Bayern ist Champions-League-Sieger 2013

Arjen Robben entscheidet ein packendes Finale gegen Dortmund mit seinem Treffer in der 89. Minute.

Der FC Bayern ist am Ziel aller Münchner Träume angekommen. Um 21.34 Uhr Ortszeit im Wembley-Stadion von London krönte sich der Deutsche Rekordmeister zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte zum besten Klub Europas. Erstmals seit 1997, seit Wolfgang Feiersinger mit Dortmund, durfte mit David Alaba auch ein Österreicher wieder diesen Thron besteigen. Doch es war ein hartes Stück Arbeit für den 20-jährigen Wiener und seine Kollegen im ehrwürdigen Wembley-Stadion gegen den Erzrivalen aus Dortmund.

Denn es waren nicht die Bayern, die in diesem Spiel von Beginn an den Ton angaben hatten. Es war der Außenseiter. Mit mehr Bewegung ohne Ball und jenem Pressing, das die Mannschaft von Jürgen Klopp in den letzten Jahren ausgezeichnet hatte, wurde der Favorit unter Druck gesetzt.

Gelbe Gefahr

Die Bayern mussten eigentlich darauf vorbereitet gewesen sein. Rezept hatten sie anfangs dennoch keines dagegen. Und so dauerte es nicht lange, bis die Dortmunder gefährlich wurden. Blaszczykowski konnte die größte Dortmunder Chance an diesem Abend nicht nutzen. Nach einem Reus-Pass von rechts kam der Pole fünf Meter vor Neuer zum Abschluss. Der Bayern-Keeper rettete in höchster Not im Stile eines Handball-Torwarts.

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Supporters of Bayern Munich react after a public v
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Borussia Dortmund soccer fans react at a public vi
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BRITAIN SOCCER UEFA CHAMPIONS LEAGUE FINAL 2013
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Bayern Munich's Robben, evades Borussia Dortmund's
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Bayern Munich's Arjen Robben shoots to score past
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Bayern Munich's Arjen Robben reacts after the fina
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Es dauerte 25 Minuten, bis die Bayern erwachten. Ein Befreiungsschlag muss her, dachte sich Franck Ribéry und holte zu so einem aus, nachdem er von Dortmunds Lewandowski am Trikot zurückgehalten worden war. Für den Schlag mit dem Unterarm ins Gesicht des Polen kann man Rot zeigen. Ribéry sah nicht einmal Gelb und holte prompt zur nächsten Initialzündung aus.

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Bayern Munich's team celebrates with the trophy after defeating Borussia Dortmund in their Champions League Final soccer match at Wembley Stadium in London May 25, 2013. REUTERS/Darren Staples (BRITAIN - Tags: SPORT SOCCER)
Die Traumflanke des Franzosen landete auf dem Kopf von Mandzukic, Weidenfeller rettete (26.). Es war die erste Chance der Bayern, die erst damit im Spiel angekommen waren.

Mehr noch: Plötzlich waren sie sogar hellwach, die Münchner. Robben tauchte unbedrängt vor Weidenfeller auf, scheiterte jedoch mit dem Versuch, den starken Keeper zu überheben. Wenige Augenblicke später konnte sich auch Neuer noch einmal im Duell mit Lewandowski auszeichnen.

Spektakel

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Bayern Munich's Arjen Robben celebrates with the trophy after winning the Champions League final soccer match at Wembley stadium in London May 25, 2013. Bayern Munich beat Borussia Dortmund 2-1 in an all-German Champions League final on Saturday to become European champions for the fifth time. REUTERS/Michael Dalder (BRITAIN - Tags: SPORT SOCCER)
Ein offener Schlagabtausch entwickelte sich in Hälfte zwei zu einem Spektakel. Nur die Tore fehlten noch. Bis zur 60. Minute. Wie im Vorjahr gegen Chelsea gingen die Bayern in Führung. Mandzukic stand goldrichtig und musste nur noch Danke sagen, nachdem Robben Weidenfeller gekonnt umkurvt hatte (60.). Die Führung hielt jedoch nicht lange. Gündogan glich vom Elfmeterpunkt aus, nachdem Dante Reus im Strafraum ungestüm gelegt hatte (68.).

