Blatter: Zeitpunkt der Festnahmen wohl kein Zufall

Sepp Blatter
Der FIFA-Präsident deutet eine Verschwörung an. Sein Rückhalt bröckelt.

Joseph Blatter hat vor der Wahl des FIFA-Präsidenten nach altbekanntem Muster die Verantwortung für den Korruptionsskandal um den Fußball-Weltverband auf einzelne Schuldige abgewälzt. Der Schweizer forderte im Hallenstadion von Zürich angesichts des größten Bebens in der Geschichte der FIFA ein aktives Mitarbeiten der 209 Mitglieder.

"Heute rufe ich Sie zum Teamgeist auf, damit wir gemeinsam fortschreiten können. Wir sind zusammengekommen, um die Probleme anzupacken", sagte der Schweizer in seiner Begrüßungsansprache am Freitag.

Die Wahl des künftigen FIFA-Chefs wurde für den späten Nachmittag erwartet, Blatter strebt dabei seine fünfte Amtszeit an. Den jüngsten Skandal mit Festnahmen von sieben Funktionären stellte er nicht als Vergehen der FIFA dar. "Die Schuldigen, wenn sie denn als schuldig verurteilt werden, das sind Einzelpersonen, das ist nicht die gesamte Organisation", erklärte der Schweizer. Er sei bereit zu akzeptieren, dass der FIFA-Präsident für alles verantwortlich gemacht werde, diese Verantwortung müsse aber geteilt werden.

"Ich spreche da nicht von einem Zufall"

Stattdessen witterte er einen Zusammenhang des Zeitpunkts der Festnahmen mit dem Kongress. "Ich spreche da nicht von einem Zufall, ich stelle zumindest die Frage, ob es Zufall war", sagte der 79-Jährige in seiner 20-minütigen Ansprache.

Kongress-Höhepunkt ist die Wahl des Präsidenten, bei der Blatter gegen Prinz Ali bin al-Hussein weiterhin als Favorit gilt. Allerdings zeichnet sich die wohl knappste Entscheidung bei einer FIFA-Wahl ab, seitdem Blatter 1998 die Regentschaft übernahm. Offenbar wird es erstmals keine FIFA-Konföderation geben, die en bloc für einen Kandidaten stimmt. Neuseeland, Australien und die USA hatten kurzfristig bekanntgegeben, dass sie für Al-Hussein votieren wollen. Auch Tunesien scheint in diese Richtung zu tendieren.

ÖFB gegen Blatter

Zumindest die 54 Stimmen Afrikas gelten als sicher für Blatter. UEFA-Chef Michel Platini, der Blatter noch am Donnerstag in einem persönlichen Gespräch zum Rücktritt aufgefordert hatte, rechnet mit 45 oder 46 der 53 europäischen Stimmen für Al-Hussein, darunter auch jene des ÖFB.

Zuletzt arbeitete die Anti-Blatter-Fraktion aber an einem Stimmungsumschwung. UEFA-Präsident Michel Platini war unter anderem mit dem designierten FIFA-Exekutivmitglied Ahmad al Fahad al Sabah zu sehen. Der Kuwaiti hatte seinen Ruf als einflussreicher Beschaffer von Mehrheiten schon bei der Wahl von Thomas Bach zum IOC-Präsidenten unter Beweis gestellt. Schon ein zweiter Wahlgang, der nötig wäre, wenn Blatter im ersten Anlauf keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht, wäre zumindest ein symbolischer Erfolg für die Blatter-Gegner.

Auf Antrag der USA wurde beschlossen, dass die Wahl nicht mit dem elektronischen Wahlsystem, sondern per Stimmzettel erfolgen soll. Die FIFA rechnet mit einem ungewöhnlich langen Kongress. Die traditionelle Pressekonferenz mit dem Präsidenten wurde schon im Voraus auf Samstag (11.30 Uhr) verlegt, im Anschluss an die anberaumte Sondersitzung des FIFA-Exekutivkomitees, bei der über die künftigen WM-Startplatzquoten entschieden werden soll.

