Das Jammern der Deutschen auf höchstem Niveau

Joachim Löw beruhigt die Gemüter.
Eine Niederlage sorgt in der Heimat von Fußballweltmeister Deutschland schon für Unruhe.

Eine Niederlage hat genügt. Ein Ausrutscher nach einer imposanten Serie von 18 erfolgreichen Pflichtspielen (17 Siege, 1 Unentschieden) seit der EM 2012 war offenbar schon zu viel des Schlechten, und schon sind im Land des Fußball-Weltmeisters Kritik und Gezeter zu vernehmen. Selbst die Flugzeugpiloten ließen sich nach der deutschen 0:2-Niederlage in Polen von der negativen Atmosphäre anstecken und sich zu spöttischen Kommentaren hinreißen. "Wir befinden uns gerade über der Berliner Fanmeile", gab der erste Offizier auf dem Heimflug aus Polen via Bordmikrofon durch, "die ist heute leer."

Schon erstaunlich, wie schnell die grenzenlose Euphorie über das Fußball-Sommermärchen in Deutschland in eine kleine Herbstdepression übergegangen ist. Und verblüffend, wie viel Gegenwind Weltmeistermacher Joachim Löw nach einer Niederlage ins Gesicht bläst. Der deutsche Bundestrainer musste sich vor dem EM-Qualifikationsmatch gegen Irland von den Journalisten jedenfalls einige kritische Fragen anhören. Etwa warum die deutsche Nationalmannschaft seit dem WM-Titel nicht mehr zu überzeugen vermag? Oder wieso die Torchancen so leichtfertig vergeben werden? Und weshalb er, Löw, auf den Außenverteidigerpositionen so unerfahrenen Spielern (Rüdiger, Durm) das Vertrauen schenkt?

Selbstfindung

Joachim Löw begegnet all den Zweiflern und Kritikern auf seine ganz eigentümliche Art. "Die machen sich alle viel mehr Sorgen als ich", erklärt der Bundestrainer. Im neunten Jahr im Amt kann den Breisgauer so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen. Schon gar nicht eine Niederlage in Polen, bei der sein Team 29 Torschüsse abgegeben hat und bis aufs Toreschießen fast alles richtig gemacht hat. "So kurios das jetzt auch klingen mag: wir waren in diesem Match besser als bei unserem Sieg zuletzt gegen die Schotten."

Deshalb kann er dem ganzen Gerede von einer Minikrise oder einer Post-WM-Leere nichts abgewinnen. "Jetzt haben wir nach 33 Qualifikationsspielen mal wieder verloren", sagt Löw, "das gibt’s halt einmal."

In den Augen des 54-Jährigen macht sein Team gerade wieder eine Selbstfindungsphase durch. Notgedrungen. Wenn schon alles über den Neustart und Generationswechsel beim entthronten Weltmeister Spanien spricht – der Umbau und die Verjüngung, die Löw seit der WM vollzogen hat, waren noch viel radikaler. Mit Lahm, Mertesacker und Klose haben drei Leistungsträger (gemeinsam 354 Länderspiele) die Karriere beendet, dazu sind Stützen wie Schweinsteiger, Khedira, Özil, Höwedes und Reus derzeit verletzt. "Es gab nach der Weltmeisterschaft mehr einschneidende Veränderungen, als ich mir erhofft habe", muss auch Löw zugeben. Das geht auf Kosten der Souveränität. Beim 0:2 gegen Polen war Boateng mit 26 der älteste Feldspieler. "Unsere jungen Spieler müssen auch einmal solche Erfahrungen machen", sagt Löw.

Eine andere Erfahrung würde er sich hingegen gerne ersparen: einen weiteren Ausrutscher heute gegen Irland. Denn zwei Pflichtspielniederlagen in Folge gab es unter Löw noch nie.

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