Der Ausgleich sollte die Münchner aber nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil: Subotic musste gegen Müller auf der Torlinie und Weidenfeller bei einem sehenswerten Alaba-Schuss und einem weiteren von Schweinsteiger retten. Die letzten 25 Minuten gehörten den Bayern allein. Sie drückten auf den Siegestreffer. Und sie bekamen ihn. Arjen Robben, gerade jener Mann, der im Vorjahresfinale in der Verlängerung noch einen Elfmeter verschossen hatte, wurde vom Buhmann zum großen Helden. Nach einem Ferserl von Ribéry stand der Niederländer zum zweiten Mal an diesem Abend alleine vor Weidenfeller. Diesmal ließ er ihm keine Chance – 2:1, der K.o. in der 89. Minute.

Zu Ehren der Champions: Stern des Südens

Borussia Dortmund - FC Bayern München 1:2 (0:0)
London, Wembley-Stadion, 86.298 (ausverkauft), SR Nicola Rizzoli (ITA).

0:1 (60.) Mandzukic
1:1 (68.) Gündogan (Foulelfmeter)
1:2 (89.) Robben


Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender (92. Sahin), Gündogan - Blaszczykowski (91. Schieber), Reus, Großkreutz - Lewandowski

Bayern: Neuer - Lahm, Boateng, Dante, Alaba - Martinez, Schweinsteiger - Robben, Müller, Ribery (91. Luiz Gustavo) - Mandzukic (94. Gomez)

Gelbe Karte: Großkreutz bzw. Dante, Ribery

Die Besten: Weidenfeller, Reus, Gündogan bzw. Neuer, Mandzukic, Robben

Es wurde so ziemlich alles geboten, was das Drehbuch verlangt hatte.

Bayern lässt sich im Mutterland des Fußballs die Traumsaison tatsächlich nicht vermiesen.

Ausgerechnet Arjen Robben, ein Mann mit nur einem Trick in gleichnamiger Kiste, gelingt der entscheidende Treffer.

David Alaba wird trotz relativer Unauffälligkeit erster aktiver österreichischer Champions-League-Sieger.

Auf der Tribüne freut sich Bayern-Präsident Uli Hoeneß über seinen großen sportlichen Coup und auch ein wenig über seine Freiheit.

Der große alte Trainer, Jupp Heynckes nämlich, legt seinem jüngeren Nachfolger die Latte noch ein paar Stufen höher. Was treibt Pep Guardiola eigentlich noch nach München, wenn er im kommenden Jahr nichts mehr erreichen und nur noch verlieren kann?

Auf der Tribüne leidet der Jungstar Mario Götze mit seinem Klub und muss den Jubel seines neuen Arbeitgebers mit Trauermiene begleiten.

Borussia Dortmund, von vielen als Titelgewinner gewünscht, kommt zurück ins Spiel und geht am Ende doch unter. Mitleiderregend, untermalt von den Gefühlseruptionen des Trainers.

Viel Show, viel Kampf, etwas weniger spielerische Klasse an diesem Abend. Deutschlands Fußball hat gezeigt, Nummer eins zu sein.

Ob es zum Dauerzustand wird, wie viele glauben? Das muss erst noch bewiesen werden.

David Alaba darf sich ab sofort Champions-League-Sieger nennen. Österreichs Fußballer des Jahres gewann mit dem FC Bayern München am Samstag das Finale im Londoner Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund mit 2:1 und setzte sich damit schon als 20-Jähriger die europäische Krone auf. Trotz seines Alters bot Alaba eine äußerst abgeklärte Leistung, blieb als Linksverteidiger im Abwehrverhalten so gut wie fehlerlos und kam in der 76. Minute sogar einem Torerfolg nahe.

Im ausgelassenen Freudentanz nach dem Schlusspfiff jubelte Alaba mit umgebundener Fahne, auf der drei Flaggen zu sehen waren: Jene der Philippinen für das Herkunftsland seiner Mutter, jene von Nigeria für das Herkunftsland seines Vaters und natürlich die österreichische.