Blatter will Lösungssuche

"Die Ereignisse von Mittwoch haben einen echten Sturm ausgelöst", sagte Blatter zur Festnahme von sieben Funktionären, darunter seine Stellvertreter Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. "Machen wir uns an die Arbeit, bleiben wir konzentriert, keine langwierigen Diskussionen, gehen wir nach vorne, suchen wir die Lösung", sagte Blatter zu den Zukunftsaufgaben der FIFA.

Als Ursache der FIFA-Krise wertete der Schweizer die WM-Vergabe 2018 an Russland und 2022 an Katar, die auch von Schweizer Behörden untersucht wird. "Wenn zwei andere Länder aus dem Umschlag gezogen worden wären, hätten wir diese Probleme nicht", meinte Blatter.

Kurz vor dem Beginn des FIFA-Kongresses hatten vor dem Hallenstadion mehrere Dutzend Menschen lautstark für einen Ausschluss Israels aus dem Fußball-Weltverband demonstriert. Der palästinensische Verband hat für die Vollversammlung der 209 FIFA-Mitgliedsländer einen entsprechenden Antrag gestellt. Im Kongresssaal wurden zwei Frauen rasch abgeführt, die Parolen riefen und eine Palästina-Fahne schwenkten. Zudem hatten Demonstranten vor der Halle Kreuze aufgestellt, die an gestorbene Wanderarbeiter in Katar erinnern sollten.

Blatter: Zeitpunkt der Festnahmen wohl kein Zufall

Ungeachtet weltweiter Kritik und Boykott-Drohungen hat FIFA-Präsident Joseph Blatter am Donnerstag den 65. Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich eröffnet. Zwar steht die FIFA nach den skandalösen Entwicklungen mit Festnahmen und Suspendierungen weltweit am Pranger. Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft dennoch auf eine fünfte Amtszeit einrichten.

"Sie werden mir zustimmen, dass dies beispiellose und schwierige Zeiten für die FIFA sind", sagte der 79-jährige Schweizer zu Vertretern der 209 Mitgliedsverbände und sprach von "Schande und Beschämung" für den Fußball. Den jüngsten Skandal mit Festnahmen von sieben Funktionären in Zürich stellte Blatter, der am Freitag zum fünften Mal zum FIFA-Präsidenten gekürt werden will, jedoch als individuelles Problem dar.

"Kann nicht ständig auf alle aufpassen"

"Ich werde nicht erlauben, dass einige wenige die harte Arbeit der Mehrheit, die so hart für den Fußball arbeitet, zerstören." Die nächsten Monate würden nicht einfach für die FIFA. "Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden", sagte Blatter, der jede persönliche Verantwortung von sich wies. "Ich weiß, dass viele mich für verantwortlich halten ... Ich kann aber nicht ständig auf alle aufpassen", erklärte der FIFA-Boss. Wenn jemand etwas Falsches tun wolle, dann werde er versuchen, es zu vertuschen.

Nach Ermittlungen aus den USA waren am Mittwoch auch die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo in Zürich festgenommen worden. Insgesamt 14 Personen stehen unter Korruptionsverdacht. Man habe nun die Chance, "einen langen und schwierigen Weg zu bestreiten, um Vertrauen wiederzugewinnen", erklärte Blatter.

IOC-Präsident Thomas Bach forderte die FIFA zur vollständigen Aufklärung des jüngsten Korruptionsskandals auf. "Dies sind traurige und schwierige Tage für die FIFA. Dies sind auch sehr wichtige Tage für die FIFA", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees bei der Eröffnung des FIFA-Kongresses am Donnerstagnachmittag. "Alle Fans verfolgen diesen Kongress mit großer Aufmerksamkeit, ich bin einer von ihnen."

Nach der Festnahme von sieben Fußball-Funktionären in Zürich ermutige der Deutsche die FIFA, "die Kooperation mit den Behörden fortzusetzen und alle notwendigen Maßnahmen zu unternehmen. Wir wissen, dass dieser Kampf herausfordernd und sehr schmerzhaft sein kann. Es gibt aber keinen anderen Weg, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", betonte Bach, der zuversichtlich ist, dass die FIFA auf einem "Weg der Transparenz" die Herausforderungen meistern könne.

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