Die Uhr tickt gegen den Hamburger SV

Dem Bundesliga-Dino droht der erstmalige Abstieg nach 52 Jahren. Die Website "hsv-countdown.de" zählt die Tage bis zum Ende der Erstklassigkeit.

Der Hamburger SV ist Gründungsmitglied in der deutschen Bundesliga und bekanntlich noch nie abgestiegen. Seit 1963 ist der Klub damit ununterbrochen in der höchsten Spielklasse aktiv, das macht den Klub einzigartig in Deutschland. Seit 2001 zeigt dies auch die berühmte Stadionuhr im Volksparkstadion an. Vor 14 Jahren wurde die Uhr als Marketingidee von einem Sponsor spendiert, seit dem tickt sie ununterbrochen weiter und gibt die Dauer der Hamburger Bundesligazugehörigkeit an. Bei 51 Jahren und 232 Tagen steht die Uhr mittlerweile.

Doch seit kurzem gibt es auch eine andere HSV-Uhr, genauer gesagt einen Countdown. Auf hsv-countdown.de wird die Zeit bis zum letzten Spieltag der aktuellen Saison runtergezählt, laut Website „die verbleibende Zeit in der ersten Liga“. Knapp 36 Tage bleiben dem Hamburger Sportverein demnach noch, dann könnte die Zeit für den Dino wirklich vorbei sein.

Denn nach 28 Spieltagen und bereits drei Trainerwechseln sind die Hamburger das Schlusslicht der Liga. Zwar fehlen derzeit nur vier Punkte auf einen Nicht-Abstiegs-Platz, doch der HSV wartet schon seit acht Spielen auf einen Sieg. Seit fünf Spieltagen konnten die Hamburger nicht mal mehr ein Tor erzielen.

Prügelei in der Halbzeit

Die Lage beim Hamburger SV ist daher ernst, die Nerven beim Traditionsklub liegen blank. Das zeigte sich etwa letztes Wochenende, als beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg die Schweizer Johan Djourou und Valon Behrami in der Kabine aneinander gerieten. Behrami soll Djourou in der Halbzeit kritisiert haben, daraufhin kam es zu einer Schlägerei zwischen den beiden, wie der Klub mittlerweile bestätigte.

Die Auseinandersetzung zeigte wie groß die Spannungen auch innerhalb der Mannschaft sind. Wenn es untereinander schon kracht, wird es schwer sich auf dem Platz zu konzentrieren. Djourou, der in der ersten Halbzeit den ersten Gegentreffer verschuldete, flog später durch zwei Gelbe Karten innerhalb von nur drei Minuten vom Platz.

Für die Wolfsburger war es ein recht müheloser Sieg. Das 1:0 durch Guilavogui war quasi die Vorentscheidung, denn die Probleme der Hamburger beim Kreieren von Chancen sind weiterhin sehr groß. Mit nur 16 Toren besitzen die Hamburger die schlechteste Offensive der Liga, auch gegen Wolfsburg zeigte sich dies, als in 90 Minuten keine gefährliche Chance herausgespielt wurde.

Der Sportdirektor als Trainer

Die Probleme des HSV setzten sich damit auch nach dem zweiten Trainerwechsel in der Saison fort. Mirko Slomka wurde bereits nach drei Spieltagen von Joe Zinnbauer ersetzt. Zinnbauer kam erst zur Saison 2014-2015 nach Hamburg und absolvierte zuvor lediglich acht Spiele bei der Reservemannschaft, die er immerhin allesamt gewinnen konnte. Er verbesserte den HSV in der Defensive und konnte gegen starke Gegner wie Bayern, Dortmund und Leverkusen überraschen, doch die Offensivprobleme bekam er nicht in den Griff. Nach der 1:0-Niederlage gegen Hertha Berlin am 26. Spieltag war auch für Zinnbauer Schluss, Sportdirektor Peter Knäbel übernahm selbst.