Alaba startete mit einer gelungenen Aktion ins Spiel - in der 2. Minute wurde er von Blaszczykowski am eigenen Strafraum stark unter Druck gesetzt, konnte sich aber trotzdem souverän befreien. Schwerstarbeit hatte der 20-Jährige auch danach zu leisten, denn die Dortmunder fokussierten ihre Angriffsbemühungen auf die linke Bayern-Seite.

Chance

Neben Blaszczykowski bekam es Alaba oft auch mit Reus zu tun, der sich gerne vom Zentrum auf den Flügel fallen ließ. Zu allem Überdruss kam vom ansonsten kongenialen Partner Ribery wenig Entlastung im Offensivspiel: Der Franzose machte gegen Piszczek praktisch keinen Stich, war sich aber immerhin nicht zu schade, Defensivarbeit zu verrichten.

Dennoch wurde es auf der linken Bayern-Seite das eine oder andere Mal gefährlich - so etwa in der 15. Minute, als Reus einen Querpass auf Blaszczykowski spielte, der wiederum an Neuer scheiterte. Die Chance entstand aber dadurch, dass ein Alaba-Kollege im Zentrum das Abseits aufgehoben hatte.

In der 30. Minute jedoch war es Österreicher, der den Dortmundern eine gute Gelegenheit ermöglichte. Nach einem Ballverlust Alabas in der Vorwärtsbewegung marschierte Lewandowski Richtung Bayern-Tor, ehe er in Neuer seinen Meister fand.

Ansonsten verzichtete Alaba auf allzu viele Vorstöße. Eine seiner Offensivaktionen hätte aber beinahe das 1:0 für die Bayern bedeutet. Österreichs Fußball des Jahres spielte in der 30. Minute auf Müller, der Robben einsetzte - der Niederländer konnte BVB-Goalie Weidenfeller allerdings nicht überwinden.

Auf den Spuren von Hasil

In der zweiten Hälfte wurden die Bayern stärker, und Alaba mit ihnen. Zwei Minuten nach der Führung der Münchner durch Mandzukic (60.) schlug der Österreicher einen 60-Meter-Pass quer über das Spielfeld - ähnlich wie bei seiner Torvorlage für Robben in Barcelona -, doch Weidenfeller parierte den Schuss von Mandzukic.

Am Ausgleich durch den Gündogan-Elfmeter (68.) traf Alaba keine Schuld. Dafür wäre er in der 76. Minute fast zum Bayern-Helden avanciert, doch sein Weitschuss wurde von Weidenfeller gerade noch entschärft. So blieb es Robben in der 89. Minute vorbehalten, die Münchner zum Champions-League-Titel zu schießen.

Alaba ist damit der zweite Österreicher nach Franz Hasil (1970 den Meistercup mit Feyenoord), der den wichtigsten europäischen Clubtitel gewann. Bei den Bayern-Finalniederlagen 2010 (nicht in den Kader berufen) und 2012 (gesperrt) musste er auf der Tribüne sitzen.

Ein findiger Fußballfan hat dieser Tage einen Kaugummi aus dem Gras gefischt und ihn teuer versteigert. Es war der letzte, den Sir Alex Ferguson als Trainer von Manchester United aus dem Mund gespuckt hat.

Wo war dieser findige Fußballfan nach dem letzten Bayern-Spiel in dieser Bundesligasaison? Wäre er in Gladbach gewesen und hätte mit einem kleinen Röhrchen die Tränen von Jupp Heynckes aufgefangen – er hätte noch reicher werden können.

Emotionen

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Bayern Munich coach Jupp Heynckes waves as he leaves the pitch after defeating Borussia Dortmund in their Champions League Final soccer match at Wembley Stadium in London May 25, 2013. REUTERS/Michael Dalder (BRITAIN - Tags: SPORT SOCCER)
Heynckes ist hochgradig spröde. Einen glanzvollen Sieg seines Teams kommentiert er genauso unaufgeregt wie eine bittere Niederlage. Öffentliche Gefühlsausbrüche bei der Arbeit? Das ist nicht die Sache von Jupp Heynckes – selten ein Lächeln, erst recht keine Wutausbrüche oder Attacken auf Spieler oder Trainerkollegen.

