Forscher: Zeit für Outings im Hobbyfußball reif

Forscher: Zeit für Outings im Hobbyfußball reif
Homophobe Sprachkultur ("so ein schwuler Pass") ist am Fußballplatz aber immer noch omnipräsent.

Homosexualität gilt im Profifußball immer noch als Tabuthema. Im Hobbybereich sind in Deutschland mittlerweile ein paar queere Teams angekommen, in Österreich noch nicht. Aussprüche wie "so ein schwuler Pass" seien am Fußballplatz zwar noch omnipräsent, viele Unterschiede zwischen den "auffällig unauffälligen" queeren und anderen Teams fand der Nachwuchsforscher Stefan Heissenberger aber nicht.

Bereits seit mehreren Jahren setzt sich der Kultur- und Sozialanthropologe mit dem Umgang mit Homosexualität im Fußball und mit der "Scherzkultur" in den Teams auseinander. Im Rahmen seiner Diplomarbeit über Mainstream- oder "heteronormative" Teams habe sich herausgestellt, dass "Abgrenzung gegenüber Homosexualität" ein wichtiges Thema sei. Er habe sich dann dazu entschieden weiter zu forschen. Die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erkannte ihm dafür ein Stipendium zu.

Vorspiel Berlin

Heissenberger: "Mein Ziel war es nicht nur, über schwule Fußballer zu berichten, sondern auch etwas mit ihnen zu tun zu haben, sie kennenzulernen." Weil es in Österreich noch keine einzige queere Mannschaft gibt, heuerte Heissenberger 16 Monate lang bei "Vorspiel Berlin", einem 1986 gegründeten Sportverein für Schwule und Lesben an. Auch in Deutschland gibt es bisher lediglich um die zehn Teams, die durchwegs in Großstädten gegründet wurden. Fast alle sind Hobbytruppen, lediglich in München gibt es ein queeres Team, das in der Kreisliga kickt.

Gerade über Gruppenidentitäten im Männerfußball erfahre man viel, wenn man sich die "sehr ausgeprägte Scherzkultur" oder den "Schmäh" ansieht. Das schaffe man aber nicht durch ein paar Interviews, es brauche die "teilnehmende Beobachtung", so der Forscher, der seine Erkenntnisse am Freitag bei den "Tagen der Kultur- und Sozialanthropologie" (23. bis 25. April) an der Universität Wien vorstellen wird.

Über seine Zeit bei Vorspiel Berlin schreibt Heissenberger gerade eine Ethnographie. Diese Methode entspreche dem, wie sich früher Ethnologen einem unbekannten Land oder Volk angenähert haben.

"Auffällig ist, dass sehr vieles sehr ähnlich wie bei heteronormativen Teams ist", so der Wissenschafter, der auch Mainstream-Mannschaften in Wien und Tirol untersucht hat. Ein wesentlicher Unterschied sei, dass der integrative Charakter großgeschrieben werde: Wer also mitspielen möchte, kann das auch. Dadurch sei das Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaften in der Regel hoch: "Vom Fast-Anfänger bis zum ehemaligen Nachwuchs-Nationalspieler ist da alles dabei."

Schlechte Erfahrungen in anderen Teams und im Spielbetrieb seien insgesamt seltener, als man vermuten könnte. Es gebe aber einige Spieler, die in ein schwules Fußballteam wechseln, um nicht mehr "der Schwule" zu sein. In anderen Teams befürchten diese trotzdem in der Regel nicht, gemobbt zu werden. Es schwinge eher die Angst mit, ständig auf ihr Schwulsein reduziert zu werden. "In einem schwulen Team ist das eigene Schwulsein in vielen Bereichen nicht von Belang", erklärte Heissenberger.

Schmäh

Im Humor aber sehr wohl: Neben den Fußballspielen selbst sei der "Schmäh" in jedem Team der wahrscheinlich wichtigste Grund, warum man dabei ist und bleibt. Sexualisierten Humor gebe es zwar überall, "schwulen, sexualisierten Humor findet man in einem heteronormativen Team aber nicht", so der Forscher. Wie in vielen anderen Mannschaften auch würde alles potenziell Zweideutige sofort zu etwas Eindeutigem umformuliert. "Muss man sich etwa bei einer Dehnungsübung bücken, kommt irgendein sexualisierter Scherz", erklärte Heissenberger. Da in schwulen Teams die Altersspanne höher sei, höre man auch öfter Witze über das Alter.

In der Auseinandersetzung mit anderen Mannschaften seien homophobe Kommentare überraschend selten. Aufgrund seiner Forschungen nimmt Heissenberger an, dass es im Hobbybereich beim Outing eines Spielers - entgegen der oft publizierten Meinung - eher nicht zu Problemen kommen würde. "Ich glaube, dass die Zeit dafür schon reif ist. Die Erfahrungen, die die Spieler gemacht haben, sind nicht so schlecht", sagte der Forscher. Heterosexuelle Spieler hätten in Interviews gar den besonderen Mut geouteter Spieler hervorgehoben.

Das Outing des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger im vergangenen Jahr sei im Verein ein großes Thema gewesen. Man wurde damals mit Interviewanfragen auch regelrecht bombardiert. Hitzlsperger setzte diesen Schritt wahrscheinlich nicht ohne Grund nach Karriereende. Auch die "etablierte homophobe Sprachkultur mit 'schwulen Pässen' und 'schwulen Zweikämpfen'" dürfte im Profifußball immer noch dafür sorgen, "dass es keinen geouteten Spieler gibt".

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