Geldwäscher geworden ist. Noch vor dem Drogenhandel und der Prostitution.

In einem Europa offener Grenzen wird die Zusammenarbeit der nationalen Polizei mit anderen EU-Staaten immer wichtiger. Die Zentrale für den Informationsaustausch ist seit 1999 das Europäische Polizeiamt Europol im niederländischen Den Haag. Sobald mindestens zwei EU-Länder betroffen sind, ist es bei schwerer Kriminalität wie Terrorismus, organisiertem Verbrechen und Internetkriminalität zuständig. Im Jahr 2011 ist die Behörde mehr als 13.500 grenzübergreifenden Fällen nachgegangen.

Europol kommt sowohl bei der Prävention als auch bei der Bekämpfung der Kriminalität zum Einsatz, hat selbst aber keine exekutiven Befugnisse, um beispielsweise einen Verdächtigen festzunehmen. Vielmehr speichert und analysiert die EU-Agentur die von den Mitgliedsländern gelieferten Daten zu Straftaten und Tätern, damit gegenseitige Bezüge der Verfahren erkannt werden können. Neben den mehr als 520 Mitarbeitern hat Europol noch 150 Verbindungsbeamte aus den 27 EU-Ländern. Europol hatte 2011 ein Budget von 84,8 Millionen Euro.

Jänner 2013: Nach einem Wettskandal im südkoreanischen Fußball sperrt der Weltverband FIFA 41 koreanische Spieler weltweit. 2011 waren organisierte Spielmanipulationen ans Licht gekommen. Die beteiligten Akteure sollen in Spielen der nationalen K-Liga absichtlich Fehler gemacht haben, um dadurch den Verlauf zu beeinflussen. Im Gegenzug sollen sie Geld von Glücksspielvermittlern erhalten haben.

Dezember 2012: Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Wettpaten Ante Sapina zum Teil auf. Der Prozess muss neu verhandelt werden. Das Landgericht Bochum habe nicht geprüft, ob eine Strafmilderung nach der sogenannten Kronzeugenregelung infrage komme. Sapina war im Mai 2012 zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte mit Komplizen im großen Stil Wetten auf manipulierte Fußballspiele platziert und damit insgesamt 2,3 Millionen Euro eingenommen.

Dezember 2012: Der Wettskandal in der italienischen Serie A beschert dem SSC Neapel einen Punktabzug für die laufende Saison und eine Geldstrafe in Höhe von 70 000 Euro. Kapitän Paolo Cannavaro und Teamkollege Gianluca Grava wurden wegen eines nicht angezeigten Spielmanipulationsversuchs für sechs Monate gesperrt. Im Mai 2010 soll der frühere Torwart der Süditaliener, Matteo Gianello, versucht haben, das Serie-A-Spiel bei Sampdoria Genua zu manipulieren. Cannavaro und Grava sollen Absprachen abgelehnt, den Vorfall aber nicht angezeigt haben. Gianello selbst wurde für drei Jahre und drei Monate gesperrt.

Dezember 2012: Der Präsident des südafrikanischen Fußballverbands SAFA, Kirsten Nematandani, und vier weitere hochrangige Offizielle werden auf unbestimmte Zeit suspendiert. Zuvor hatte die FIFA ihren Untersuchungsbericht zu den Testspielen Südafrikas gegen Thailand, Bulgarien, Kolumbien und Guatemala vorgelegt. Der Weltverband sah es als erwiesen an, dass die Ergebnisse der Partien 2010 zugunsten der asiatischen Wettmafia beeinflusst worden waren. Dreh- und Angelpunkt des Skandals war ein Wettbetrüger aus Singapur.

Plötzlich ringt der Fußball wieder nach Luft. Die von großer Leidenschaft herbeigesehnte, auf vielen internationalen Fußball-Festen zelebrierte heile Welt ist tatsächlich so dreckig wie oftmals erahnt.

380 Spiele, alleine in Europa, sollen manipuliert worden sein. Spiele in der WM- und EM-Qualifikation, sowie in der Champions League, in nationalen Meisterschaften sowieso. 425 Menschen, Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre haben sich foulen lassen von der heranstürmenden Verlockung des Geldes. Und Österreich mischt mit. Mit fragwürdigen Rekordzahlen in diesem Wett-Bewerb.
Das Europäische Polizeiamt ließ eine Bombe platzen. Ein Knall allerdings, der in der Vergangenheit schon oft sämtliche Sinne betäubte. Bisher versandeten die meisten Warnhinweise auf weltumspannende Betrügerbanden, die Ankündigung groß angelegter Enttarnungen meist in enttäuschenden Ergebnissen. Eine Beschuldigung hier, eine Verhaftung dort. Blank gelegt wurde meist eine sehr kleine Spitze des immer vermuteten Eisbergs. Der Fußball als Geld vernichtendes Gesamtprodukt blieb halbwegs sauber. Nicht weil er es war, sondern weil es so sein musste.

Doch der Fußball ist krank. Wie ein schlechter Faschingsscherz kommt ausgerechnet am Tag der großen Wettbetrugsenthüllung von Den Haag eine Zahl des Europäischen Fußballverbandes, der noch trübsinniger macht: Die Verluste der Fußballvereine in Europa sind auf ein Rekordniveau von insgesamt 1,7 Milliarden Euro gestiegen. Fußball wird zu Preisen produziert, die sich viele Klubs längst nicht mehr leisten können.

Bisher wurde das Problem vorrangig auf die östlichen Teile Europas ge- und verschoben. Seitenweise gab es Studien über Spieler, die von ihren Dienstgebern erpresst und ausgebeutet wurden, Opfer, die sich mittels unerlaubter Manipulationen über Wasser halten mussten.

Eine Erklärung, aber keine Aufklärung. So billig wird man (hoffentlich) jetzt nicht mehr davon kommen. Zu störend wurde der Gestank.

bernhard.hanisch@kurier.at

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