Ominöse Millionenzahlung: Beckenbauer als Schlüsselfigur

Sicher habe er auch die Familie zeitweise vernachlässigt, räumte der "Kaiser" schon ein. Bereits vor seinem 65. Geburtstag ließ der Bayern-Ehrenpräsident von seinen Ämtern los, um mehr Zeit für seine kleinsten Kinder zu haben.
Der damalige Chef des Organisationskomitees steht im Zentrum der WM-Affäre.

Anstelle der erhofften vollständigen Aufklärung der Affäre rund um die WM-Vergabe an Deutschland lieferte der mit Spannung erwartete Freshfields-Bericht vor allem neue Spuren zu Franz Beckenbauer. Die Untersuchungen der namensgebenden Freshfields-Kanzlei rücken die Rolle des damaligen WM-Organisators ins Rampenlicht. Beckenbauer wird mit dubiosen Zahlungen, die an den Katari Mohammed bin Hammam geleistet wurden, in Verbindung gebracht.

Die eigentliche Hauptanschuldigung in der WM-Affäre, die Vermutung, dass Stimmen im FIFA-Exekutivkomitee vom DFB gekauft worden seien, konnten die Wirtschaftsexperten der Kanzlei zwar nicht beweisen. Gänzlich ausschließen lasse sich Bestechung jedoch auch nicht, so der Bericht.

„Es ist ein völliges Versagen der internen DFB-Kontrollgremien“, sagte DFB-Interimspräsident Rainer Koch bilanzierend zu den Vorgängen. „Das darf sich unter keinen Umständen wiederholen.“

Beckenbauer gerät zunehmend unter Druck

Neue Fragen werfen die Untersuchungen zur Rolle Beckenbauers auf. So sollen zwischen Mai und Juli 2002, also nach dem WM-Zuschlag für Deutschland, in vier Tranchen sechs Millionen Schweizer Franken über ein Konto von Beckenbauer und seines damaligen Beraters Robert Schwan an das Schweizer Advokatbüro Gabriel & Müller geflossen sein.

Dieser Betrag soll weiter an das Konto einer Gesellschaft in Katar gegangen sein, deren einziger Anteilseigner der mittlerweile lebenslang gesperrte Ex-FIFA-Funktionär bin Hammam war. Im August 2002 streckte dann der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus offensichtlich dem WM-OK ebenso wie Beckenbauer Geld vor und überwies zehn Millionen Franken auf das Konto der Juristen Gabriel & Müller.

Von dort gingen sechs Millionen auf das Beckenbauer-Konto zurück und vier weitere Millionen nach Katar. Bin Hammam bestreitet laut Freshfields, das Geld bekommen zu haben. Nach Auskunft seines Anwalts war Beckenbauer überrascht „über die gewonnenen Erkenntnisse, die aber seine bisherige Erinnerung durchaus zutreffend ergänzen.“

Bin Hammam steht unter Verdacht, die finanziellen Zuwendungen an asiatische WM-Wahlmänner des Fußball-Weltverbandes FIFA weitergereicht zu haben. Andere ebenso nicht bewiesene Vermutungen besagen, dass das Geld für den Präsidentschaftswahlkampf von FIFA-Boss Joseph Blatter im betreffenden Jahr 2002 verwendet worden sein könnte. Die Beschuldigten bestreiten das vehement.

Bewusste Verschleierung

Laut Freshfields-Bericht zahlte der Verband am 27. April 2005 6,7 Millionen Euro mit dem falschen Verwendungszweck „Kostenbeteiligung OK an FIFA Football Gala“ an den Weltverband. Von dort ging es weiter an Louis-Dreyfus zurück. Es sei ein Zahlungsvorgang, der „zehn Jahre verheimlicht, zehn Monate beschönigt“ und eigentlich in „zehn Sekunden zu erklären“ gewesen sei, erklärte Koch. „Der DFB hat zehn Millionen Schweizer Franken an eine dem Einflussbereich Mohamed bin Hammams zuzurechnende Firma in Doha gezahlt.“

Niersbach schrieb ein Mail

Ex-DFB-Chef Wolfgang Niersbach wurde am Freitag nicht noch weiter belastet, laut Freshfields sei ihm keine Kenntnis der Vorgänge vor 2015 nachzuweisen gewesen. Der im Zuge des Skandals zurückgetretene Präsident habe bereits im Juli 2015 „Kenntnis von Unregelmäßigkeiten“ gehabt, das Präsidium sei aber erst Mitte Oktober durch die erste Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel einbezogen worden.

Niersbach räumte aber nach der Veröffentlichung des Freshfields-Berichts eigene Fehler ein. „Den Vorwurf, im Sommer 2015 meine Kollegen im DFB-Präsidium nicht zügig über die mir bis dahin bekannten Vorgänge informiert zu haben, verstehe ich“, schrieb Niersbach in einem E-Mail an die Deutsche Presse-Agentur.

Er habe sich im Sommer und Herbst 2015 „bemüht, die Hintergründe des Sachverhalts zu recherchieren und zufriedenstellende Antworten zu erhalten“. Erst anschließend habe er das DFB-Präsidium informieren wollen. „Dass mir dies nicht gelungen ist, bedauere ich zutiefst“, schrieb Niersbach.

Über die durch den Freshfields-Bericht publik gewordenen Zahlungen von Franz Beckenbauer an ein Konto in der Schweiz im Jahr 2002 habe er erst am Freitag Kenntnis erhalten. Er bleibe aber bei seiner Auffassung, dass für den WM-Zuschlag keine Stimmen gekauft worden seien, betonte das damals hochrangige WM-OK-Mitglied, das den DFB weiter in den Exekutivkomitees der FIFA und UEFA vertritt. Es sei noch nicht der Zeitpunkt über personelle Konsequenzen zu reden, sagte Interimschef Koch.

„Ausgeprägte Neigung zum Wegschauen“

Insgesamt befragte die Kanzlei 31 Beteiligte. „Wir konnten nicht alle Personen sprechen, die wir sprechen wollten“, sagte Christian Duve von Freshfields. So habe sich etwa der frühere FIFA-Chef Joseph Blatter nicht geäußert. Auch seien nicht alle Akten verfügbar gewesen. Duve stellte die Fragen, „ob es unangemessenen Ehrgeiz gegeben“ habe, eine „ausgeprägte Neigung zum Wegschauen“ oder „fehlende Transparenz“.

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