Die Arbeitslosen von Steinbrunn

Peter Hlinka ist aktuell arbeitslos.
Vertragslose Profis bilden eine Zweckgemeinschaft und suchen Jobs.

Es handelt sich nicht um einen soziografischen Versuch wie einst aus dem Jahr 1933 mit Die Arbeitslosen von Marienthal von Paul Lazarsfeld. Die Arbeitslosen von Steinbrunn sind nur im übertragenen Sinne ein Feldversuch: Es ist einer, der auf dem Fußballfeld stattfindet. Vielmehr handelt es sich um vertrags- und arbeitslose Profi-Fußballer, die sich im Landessportzentrum von Steinbrunn im Burgenland unter Aufsicht der Ex-Bundesligatrainer Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer dermaßen fit halten, dass sie jederzeit wieder ins Profigeschäft einsteigen könnten. Ab kommenden Montag löst Peter Schöttel Schweitzer ab.

Das Camp wird zum ersten Mal auf Initiative der Fußballergewerkschaft VdF im Doppelpass mit dem AMS durchgeführt und dauert sechs Wochen lang. "Es ist praktisch wie eine echte Vorbereitung bei einem Verein", zieht Andreas Schicker, arbeitsloser Ex-Ried-Kicker, erste Parallelen. Ziel ist es, die Spieler an den Klub zu bringen. Der FC AMS ist somit wohl der einzige "Verein", der sich darüber freut, wenn ihm die Kicker weggenommen werden. "Von den 21 Spielern fehlt der eine oder andere zwischendurch, weil er Verhandlungen mit einem Klub führt. Das freut uns natürlich", meint Ex-Kicker Oliver Prudlo, bei der Vereinigung der Fußballer für Soziale Projekte verantwortlich.

Unter Druck

In Deutschland und den Niederlanden gibt es solche Camps schon seit einigen Jahren, die Teams messen sich untereinander in Turnieren. Um daran teilnehmen zu dürfen, muss die VdF ihr Camp zumindest ein zweites Mal veranstalten.

Helene Sengstbratl, Geschäftsführerin des AMS Burgenland, hätte wohl überhaupt nichts dagegen. "Profifußballer zahlen ihre Arbeitsversicherungsbeiträge und haben daher ebenso wie andere Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Leistungen. Wir müssen die Sportler beim Übergang von der Karriere in die berufliche Laufbahn besser unterstützen." Allerdings sollte die Arbeitslosigkeit zeitlich begrenzt sein. "Nur so lange es notwendig ist. Daher ist der Termin 15. Juli nicht förderlich, wenn das Transferfenster in den sogenannten Amateurbereich schließt."

Mitte Juli wird für den Fußballprofi der Druck größer, da er eine Entscheidung treffen muss: Geht er in den Amateurbereich oder hasardiert er und wartet auf ein Angebot aus dem Profifußball? Paul Gludovatz hört bei den Gesprächen mit den Kickern vor allem eines heraus: "Sie haben Existenzängste. Und der 15. Juli fördert diese."

Bedenkliche Lage

Peter Hlinka erlebt dieser Tage in Steinbrunn erstmals das Gefühl der Arbeitslosigkeit. Der 35-Jährige ist seit fast 18 Jahren Vollprofi und hadert erstmals mit seinem Alter. "Wobei man bei der WM gesehen hat, dass auch ältere Semester noch sehr gut spielen können wie Andrea Pirlo oder Giorgos Karagounis. Ich habe in den vergangenen zwei Saison 60 Spiele für Wiener Neustadt absolviert. Ich bin enttäuscht über die Vorgehensweise."

Peter Hlinka ortet aber noch ein weiteres Problem im System: "Hier laufen durchwegs Spieler zwischen 22 und 28 Jahren herum. Wieso will kein Verein sie haben? Warum sind sie überhaupt hier? Die Lage im österreichischen Fußball ist bedenklich." Die Regelung, dass Klubs der Ersten Liga verpflichtend junge Spieler einsetzen müssen, ist für Hlinka ein zentrales Thema. "Weil dann genau diese Spieler aus dem Kader fallen, die jetzt hier trainieren."

Viele Akademiker

Oliver Prudlo kann dem nur zustimmen. "Der Spielermarkt hat sich verändert, das Lohnniveau ist deutlich gesunken. Weil eben viele junge und billige Spieler aus den Akademien nachdrängen." Dieses System hat weitreichende Folgen für die spätere Profizeit, wie Roswitha Stadlober von der Bildungsinitiative KADA (Karriere danach) vorrechnet. "Nur drei Prozent der Fußballer haben nach ihrer Karriere ausgesorgt. 40 Prozent der über 30-jährigen Kicker stehen ohne Berufsausbildung da." Erschreckend sei vor allem die Orientierungslosigkeit bei den Sportlern. "Es fehlt der Blick hinter die Flutlichtmasten."

FC AMS

Jörg Siebenhandl
Christian Haselberger
Marco Köfler
Lukas Mössner
Peter Hlinka
Cem Tosun
Cem Atan
Thomas Hopfer
Andreas Schicker
Miodrag Vukajlovic
Mirnel Sadovic
Matthias Hopfer
Rene Felix
Lumbardh Salihu
Kevin Fend
Hans-Peter Berger
Radovan Mitrovic
Uwe Kropfhofer
Stefan Rakowitz
Erik Plattensteiner

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