Benfica gegen Chelsea und die Fluch-Gefahr

epa03685368 Benfica fans cheer for their team during the UEFA Europa League semi final second leg soccer match between Benfica and Fenerbahce at Luz Stadium in Lisbon, Portugal, 02 May 2013. EPA/MIGUEL A. LOPES
Benfica Lissabon jagt im Finale gegen Chelsea den ersten Europacupsieg seit 1962.

Bayern München? Aber wo. Real Madrid? Von wegen. FC Barcelona? Ebenfalls Fehlanzeige. Und Rapid? Na ja.

Im Match um den Titel „größter Fußballverein der Welt“ ist Benfica Lissabon seit Jahren ohne Konkurrenz. Rund 224.000 Anhänger zahlen beim portugiesischen Rekordmeister, der heute im Finale der Europa League auf Chelsea trifft (21.05 Uhr, live ORFeins, SRF 2, Sky Sport 1), Jahr für Jahr brav ihren Mitgliedsbeitrag ein. Zum Vergleich: Bayern, die Nummer zwei im Klub der mitgliederstärksten Klubs, hat aktuell 187.865 Getreue.

Im Endspiel um das zweithöchste Amt im europäischen Vereinsfußball darf in Amsterdam natürlich auch das berühmteste Mitglied der Portugiesen nicht fehlen: Eusébio, der Senhor Benfica schlechthin.

Verblasster Glanz

Wer Benfica sagt, muss zwangsläufig auch Eusébio sagen. Der Name steht für den Glanz, den die große Mannschaft einst ausstrahlte. Ein halbes Jahrhundert ist das inzwischen schon wieder her, dass Benfica zwei Mal in Serie den Meisterpokal gewann (1961, 1962), aber Eusébio gilt noch heute als wichtigster, bester und beliebtester Fußballer des Vereins.

Benfica gegen Chelsea und die Fluch-Gefahr
epa03685462 Benfica's Oscar Cardozo (R) celebrates with his teammate Ezequiel Garay (L) after scoring the 3-1 lead during the UEFA Europa League semi final second leg soccer match between Benfica and Fenerbahce at Luz Stadium in Lisbon, Portugal, 02 May 2013. EPA/MIGUEL A. LOPES
Die aktuelle Mannschaft von Benfica versprüht da auf den ersten Blick weit weniger Glamour. Dabei steht diese Mannschaft für hohe Spielkultur und noch höheren Unterhaltungswert, wie nicht zuletzt das spektakuläre Semifinal-Rückspiel gegen Fenerbahçe bewies. Die Multikulti-Truppe von Jorge Jesus, in der neben Portugiesen und Spaniern noch Spieler aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay stehen, weiß das Fachpublikum jedenfalls zu begeistern. „Wir schaffen das heute“, ist Eusébio überzeugt.

Märchenhafte Karriere

Die Erfolgsgeschichte von Eusébio hört sich an wie ein Fußball-Märchen: Es war einmal ein junger, talentierter Fußballer, der beim Clube de Desportos da Maxaquene in der portugiesischen Kolonie Mosambik dem Ball nachjagte. „Wir spielten barfuß mit einem Ball aus zusammengeflickten Lumpen“, erinnert sich der Superstar, für den Benfica im Jahr 1960 stolze 350.000 Escudos Ablöse (rund 25.000 Euro) bezahlte. Aus Angst, der Lokalrivale Sporting Lissabon könnte Benfica das Supertalent noch abspenstig machen, wurde der damals 19-jährige Eusébio in einem kleinen Dorf an der Algarve versteckt.

Was folgte, war beeindruckend: Eusébio traf in 440 Pflichtspielen für Benfica 474-mal, wurde zehn Mal Meister und zudem WM-Torschützenkönig für Portugal im Jahre 1966. Nachdem er Benfica 1962 mit zwei Toren gegen Real Madrid den Meisterpokal gesichert hatte, schoss er den Klub in den folgenden sechs Jahren noch weitere drei Mal ins Finale. „Vor ihm haben die besten Torhüter der Welt gezittert“, sagt Deutschlands Libero-Legende Franz Beckenbauer.

