Jürgen Klopp: Der Kult- wird zum Rekordtrainer

Mittlerweile hat es ein, zwei schlaflose Nächte gegeben", gestand der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Dietmar Beiersdorfer, kürzlich in einem Fersehinterview. Bezogen war die Aussage auf die Frage, ob er es denn bereut hätte, Jürgen Klopp 2008 nicht als Trainer verpflichtet zu haben. Damals waren die Hamburger auf der Suche nach einem Nachfolger für Huub Stevens. Beiersdorfer schickte Beobachter nach Mainz, wo Klopp als Trainer tätig war. Diese sollen ihm berichtet haben, dass der Coach hin und wieder verspätet, mit löchrigen Jeans sowie unrasiert zum Training erschienen war. Grund genug für Beiersdorfer, sich gegen den Hallodri zu entscheiden.

Seither sind sechs Jahre vergangen und Jürgen Klopp ist in seiner mittlerweile siebenten Saison als Trainer von Borussia Dortmund angekommen. Beim 2:2 gegen den VfB Stuttgart am Mittwoch stand er zum 209. Mal bei einem BVB-Ligaspiel an der Seitenlinie, löste Ottmar Hitzfeld (1991 - 1997) als Rekordtrainer ab.

Übernommen hat er den BVB nach einer Saison, die mit 40 Punkten auf Rang 13 beendet wurde. Was folgte, kommt einer beinahe märchenhaften Erfolgsgeschichte gleich. Der Coach leitete einen rigorosen Umbruch ein, trennte sich von damaligen Leistungsträgern wie Alexander Frei oder Mladen Petric. Letzterer hatte schlichtweg zu viel Geld verlangt. Das passte Klopp und der Klub-Führung nicht. Dietmar Beiersdorfer, damals Sportchef beim HSV, verpflichtete den Kroaten und zahlte ihm das Doppelte von seinem Dortmunder Gehalt.

Neustart

Klopp setzte indes auf einen völligen Neustart, formte im Laufe der Jahre aus jungen No-Names wie Marcel Schmelzer, Neven Subotic, Mario Götze, Shinji Kagawa oder Robert Lewandowski - die Liste ließe sich noch fortsetzen - ein Team, das seine Idealvorstellung von "Vollgasfußball" umzusetzen imstande war.

Und: Der Verein schenkte ihm Zeit. Als er in seiner ersten Saison sieben Spiele in Folge nicht gewann, verlängerte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke scheinbar demonstrativ seinen Vertrag. "Was wir mit ihm vorhaben, ist ein Langzeitprojekt und nicht nur an Ergebnisse verbunden", meinte der Geschäftsführer. Ein Jahr später qualifizierte man sich als Fünfter bereits für das internationale Geschäft, ehe endgültig die Zeit dieser jungen Dortmunder Elf gekommen war. Entgegen aller Erwartungen zauberten sich die jungen Wilden zu zwei Meistertiteln in Folge, das 4-2-3-1-System mit beispiellosem Offensivpressing erregte auch international Aufsehen. Im Pokal-Finale 2012 wurden die Bayern mit 5:2 aus dem Stadion geschossen, ein Jahr später erreichte man gar das Finale der Champions League, wo sich die Münchner revanchierten.

Seine besten Sprüche

Im siebenten Jahr unter Jürgen Klopp ist Borussia Dortmund als europäische Spitzenmannschaft etabliert. Und Deutschlands Trainer der Jahre 2011 und 2012 wird von den Fans verehrt. Rein auf die Erfolge lässt sich die Popularität des 47-Jährigen allerdings nicht reduzieren. Es ist auch seine lockere, bodenständige und emotionale Art, die wie die Faust aufs Auge in den Ruhrpott passt. Bei Bundesligaspielen rumpelstilzt er mit "Pöhler"-Kappe (als Pöhler bezeichnet man in Dortmund einen Straßenfußballer) auf dem Kopf und im Trainingsanzug an der Seitenlinie herum, gibt sich als authentischer Arbeiter. In der Champions League muss der "Jogger" freilich dem feinen Zwirn weichen, die Emotionalität bleibt aber dieselbe. Immer wieder sieht er sich aufgrund diverser Ausraster aber auch mit viel Kritik konfrontiert. Im Champions-League-Spiel gegen Neapel 2013 hatte er dem Vierten Offiziellen, eine hässliche Grimasse ziehend, aus nächster Nähe ins Gesicht geschrieen.

Freude und Wut sind seinem Gesicht nicht immer zweifelsfrei zuordenbar. Während Kritiker ihn für sein Verhalten an der Seitenlinie kritisieren und ihm schlechte Vorbildwirkung attestieren, wird er von seinen Fans dafür geliebt. Er ist der Mann mit den vielen Gesichtern: Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und für gute Laune unter den anwesenden Journalisten sorgend, wird er während des Spiels seiner Mannschaft zum Vulkan, um kurz nach dem Spiel auch gerne mal mit Journalisten aneinanderzugeraten. Jürgen Klopp lebt Fußball und lebt ihn seiner Mannschaft vor. Manche mögen das, manche nicht.

Diverser Ausraster zum Trotz erfreut sich der 47-Jährige auch als Werbefigur größter Beliebtheit. Ob Opel, Puma oder auch die VR-Bank - große, millionenschwere Unternehmen wollen mit dem Namen Jürgen Klopp in Verbindung gebracht werden und fädeln große, millionenschwere Deals mit ihm ein.

Bleibt die Frage, was wohl Dietmar Beiersdorfer durch den Kopf geht, wenn er den unrasierten Jürgen Klopp als Testimonial für Philips-Rasierer im Fernsehen bestaunt.

Die Ausraster von Jürgen Klopp