Frische Kräfte und alte Stärken beim Weltmeister

Ruhe in Person: Joachim Löw kann sich auf sein Team verlassen.
Joachim Löw baut sein Team um - und verlässt sich auf die Winnermentalität.

Joachim Löw hätte sich diesen Sager getrost erlauben können. Wer, wenn nicht er, der Mann mit der besten Bilanz aller deutschen Bundestrainer überhaupt. Aber das Sprücheklopfen hat Löw immer schon lieber den anderen überlassen, und deshalb kam ihm nach dem beeindruckenden WM-Triumph von Brasilien auch nichts über die Lippen, was auch nur annähernd an seinen Vorgänger als Weltmeistercoach erinnern hätte können. Franz Beckenbauer hatte bekanntermaßen nach dem WM-Gewinn 1990 frohlockt, dass seine Deutschen nun auf Jahre hin unbesiegbar wären. Ein Anflug von kaiserlichem Größenwahn, und ein Irrglaube obendrein.

Aus dem Mund von Joachim Löw ist wenige Wochen nach dem WM-Gewinn, bei dem sein Team unter anderem Rekordweltmeister Brasilien mit 7:1 gedemütigt hatte, vor allem ein Satz zu hören. "Die Teams sind noch enger zusammen gerückt".

Arbeitssieg

Wie zur Bestätigung plagte sich der Weltmeister zum Auftakt der EM-Qualifikation beim 2:1 gegen aufmüpfige Schotten. "Ich habe genau mit so einem Spiel gerechnet", erklärte Löw, der sich – wie kein anderer Teamchef – auf sein Nationalteam verlassen kann. Noch unter der Woche hatte die DFB-Elf im Test gegen Argentinien (2:4) sehr schlecht ausgesehen, aber kaum wartet der Ernstfall sind die Deutschen zur Stelle und in der Erfolgsspur. "Ich habe mir keine Sorgen gemacht, weil ich weiß, dass wir es hinkriegen, wenn es drauf ankommt", sagt Löw.

Tatsächlich scheint der 54-Jährige viele Wettkampftypen mit Winnermentalität um sich geschart zu haben. Während Löw in seiner achtjährigen Ära im Schnitt beinahe jedes vierte Freundschaftsspiel verliert, gehen lediglich acht Prozent der Bewerbsspiele verloren. Von den vergangenen 30 Qualifikationspartien (EM, WM) haben die Deutschen überhaupt 27 gewonnen, bei drei Unentschieden. Der WM-Titel und die Rang eins in der Weltrangliste konnten da eigentlich nur eine Frage der Zeit sein.

Umbauarbeiten

Als Verwalter des Erfolges sieht sich Joachim Löw aber trotzdem nicht. Das ist deshalb schon gar nicht möglich, weil ihm nach dem WM-Titel drei Leistungsträger abhanden gekommen sind (Lahm, Mertesacker, Klose), andererseits hat der Bundestrainer auch die Entwicklungen bei Ex-Weltmeister Spanien ganz genau registriert, der es im Erfolg zuletzt verabsäumt hatte, die Mannschaft einem Facelifting zu unterziehen.

Eine neue, erfolgshungrige Mannschaft für die EM 2016 aufzubauen, mit neuen Hierarchien und möglicherweise auch neuen Stars – das ist deshalb der große Antrieb des deutschen Bundestrainers, der bereits die Partie gegen Schottland zum Experimentieren nützte. Er verblüffte alle Experten mit der Nominierung des gelernten Mittelfeldspielers Rudy (Hoffenheim) als rechter Außenverteidiger und verzichtete einmal mehr auf einen echten Mittelstürmer alter Prägung.

Aber wer braucht auch schon einen "Neuner" à la Mario Gomez, wenn er einen Thomas Müller in seinen Reihen hat? Dem unkonventionellen Bayern-Offensivgeist mit dem unheimlichen Torinstinkt, der nicht wirklich als Kopfballungeheuer verschrien ist, gelang gegen die baumlangen Schotten ein Tor mit dem Kopf. "Beim Thomas kann mich schon lange nichts mehr verblüffen", gesteht Löw.

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