Harry Kane: Ein Typ wie Alan Shearer

Bei seinem Debüt in der EM-Qualifikation gegen Litauen traf Kane kurz nach seiner Einwechslung.
Fußball-Englands Hoffnung trägt den Namen des 21-jährigen Tottenham-Stürmers.

Wenn England am Dienstagabend in Turin gegen die Italienische Nationalmannschaft antritt, werden die Augen erneut auf den Jungstar der Engländer, Harry Kane gerichtet sein. Auf dem Stürmer von Tottenham Hotspur ruhen die Hoffnungen der englischen Fußballfans oder eher einer ganzen Fußballnation, bei einer Endrunde endlich wieder eine entscheidende Rolle spielen zu können.

Früher waren die Engländer vor Turnieren mit einem unerschütterlichen Selbstvertrauen ausgestattet. In der jüngeren Vergangenheit mussten selbst die optimistischsten Fans in England einsehen, dass die Qualität des Teams nicht ausreichen würde, um bei der Titelvergabe ein Wörtchen mitreden zu können. Vor allem der Auftritt des Teams bei der WM in Brasilien lag vielen schwer im Magen.

Doch der Glaube an eine bessere Zukunft scheint auf die Insel zurückzukehren. Einen großen Anteil daran hat ein 21-Jähriger aus Nordlondon namens Harry Kane.

Der beste Abend meines Lebens

Bei seinem Debüt in der EM-Qualifikation gegen Litauen am vergangenen Wochenende gelang dem 1,88 Meter großen Schlaks auch prompt sein Premierentor. Nur 79 Sekunden hatte Kane, nach seiner doch etwas symbolhaften Einwechslung für Matchwinner Wayne Rooney, dafür gebraucht. Nach dem Spiel war Kane sichtlich erleichtert und überglücklich: „Worte können das nicht beschrieben. Das ist der beste Abend meines Lebens. Ich bin so stolz. Davon habe ich viele Jahre lang geträumt.“

Von der oft gnadenlosen englischen Presse wurde der junge Engländer am Wochenende in den Himmel gehoben. Die Times beurteilte das Debüt fast etwas kitschig: "Kane macht einen märchenhaften Start." Die Daily Mail machte ihn am nächsten Morgen zu "Prinz Harry". Der Daily Mirror sieht im 21-Jährigen bereits den kommenden Fußballer des Jahres. Geoff Hurst, Englands Weltmeister von 1966, vergleicht ihn mit Bayerns Thomas Müller.

Rasante Entwicklung

Dafür wie schnell es im Fußball gehen kann, könnte Kanes Werdegang als Bilderbuch-Beispiel gelten. Das Märchen begann erst Anfang November letzten Jahres an der White Hart Lane. Damals erzielte das Eigengewächs der Nordlondoner beim 2:1 Heimerfolg gegen Aston Villa sein erstes Tor in der Premier League. Musste sich Englands Jungstar in den vergangenen vier Jahren damit zufrieden geben von Tottenham immer wieder an andere Klubs verliehen zu werden, hält er mittlerweile bei ganzen neunzehn Saisontreffern. Damit macht er sogar Stars wie Diego Costa vom FC Chelsea Konkurrenz mit dem er ex aequo die Schützenliste anführt Konkurrenz. Nun setzte sich also der Aufstieg vom Reservisten zum Hoffnungsträger des englischen Fußballs auch im Dress der Three Lions nahtlos fort.

Shearer-Vergleich unvermeidlich

Seit langer Zeit warten die englischen Fußballfans nun schon auf Erfolge ihrer Nationalmannschaft. Damit ist nicht das leidige Thema des einzigen Titels 1966 gemeint, sondern vielmehr die bereits erwähnten, enttäuschenden Vorstellungen bei den letzten Großereignissen. Wenn man ehrlich ist, waren die Three Lions in den Neunzigern - vor allem bei der Heim-EM 1996 - zum letzten Mal ein potentieller Titelkandidat. Letztlich scheiterte man unglücklich im Halbfinale am späteren Europameister Deutschland. Und das im Elfmeterschießen, im alten Wembley-Stadion.

Torschützenkönig und Star der Mannschaft war bei der Euro 96 ein gewisser Alan Shearer. Ein legendärer Stürmer alter Schule, der für den FC Southampton, die Blackburn Rovers und Newcastle United insgesamt, unerreichte 260 Tore in Englands höchster Spielklasse erzielte und mit 34 Treffern in Blackburns Meister-Saison 1994/95 (teilt sich den Rekord mit Andy Cole) bis heute die Rangliste der Torschützenkönige der Premier-League-Geschichte anführt.

Rückhalt von der Legende

Da mit Kane seit langer Zeit wieder ein Engländer - in einer von internationalen Stars geprägten Liga - realistische Chancen auf die Torjäger Kanone hat, war es also nur eine Frage der Zeit bis die Vergleiche Kanes mit der englischen Legende beginnen würden. Shearer zeigt sich jedenfalls begeistert von den Fähigkeiten des jungen Londoners. Vor dem Spiel gegen Litauen machte sich Shearer in den Medien sogar für einen Platz Kanes in der englischen Startelf stark: „Einer der Gründe warum ich glaube, dass er beginnen sollte ist weil er das Selbstvertrauen besitzt um auf der Stelle daran zu glauben sich auf diesem Level durchsetzen zu können!“ Shearer sollte mit seiner Prognose Recht behalten.

Trotz einer bislang makellosen EM-Qualifikation und einem neuen Hoffnungsträger, kamen in den englischen Medien Bedenken auf, dass die Gegner in der Gruppe, qualitativ nicht wirklich als Gradmesser gesehen werden können. Das Duell am Dienstagabend mit der Squadra Azzurra kann also als erste richtige Bewährungsprobe für die wiedererstarkten Engländer gesehen werden. Darüber ob England dann auch tatsächlich bei der Euro 2016 zum Favoritenkreis gezählt werden wird, wird das Spiel am Dienstagabend wohl bereits Auskunft geben können. Die Hoffnung im Mutterland des Fußballs lebt jedenfalls wieder, auch dank Mr. Kane.

Stefan Gamlich

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