Calmund: "Bei Rapid geht die Post ab"

Calmund: "Bei Rapid geht die Post ab"
Reiner Calmund, der Ex-Manager von Leverkusen, spricht über das Duell am Donnerstag, Red Bull und Arnautovic.

Reiner "Calli" Calmund (63) war das Gesicht, die Stimme und der Körper von Rapids Europa-League-Gegner Leverkusen. Auf VOX ist er Publikumsliebling der "Kocharena", für Puls4 kommt der frühere Erfolgsmanager gerne nach Wien, um über Fußball zu reden. Im KURIER spricht Calmund gewichtige Worte.

KURIER: Was erwarten Sie vom Spiel Rapid – Leverkusen?
Reiner Calmund: Für Leverkusen ist der Aufstieg Pflicht. Für Rapid ist Platz zwei nach dem Totentanz gegen Rosenborg im leeren Stadion natürlich noch schwerer zu schaffen. Aber es gibt schon etwas, das für Rapid spricht.

Und zwar?
Bei Rapid geht die Post ab – das ist mir bei Heimspielen immer aufgefallen. Wenn ich zehn Spiele mit Top-Stimmung in Österreich nennen müsste, wären neun davon bei Rapid gewesen.

Sie waren einmal Leverkusens Stadionsprecher. Wissen Sie, dass es bei Rapid mit Andy Marek einen Sprecher gibt, der wie Sie zu einer Führungsfigur im Verein wurde?
Nee, den kenn’ ich nicht. Ich war bis zum Aufstieg Stadionsprecher, in der Bundesliga war das mit meinen anderen Aufgaben nicht mehr vereinbar. Eigentlich war unser Aufstieg ja nur ein positiver Betriebsunfall.

Gesicht des Vereins

Seit Sie nicht mehr für Leverkusen arbeiten, wird Rudi Völler als das Gesicht des Vereins wahrgenommen. Ist er unantastbar?
Ja, weil er kompetent ist und das Gesicht der Vereins ist. Er ist ja harmoniebedürftig. Aber wenn die Kacke am Dampfen ist, holt er die Axt raus. Dann ist er nicht mehr der Rudi, den man in der Öffentlichkeit kennt.

Wie war eigentlich Ihr Verhandlungsstil?
Die Schnellen schlagen die Langsamen, nicht die Großen die Kleinen – das ist mein Motto. Das Wichtigste ist aber, dem Gegenüber Respekt zu zollen. Da wir mit Leverkusen den ersten Profitransfer nach dem Mauerfall geschafft haben, möchte ich Ihnen dazu was erzählen.

Gerne.
Wir wollten Andreas Thom holen und ich bin direkt nach dem 0:3 mit der DDR in Wien zu ihm nach Hause gefahren. Er war ängstlich, weil er in einem anderen gesellschaftlichen System groß geworden ist und wir wussten, dass dort die Wände Ohren haben. Aber wir haben mit größtem Respekt verhandelt – das hat ihm gefallen, genauso wie die mitgebrachte leckere Schokolade für die Gattin.

Reden Sie lieber über Fußball oder übers Essen?
Manche sagen ja, sie hätten eine schlechte Veranlagung oder zu schwere Knochen. Ich esse einfach zu viel und gern. Ich bin ja am Teller besser als am Herd. Deshalb macht mir "Die Kocharena" mit dem Reden übers gute Essen so viel Spaß.

Was konsumieren Sie lieber? Eine gute Partie Fußball oder ein feines Essen?
Am besten hab’ ich das gemeinsam. Zu einem guten Spiel gehört auch ein Bier und ’ne Currywurst.

Positiv bekloppt

Sie waren 2008 im Beirat von Austria Kärnten. Was hat da nicht gepasst?
Präsident Canori war ein arroganter und ahnungsloser Besserwisser – das habe ich ihm bald gesagt. Er hat aber gedacht, das war ein politisch motivierter Angriff, obwohl ich nicht mal gewusst habe, wer zu welcher Partei gehört. Das ist ja in Kärnten nicht so einfach.

Sie kennen österreichische Teamspieler aus der Bundesliga gut. Wie schätzen Sie unser Team ein?
Also gehen wir das von hinten durch. Prödl: Hat sich sehr gut entwickelt. Pogatetz: Ein Leader. Ivanschitz: Ihm hätte ich ehrlich gesagt nicht zugetraut, sich bei Mainz noch so in den Vordergrund zu spielen. Fuchs: Einer der drei besten linken Verteidiger der Liga. Harnik: Dass Stuttgart im Europacup spielt, hängt eng mit seinen Toren zusammen. Und Arnautovic: Er ist positiv bekloppt und nicht ganz zurechnungsfähig. Aber er entwickelt sich.

Und dann gibt es noch den Besten, David Alaba.
Alaba hatte ich in meiner Elf des Jahres. Der beste Nachwuchsspieler der Liga war er ohnehin. Er ist ein Vorbild für die Buben, die das auch schaffen wollen. Also, der zweite Platz ist für euch sicher noch drinnen.

Leipzig ist peinlich

Wie bei Bayer Leverkusen gibt es jetzt auch bei Red Bull das Konzept, als Konzern einen Verein zu führen ...
Die Vereine kann man nicht vergleichen: Leverkusen wurde 1904 gegründet, hat 150 Millionen in der Champions League eingenommen, nur die Bayern haben mehr. Red Bull nimmt bis auf ein paar Zuschauer gar nix ein.

Trauen Sie Leipzig zu, aus der 4. Liga an die Spitze zu kommen?
Was Leipzig bis jetzt abgeliefert hat, ist peinlich. Aber Mateschitz investiert mit der Akademie auch in Steine, nicht nur in Beine. Er nimmt es also ernst und kann es schaffen – wie in der Formel 1. Nur muss er wissen, dass es im Fußball nicht vorrangig um die Technik geht. Da geht es um die Menschen.

2002 hatte Leverkusen eine große Saison, am Ende gab es keinen Titel und den Kosenamen Vizekusen.
Das tut heute noch weh. Bei jeder Titelvergabe denke ich daran, dass wir es nicht geschafft haben. Andererseits waren wir bis knapp vor Schluss einmal ein Absteiger. Da hatten wir das Glück, was 2002 Pech war.

Zur Person: Mister Leverkusen
Reiner Calmund wurde am 23. November 1948 in Brühl geboren. Der fünffache Vater kam 1976 zu Bayer Leverkusen – zunächst als Jugendleiter und Stadionsprecher. Dann war er Vorstandsmitglied, Manager der Profi-Abteilung und Geschäftsführer. Unter seiner Leitung erreichte der Klub 2002 das Champions-League-Finale. Am 8. Juni 2004 gab er seinen Rücktritt bekannt. Im März 2006 wurde publik, dass Calmund entlassen worden war. Der Grund war eine Barzahlung von 580.000 Euro an einen Spielervermittler. Seither arbeitet das Schwergewicht als Buchautor, Berater und Juror der TV-Show "Die Kocharena".

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