Die Akte Tuchel

Doch nach den zwei Spieltagen besitzt Knäbel, der zuletzt im Jahr 2000 beim FC Winterthur als Trainer aktiv war, bereits eine Bilanz von 0:6, es änderte sich also nur wenig. Auch wenn der HSV zuletzt mit Wolfsburg und Leverkusen auf zwei sehr starke Gegner getroffen ist, wurden schnell erneut Rufe nach einem Trainerwechsel laut. Vor allem die Rufe nach Thomas Tuchel. Mirko Slomka etwa forderte, dass der Ex-Mainzer sofort in Hamburg übernehmen müsste, um die Hanseaten noch vor dem Abstieg zu retten. Tuchel hätte dazu aber die Freigabe aus Mainz gebraucht, wo er noch bis zum 30. Juni einen gültigen Vertrag hat, weshalb ein Engagement als Sofort-Retter beim HSV nicht möglich. Da sich die Gespräche mit Tuchel sehr lange hinzogen und auch noch keine Einigung für die kommende Saison erzielt werden konnte, wollte sich die Hamburger nicht länger hinhalten lassen und beendeten das Thema Tuchel. Stattdessen überraschte der Verein alle und ersetzte Knäbel am Mittwoch plötzlich durch Bruno Labbadia. Labbadia bekam einen Vertrag über 15 Monate und steht nun vor der schier unmöglichen Aufgabe die Hamburger in den verbleibenden sechs Spielen vor dem Abstieg zu retten.

Mission Impossible für Labbadia?

Mit dem dritten Trainerwechsel der Saison will man der Mannschaft nochmal einen neuen Impuls geben, doch der HSV wirkt dadurch nur panisch und gibt sich der Lächerlichkeit preis. Die Wirkung von solchen Trainerwechseln darf bezweifelt werden, die Entscheidung könnte die Mannschaft nur noch mehr verunsichern. Schon in den letzten Jahren gab es eher wenig Konstanz was den Trainerposten betrifft. Während Dortmund seit 2008 genau einen Trainer hatte - den beim HSV zuvor abgelehnten Jürgen Klopp - hatten die Hamburger im gleichen Zeitraum gleich 14 verschiedene Übungsleiter.

Obwohl durchaus talentierte Spieler geholt wurden, konnten sich diese in Hamburg kaum weiterentwickeln. Die Chemie in der Mannschaft passte nicht, die vielen neuen Trainer oder Sportdirektoren sorgten für ein schwieriges Umfeld. „Man hat Spieler gekauft, die schon bei anderen Klubs bewiesen haben, dass sie es können und dass sie Phantasie haben, sich weiterzuentwickeln. Doch es sind in den letzten Jahren keine Spieler entwickelt worden, man hat aus den Fehlern der letzten Saison in der Führungsetage nicht die richtigen Schlüsse gezogen“, meint etwa Sport1-Experte Thomas Strunz, der auch die vielen Trainerwechsel kritisiert: „Der HSV hatte sechs Trainer in den vergangenen 18 Monaten - auf welcher Basis soll da etwas entstehen?“

Doch die vielen Trainerwechsel sind nur eines von vielen Problemen in Hamburg. Knäbel, der nun wieder als Direktor Profifußball fungiert, sprach selbst auch schon Einiges an. „Es gibt hier ganz viele verschiedene Stellschrauben zu drehen. Nachdem hier in den letzten Jahren etliche verschiedene Entscheidungsträger bei Personalentscheidungen ihre Wünsche eingebracht haben, wirkt alles manchmal wie zufällig zusammengewürfelt", sagte er etwa.

Machtkämpfe im Verein

Dass dem HSV der erstmalige Abstieg aus der Bundesliga droht, hängt mit vielen Versäumnissen im Verein zusammen. Interne Machtkämpfe behindern seit längerem die Weiterentwicklung, zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gab es in den letzten Jahren einen Dauerstreit. Die Ausgliederung des Profifußballs in eine eigene Aktiengesellschaft letzten Sommer war eine notwendige Strukturreform, doch die handelnden Personen sind letztendlich die gleichen geblieben, verändert hat sich nur wenig.

Die Problemstellen ziehen sich quer durch den Verein, vom Finanziellen über die Kaderplanung bis zum Sportlichen. Neustart um Neustart blieb erfolglos. Einstige Leistungsträger wie Jerome Boateng, Vincent Kompany oder Hakan Calhanoglu haben den HSV längst verlassen, doch nachgekommen ist nur wenig. Wichtige Stützen wie Milan Badelj wurden zudem verkannt und schließlich verkauft.

Einen so bedeutenden Klub in der zweiten Liga zu sehen wäre zwar sehr schade, doch wer aus so viel Potential nur so wenig macht, hätte es fast nicht anders verdient. Während der HSV letztes Jahr nur durch die Auswärtstorregel als Sieger der Relegation gegen Fürth hervorging, droht dieses Jahr nun erneut der Abstieg. Zwar stehen noch mehrere Spiele gegen direkte Konkurrenten bevor, doch die derzeitigen Leistungen geben nur wenig Anlass zur Hoffnung.

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