Benfica gegen Chelsea und die Fluch-Gefahr
epa00582051 Manchester United player George Best (C) with Benfica Lisbon players, Eusebio (R) and Coluna (2nd right) during their European Champions Cup final at Wembley stadium in 1968. According to reports Thursday 24 November 2005, former Manchester United and Northern Ireland international George Best is losing his battle to stay alive and according to his doctor, has only hours to live. EPA/ASF PORTUGAL OUT / NO MAGS

Freilich bekam Eusébio Angebote, er durfte aber seine Heimat nicht verlassen. Abwanderungsgelüste wurden mit astronomischen Ablöseforderungen gekontert. Drei Mal bat der „Fußball-Sklave“ (Lexikon berühmter Fußballspieler, Anm.) Staatspräsident Salazar, Portugal verlassen zu dürfen. Drei Mal wurde das Gesuch abgeschmettert: Eusébio gehöre dem portugiesischen Volk. Erst mit 33 Jahren machte er einen Abstecher in die USA.

Zu seinem Stammklub kehrte er einmal noch zurück – von 1985 bis 1992 fungierte er dort als Co-Trainer und verlor zwei weitere Male das Endspiel des Meistercups. Eusébio war damit bei allen sieben Finaleinzügen Benficas in Europas Meisterklasse dabei.

Dass der größte Fußballklub der Welt nun schon seit 1962 auf einen europäischen Titel wartet, so erzählen sie in Lissabon, hänge mit dem Guttmann-Fluch zusammen: Béla Guttmann, der ungarische Erfolgstrainer, hatte nach dem Meisterpokal-Triumph 1962 vergeblich eine Gehaltserhöhung gefordert und Lissabon mit den Worten verlassen: „Benfica wird in Europa nie wieder etwas gewinnen.“

Benfica Lissabon

Aufstellung: Artur; Almeida, Garay, Luisao, Melgarejo; Matic, Perez; Lima, Gaitan, Salvio; Cardozo. Trainer: Jorge Jesus.

Weg ins Finale (ab Frühjahr)
1/16-Finale: Leverkusen (2:1/1:0)
Achtelfinale: Bordeaux (1:0/3:2)
Viertelfinale: Newcastle (3:1/1:1)
Semifinale: Fenerbahce (3:1/0:1)

Erfolge
Europacup der Landesmeister (1961, 1962), 32-facher portugiesischer Meister, 24-facher portugiesischer Cupsieger.

FC Chelsea

Aufstellung: Cech; Azpilicueta, Luiz, Ivanovic, Cole; Lampard, Ramires; Oscar, Mata, Moses; Torres. Trainer: Rafael Benitez.

Weg ins Finale (ab Frühjahr)
1/16-Finale: Sp. Prag (1:1/1:0)
Achtelfinale: St.Bukarest (1:1/1:0)
Viertelfinale: Kasan (3:1/2:3)
Semifinale: FC Basel (3:1/2:1)

Erfolge
Champions League (2012), Europacup der Cupsieger (1971, 1998), 4-facher englischer Meister, 7-facher FA-Cup-Sieger, 4-facher Liga-Cup-Sieger.

Groß war die Auswahl vor der Saison: Weltpokal, UEFA-Supercup, Champions League, Meistertitel, Liga-Cup und FA-Cup hätte es geben können. Die Londoner hätten für all diese Pokale eine neue Vitrine bauen müssen.

Jetzt bleibt lediglich die Europa League. Ein Trostpreis? Für Trainer Rafael Benitez ist es mehr als das. Der Spanier möchte sich mit seinem fünften internationalen Klubtitel verabschieden und sich damit auch für eine Weiterbeschäftigung in England empfehlen.

„Die Premier League ist eine fantastische Liga“, sagt der 53-Jährige. Benitez wird Chelsea definitiv verlassen. Und die Blues werden wie Manchester United und Manchester City mit einem neuen Trainer in die Saison gehen. Auf der Insel zweifelt keiner mehr daran, dass dies Noch-Real-Madrid-Coach José Mourinho sein wird. Laut englischen Medienberichten sollen sich die Verhandlungen des aktuellen Champions-League-Siegers mit seinem früheren Erfolgscoach dem Abschluss nähern. „José’s Coming Home“ ist jedenfalls in London zum Hit unter den Chelsea-Fans aufgestiegen.

Einzigartig

Chelsea kann noch Einzigartiges schaffen: Die Londoner wären mit einem Sieg gegen Benfica für rund eineinhalb Wochen amtierender Champion beider Europacup-Bewerbe, findet das Champions-League-Finale Bayern gegen Dortmund doch erst am 25. Mai statt. „Es wäre traumhaft, zwei europäische Titel hintereinander zu holen“, sagt Spielmacher Juan Mata.

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