"Die Wochen der Wahrheit" für Deutschland

Revanchegelüste: Deutschland (hinten Jerome Boateng) verlor das Hinspiel in Polen (Robert Lewandowski) 0:2.
Weltmeister Deutschland steht im Heimspiel gegen Polen unter Zugzwang.

Wer Joachim Löw einmal auf dem falschen Fuß erwischen möchte, der muss ihn nur nach dem Tabellenstand in der EM-Qualifikationsgruppe D fragen. Löw würde dann ungefähr so danebenstehen, wie die brasilianischen Teamkicker im vergangenen Jahr im legendären WM-Semifinale gegen Deutschland (1:7). "Ich könnte im Detail gar nicht die gesamte Tabelle auflisten", gestand der deutsche Bundestrainer erst dieser Tage in der Süddeutschen Zeitung und man kann es ihm auch gar nicht verdenken. Im zehnten Jahr seiner Amtszeit verschwendet Löw längst keine Gedanken mehr an Pflichtsiege gegen Außenseiter und auch die Qualifikationen scheinen für ihn zusehends ihren Reiz und ihre Bedeutung zu verlieren. "Ich muss zugeben, dass Spiele gegen San Marino oder Kasachstan für mich persönlich nicht mehr so von der Spannung leben."

Brisanz

Insofern ist die Partie gegen Polen heute in Frankfurt (20.45 Uhr, live in RTL) wohl genau das Richtige. Dieses Duell unter Nachbarn birgt nicht nur Emotionen, es hat auch eine sportliche Brisanz für den Ausgang in der Gruppe D. Denn was er in der Tabelle wirklich wissen muss, das weiß Löw dann schon ganz genau. "Wir liegen einen Punkt hinter Polen."

Das ist ungewohnt für eine Nationalmannschaft wie Deutschland, die in der Ära Löw die Qualifikationsgruppen für Welt- und Europameisterschaften noch ein jedes Mal dominiert hatte. Ein Grund zur Beunruhigung ist der Rückstand in den Augen von Löw freilich nicht. Denn so dumm können sich die Deutschen wohl gar nicht anstellen, dass die EM 2016 ohne den Weltmeister stattfinden würde. Immerhin sind im kommenden Jahr in Frankreich erstmals 24 Nationalteams am Ball, und nicht mehr nur 16 wie bisher.

Aufholbedarf

Löw ist sich aber darüber im Klaren, dass seine Nationalmannschaft nach dem Gewinn des WM-Titels zuletzt nicht unbedingt im Stile eines Weltmeisters aufgetreten ist. Mit dem Tiefpunkt der 0:2-Niederlage im Hinspiel in Polen, der ersten Pleite gegen den Nachbarn überhaupt.

"Es war ein nichtweltmeisterliches Jahr", sagt der Bundestrainer. Deshalb stünden die Deutschen nun im Heimspiel gegen die Polen und in der kommenden Woche im Auswärtsspiel in Glasgow auch "ein wenig unter Zugzwang", wie der Bundestrainer zugibt. "Wir stehen vor den Wochen der Wahrheit – aber wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand. Wir werden eine Mannschaft auf dem Platz haben, die Polen schlägt."

Verletzungsteufel

"Die Wochen der Wahrheit" für Deutschland
Germany's Marco Reus celebrates after scoring a goal against Australia during their international friendly soccer match in Kaiserslautern March 25, 2015. REUTERS/Ralph Orlowski
Marco Reus wird dieser Mannschaft allerdings wieder einmal nicht angehören. Der Star von Borussia Dortmund fügte seiner Leidensgeschichte im Nationalteam ein weiteres Kapitel hinzu. Diesmal muss Reus, der bereits die WM 2014 in Brasilien verpasst hatte, wegen einer angebrochenen Zehe w.o. geben. "Das ist für uns und für Marco bedauerlich", sagte Joachim Löw, "ich verzichte nur ungern auf ihn."

So sehr Löw dieser Tage auf die Partien gegen Polen und Schottland fokussiert ist, im Augenwinkel sieht der Bundestrainer längst die EM 2016 und die WM 2018 (bis dahin läuft sein Vertrag) in Russland. "Bei allen Planungen haben wir die Weltmeisterschaft 2018 im Blick, die Mission Titelverteidigung", sagte Joachim Löw im Interview mit der Süddeutschen.

Und wer solche Ziele hat, der gibt sich nicht mit einfachen Tabellenständen ab.

EM-Quali: Spielplan, Ergebnisse, Tabelle

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