Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola

Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola
Ein Journalist hat den Bayern-Coach ein Jahr lang begleitet. Nun gibt er Antworten darauf, was man von ihm lernen kann.

Pep Guardiola ist für viele der beste Fußballtrainer der Welt – weil er mehr ist als ein Fußballtrainer. Was können wir davon lernen? Sein Landsmann Marti Perarnau, der den Katalanen besser kennt als jeder andere Journalist, gibt neun Antworten.

1. Erkenne gute Ideen. Und klaue sie.
Alle sagen, Pep Guardiola habe den Fußball neu erfunden. Das hat er nicht. Sein vielleicht größtes Talent ist ein anderes: genau zu beobachten, noch genauer zuzuhören. Er kann gute Ideen erkennen. Dann klaut er sie. Und setzt sie zu einem neuen Ganzen zusammen.

Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola
Barcelona's coach Pep Guardiola holds a book called "The album of the 6 trophies", which chronicles the six trophies won by the club last season, after a training session at Joan Gamper training camp, near Barcelona April 9, 2010. REUTERS/Albert Gea (SPAIN - Tags: SPORT SOCCER)
Zu Beginn seiner Trainerkarriere widmete sich Pep vor allem zwei Dingen: dem Reisen und dem Lesen. Er begab sich auf etwas, das er „Initiationsreise“ nannte. Auf dieser Reise vertiefte er sich in die Arbeit anderer, sehr unterschiedlicher Trainer.

Zum anderen las er sehr viel. (Und 
tut es immer noch.) Er ist Experte in der Historie und Entwicklung des Fußballs. Diese Expertise ist die Basis dafür, dass er Ideen anderer Trainer aufgreifen und zum perfekten Moment umsetzen kann.

2. Sei neugierig wie ein Kind.
Pep liest alles, wovon er denkt, es könnte für ihn von Interesse sein. Egal, ob es dabei um Fußball oder andere Sportarten geht oder um den Entstehungsprozess eines Musikwerks. Als er in Italien lebte, reiste er Hunderte von Kilometern, um den argentinischen Volleyballtrainer Julio Velasco persönlich kennenzulernen, nur weil er im Fernsehen ein Interview mit ihm gesehen hatte und von ihm lernen wollte.

Während eines Essens mit wichtigen Persönlichkeiten fragt er viel mehr, als er antwortet. Dabei kann es sich um ein Treffen mit einem Schachgroßmeister, einem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften oder der Trainerin einer Frauenfußballmannschaft handeln. Guardiola fragt und fragt mit der Neugier eines Kindes. Er fragt nicht aus Höflichkeit, sondern aus Eigeninteresse.

Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola
Bayern Munich new head coach Pep Guardiola (R) looks towards his soccer players during his first team training session, at the Allianz Arena in Munich June 26, 2013. Treble-winning Bayern Munich unveiled their new coach Guardiola amid a media frenzy on Monday as the Bavarians plan to extend their domination at home and in Europe. The Spaniard, who won 14 trophies in four years at Barcelona, has signed a three-year contract. REUTERS/Michaela Rehle (GERMANY - Tags: SPORT SOCCER)
3. Sei von deiner Mission überzeugt.
Ich gestehe, dass ich meine Zweifel hatte, als Pep zu Bayern München kam. Monatelang – und ich beobachtete das Training sehr intensiv – war zu erkennen, wie schwierig es auch für ihn ist, eine neue Mannschaft in sein Spielmodell einzupassen. Und dass es den Spielern, die an eine völlig andere Spielweise gewöhnt waren, enorm schwerfiel, Peps „neue Sprache“ zu erlernen.

Er dagegen zweifelte nicht: „Um besser zu werden, muss man zunächst schlechter werden.“ Denn jeder grobe Einschnitt in die Spielweise einer erfolgreichen Mannschaft – und die Bayern waren, als Pep sie übernahm, das beste Team der Welt! – bedeutet erst einmal einen Rückschritt. Das ist ganz logisch. Vertrauen geht verloren, Sicherheit geht verloren, Dynamik geht verloren. Es braucht Zeit und Beharrlichkeit, um 
all das wieder aufzubauen, neu und besser. Niederlagen sind der Preis des Fortschritts!

4. Sei leidenschaftlich in deiner Kommunikation.
Eine Mannschaft zu sein heißt im Kern, Einzelnes zu Gemeinsamem zu machen. Das wichtigste Werkzeug dafür ist Kommunikation. Es ist ein schwierig zu beherrschendes Werkzeug. Denn es kann, nicht gut verwendet, aus dem besten Konzept ein schlechtes Ergebnis machen.

Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola
epa03930258 Bayern Munich's Spanish head coach Pep Guardiola (L) gives instructions to French winger Franck Ribery (R) during the training session of the German Bundesliga soccer club in Munich, Germany, 30 October 2013. EPA/ANDREAS GEBERT
Umso schwieriger wird alles, wenn du deine Ideen und Überzeugungen in einer Sprache vermitteln musst, die nicht deine ist. Beim Training der Bayern werden sechs Sprachen gesprochen: Die Basis ist das Deutsche, das Pep gelernt hat, dann das Englische; mit einigen Spielern unterhält sich Pep auf Katalanisch, Spanisch, Französisch oder Italienisch. Diese Gespräche werden sichtbar leidenschaftlich geführt, denn wo die mündliche Kommunikation nicht ausreicht, nimmt Pep Gesten zu Hilfe. Pep Guardiola ist wie Öl, das man ins Feuer gießt: Das Ergebnis ist mehr und mehr Feuer.

5. Sei bereit zu lieben.
Im ersten Spiel der Saison 2014/15 hatte der FC Bayern mit vielen Problemen zu kämpfen. Wichtige Spieler waren verletzt, und die deutschen Nationalspieler – nach ihrem WM-Triumph gerade erst nach München zurückgekehrt – hatten kaum trainiert. Es war ein schwieriges Spiel, doch Guardiola forderte von den Spielern höchsten Einsatz. Bayern gewann, und nach der Begegnung umarmten sich Pep und Philipp Lahm in grenzenloser Freude. „Philipp, ich liebe dich! Danke für deinen großartigen Einsatz“, sagte Pep zu seinem Kapitän.

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Bayern Munich's coach Pep Guardiola hugs Philipp Lahm during the quarter-final match against Bayer Leverkusen in Leverkusen April 8, 2015. REUTERS/Kai Pfaffenbach DFB RULES PROHIBIT USE IN MMS SERVICES VIA HANDHELD DEVICES UNTIL TWO HOURS AFTER A MATCH AND ANY USAGE ON INTERNET OR ONLINE MEDIA SIMULATING VIDEO FOOTAGE DURING THE MATCH.
Für Pep ist solche Emotionalität keine Frage einer Management-Kultur oder Führungsqualität. Es geht ihm ernsthaft um die Liebe zu seinen Spielern, mit denen er durch dick und dünn geht.

6. Zieh alles in Zweifel.
Pep fragt und fragt. Er fragt sich selbst, stellt anderen Fragen. Er kann mit seinen Fragen nerven. Und manchmal ändert
er seine Meinung über Nacht. Nicht, weil er nicht wüsste, was er machen soll, sondern weil er sämtliche Aspekte und Eventualitäten eines Spiels in Betracht ziehen möchte.

Von Pep lernen wir: Erfolg ist viel mehr das Ergebnis von Zweifeln als das Ergebnis von Gewissheiten.

7. Sei nie zufrieden.
Um drei Uhr nachts saß Pep in einer Ecke, auf dem Arm seine kleine Tochter, die schon halb eingeschlafen war. Der FC Bayern hatte soeben einen großen Sieg im deutschen Pokalfinale gegen Borussia Dortmund errungen. Doch Guardiola war nicht zufrieden: „Wir haben nicht so gut gespielt, wie wir hätten spielen können.“

Ja, er ist ständig unzufrieden. Gewinnt er nicht gerne? Natürlich tut er das! Er liebt es, zu gewinnen. Aber er verlangt von sich selbst, nach dem perfekten Spiel zu streben. Er weiß, dass es das nie geben wird, aber er versucht es. Das Ergebnis ist ihm wichtig, aber noch mehr interessiert ihn, wie das Ergebnis zustande gekommen ist.

8. Sei verletzlich.
Pep hasst es, zu verlieren, obwohl er weiß, dass er mit Niederlagen leben muss.

Er ist kein harter Kerl. Wenn er sich Sorgen macht, kratzt er sich am Kopf. Wenn er mit dem Training zufrieden ist, schreit er herum, klatscht Beifall, verteilt Küsse. Ist er unzufrieden, stellt er sich abseits in eine Ecke. Er lässt seinen Emotionen freien Lauf. Er ist davon überzeugt, dass man bei Niederlagen gelassen reagieren und bei Siegen nüchtern bleiben muss. Aber er ist kein Superheld. Und es macht ihm nichts aus, das einzugestehen und zu zeigen.

Die neun Weisheiten des Herrn Guardiola
epa04456756 Munich's head coach Josep Guardiola during the UEFA Champions League group E soccer match between AS Rome and FC Bayern Munich at the Olimpico stadium in Rome, Italy, 21 October 2014. EPA/ANDREAS GEBERT
9. Kleide dich angemessen.
Vor dem Training schlüpft Pep in den Trainingsanzug, und wenn es kalt ist, stülpt er sich irgendeine Mütze über den Kopf. Im Alltag interessiert ihn sein Aufzug wenig. Doch alles ändert sich, wenn es zu dem kommt, was für ihn die Zeremonie ist: das Spiel, der magische Tag. Dann achtet er auf sein Äußeres und kleidet sich angemessen. Das hat wenig mit Eitelkeit zu tun. Aber viel mit Respekt.

Die komplette Geschichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe von The Red Bulletin und auf www.redbulletin.com.

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