Wenn Kinder zum Spielball werden

Die Diskussionen um die FIFA-Strafe lenken von einem globalen Problem ab.

Mit dem Spinnen von Verschwörungstheorien war Barcelona-Präsident Josep Maria Bartomeu noch schneller als mit dem Formulieren eines Protestes gegen die von der FIFA verhängte Transfersperre: "Jemand versucht, uns zu schaden. Wir untersuchen das genau."

Das Opfer einer Intrige soll der FC Barcelona also geworden sein, angezettelt womöglich von der Konkurrenz aus Madrid. Diese, von katalonischen Medien verbreitete Gerüchte, hat Real auf das Schärfste zurückgewiesen.

Trotzdem: Völlig überzogen sei die Strafe, denn die Arbeit mit den Talenten in der klubeigenen Fußballschule La Masia sei mehr als vorbildlich. "Hier hat alles seine Ordnung", sagt der Barça-Boss.

Gerüchteküche

Also dann muss dies eine Retourkutsche von FIFA-Präsident Sepp Blatter sein – gerichtet gegen seinen Intimfeind. Immerhin hatte UEFA-Boss Michel Platini ihn angegriffen, weil der Weltverband nichts gegen die Unsitte der Miteigentümerschaft Dritter an Spielern tue.

Die Gerüchte über die Hintergründe der Bestrafung der Katalanen haben das eigentliche Thema überdeckt: Es geht immerhin um Transfers von Kindern. Die FIFA hat sich dem Schutz von Minderjährigen verschrieben und deshalb strenge Regeln formuliert – nicht grundlos. Immer wieder waren Jung-Kicker vor allem aus Afrika in Europa gestrandet. Gelockt von unseriösen Managern, zu Dutzenden eingeflogen, um ihr Können zu zeigen. Die, die keinen Verein gefunden haben, wurden ihrem Schicksal überlassen. Unter ihnen waren nicht selten Minderjährige.

Die Talente, die in La Masia Einlass finden, gehören natürlich nicht zu den Opfern des globalen Handels mit Talenten. Wer in Barcelona ausgebildet wird, der hat die Chance, einmal ein Star zu werden.

Deshalb wollen auch Eltern aus der ganzen Welt, dass gerade ihr Sohn in La Masia aufgenommen wird. So lief es auch im Jahr 2000 bei einem gewissen Lionel Messi.

Der mittlerweile 26-jährige Superstar bedankt sich noch heute bei jeder Gelegenheit für seine tolle Ausbildung in La Masia, ohne der er vielleicht nie so gut geworden wäre, wie er geworden ist.

Ausnahmeregelung

Mittlerweile ist es aber verboten, einen 13-Jährigen aus Argentinien zu holen, auch wenn seine Eltern mitziehen würden. Nur umgekehrt wäre dies erlaubt: Wenn nämlich ein Elternteil einen Job annehmen würde, der nichts mit dem Fußball zu tun hat.

Kleine Messis wollte der FC Barcelona trotzdem weiter ausbilden, verpflichtete Talente aus Japan, Südkorea, Nigeria und den USA. Nun bekam man die Rechnung dafür in Form einer harten Strafe wegen zehn Verstößen gegen das FIFA-Transferregulativ.

Dass es Regeln zum Schutz von Minderjährigen geben muss, ist unbestritten. Umstritten sind diese trotzdem: Es gebe zu wenige Ausnahmen. Etwa dürfen AustauschschülerInnen und Au-Pair-Mädchen während ihrer Zeit in Europa nicht vereinsmäßig Fußball spielen. Oder auch elternlose Kriegsflüchtlinge können nicht von Vereinen eingesetzt werden.

Auch die betroffenen zehn Kinder aus La Masia trainieren seit einem Jahr nur noch. Barcelona hat sie aus dem Meisterschaftsbetrieb genommen, nachdem die FIFA die Untersuchungen eingeleitet hat, um den Weltverband zu besänftigen. Genutzt hat dies nichts. Nun hat der Klub vorgeschrieben bekommen, "die Situation aller fraglichen minderjährigen Spieler binnen 90 Tagen zu legalisieren", wie es im FIFA-Urteil so schön heißt.

Mit dem Artikel 19 des "Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern" will der Weltverband Minderjährige schützen. Internationale Transfers von Unter-18-Spielern sind verboten – außer eine der folgenden drei Ausnahmebestimmungen wird eingehalten:

1. Die Eltern ziehen aus Gründen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben, in das Land des neuen Vereins.

2. Der Wechsel findet innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) statt, und das Alter des Spielers liegt zwischen 16 und 18 Jahren. Dazu müssen noch die schulische oder berufliche Ausbildung gesichert und eine betreute Unterkunft wie etwa in einer Gastfamilie oder einem Internet vorhanden sein.

3. Der Spieler wohnt höchstens 50 Kilometer von einer Landesgrenze entfernt, und der Verein des benachbarten Verbandes, für den der Spieler registriert werden möchte, liegt ebenfalls höchstens 50 Kilometer von der Landesgrenze entfernt.

Im Salzburger Stadtteil Liefering befindet sich ein Projekt in der finalen Phase, das weltweit einzigartig ist. Auf dem Gelände der ehemaligen Salzburger Trabrennbahn errichtet Red Bull eine Akademie – aber nicht nur für Fußballer, sondern auch für Eishockeyspieler.

Nach der geplanten Eröffnung im Spätsommer sollen bis zu 400 Talente optimale Trainingsbedingungen vorfinden. 144 Jugendliche können sogar in der Red-Bull-Akademie leben. Zum Vergleich: La Masia, die berühmte Fußballschule des FC Barcelona, kann höchstens 82 Talente beherbergen.

Immer wieder ist eine Befürchtung zu hören. In Liefering werden nur Ausländer ausgebildet werden. Doch das ist – zumindest bei den Fußballern – praktisch unmöglich. Denn das erschweren die FIFA-Regeln. Und dass sich Red Bull – im Gegensatz zu Barcelona – ganz genau an das Regulativ hält, beweisen auch zwei Transfers von Nachwuchstalenten, die Salzburg im Jänner tätigte.

Der Ungar Márton Patik wurde – wie laut Artikel 19 des "Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern" innerhalb von EU-Ländern erlaubt – kurz nach seinem 16. Geburtstag von Ferencvaros Budapest verpflichtet. Der Innenverteidiger spielt mittlerweile regelmäßig im U-16-Team der Salzburger Akademie.

Eine Altersklasse höher, in der U-18-Mannschaft, kommt der Ghanaer Raphael Dwamena zum Einsatz. Er wurde in der mittlerweile geschlossenen Red-Bull-Akademie in Ghana ausgebildet und – wie erlaubt – kurz nach seinem 18. Geburtstag bei Salzburg angemeldet.

Als Minderjähriger hätte Dwamena selbst innerhalb der Red-Bull-Akademien nicht wechseln dürfen – wie auch alle Talente aus der Red-Bull-Fußballschule in Brasilien. Dafür nützt Salzburg eine Ausnahmebestimmung im FIFA-Regulativ. Eine stattliche Anzahl an Talenten aus dem benachbarten Bayern wird ausgebildet. Dies ist bei Spielern erlaubt, die bis maximal 50 Kilometer von Salzburg entfernt wohnen.

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