Aber nach dem Spiel in Gladbach hatte er mit den Emotionen zu kämpfen, wischte sich nach dem 642. und vielleicht letzten Bundesligaspiel das Feuchte aus dem Augenwinkel. Er war von den Borussia-Fans gefeiert worden, was einem Bayern-Trainer ja nicht so oft passiert. Aber der 68-Jährige hat dort seine beste Zeit als Fußballer erlebt, als noch im Bökelbergstadion gespielt wurde. Vier Mal wurde er Meister mit der Borussia, in dieser Zeit wurde er auch Weltmeister (1974) und Europameister (1972).

Mit 34 Jahren begann er in Mönchengladbach als Trainer. Daraus wurde eine Erfolgsgeschichte, denn er führte die Mannschaft gleich im ersten Jahr ins Finale des UEFA-Cups. Mit Bayern holte er drei Meisterschaften – 1989, 1990 und 2013.

Bitterer Abschied

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Bayern Munich's coach Jupp Heynckes celebrates after they defeated Borussia Dortmund in their Champions League Final soccer match at Wembley Stadium in London May 25, 2013. REUTERS/Phil Noble (BRITAIN - Tags: SPORT SOCCER)
Seinen größten Erfolg feierte er mit Real Madrid: Unter seiner Führung gewann der Klub 1998 die Champions League. Das gewonnene Finale war gleichzeitig sein letztes Spiel als Trainer bei Real, da er nach nur einer Saison entlassen wurde.

Ein Schicksal, das ihn auch jetzt in München ereilt. Unter seiner Leitung haben die Bayern nach zwölf Jahren ihre titellose Zeit in Europa beendet. Man wollte ein Zeichen setzen und verpflichtete Ex-Barcelona-Erfolgscoach Josep Guardiola. Am 16. Jänner hatte Heynckes von seiner Ablöse erfahren. Seither will er es bei den Bayern allen zeigen.

Schweres Erbe

Und das ist ihm gelungen: Heynckes hat Guardiola ein schweres Erbe hinterlassen mit Meisterschaft, Champions League und vielleicht auch noch dem Cupsieg. Für den Deutschen war diese Saison eine tiefe Befriedigung, dass es auch seine Trainergeneration noch richten kann. Im Winter, im Trainingslager in Katar, hatte er gespottet: „Masterplan, das haben die jungen Trainer heute, die Konzept-Trainer und Laptop-Trainer, die gekommen und gegangen sind in der Liga. Die machen so etwas. Ich habe klare Vorstellungen.“

Das ändert aber nichts daran, dass der Erfolgstrainer gehen muss. Noch nicht nach dem Triumph in der Champions League: Denn mit den Bayern gibt es kommenden Samstag noch das Pokal-Endspiel in Berlin gegen den VfB Stuttgart. Aber dann ist wirklich Schluss.

Oder doch nicht?

Alles blickte auf Wembley. Die Menschen in London sowieso, 300 Millionen weltweit, gebannt starrend auf Fernseher und Leinwände. In Deutschland war beim deutsch-deutschen Champions-League-Finale ohnehin Feier-Tag.

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Bayern Munich supporters attend a public screening of the Champions League Final soccer match at Brandenburg Gate in Berlin, May 25, 2013. The Champions League Final soccer match between Germany's Borussia Dortmund and Bayern Munich takes place at Wembley Stadium this evening. REUTERS/Thomas Peter (GERMANY - Tags: SPORT SOCCER)
Dabei war noch am Vormittag eine Terrorwarnung eingegangen. Die ließ Dortmund- und Bayern-Fans aber weitgehend kalt. In Dortmund, 536 Kilometer vom Finalort entfernt, machten 50.000 Fans in der City und in den Westfalenhallen die Nach t zum Tag. Mit Gefühlsschwankungen versteht sich.

In die Münchner Allianz-Arena kamen 45.000 Fans zum Public Viewing. Auf dem Rasen lag der „Schal des Südens“, ein rund 1,6 Kilometer langer Fanschal, den zirka 2000 Bayern-Fans zur Unterstützung ihrer Mannschaft in London gestrickt hatten. Weitere 40.000 Fans sahen gemeinsam die Partie auf der Theresienwiese in München.

Sie alle taten sich die Reise nach London nicht an. Dennoch: Europas Hauptstadt des Fußballs färbte sich gestern rot und gelb. Egal, an welcher Ecke, egal, wo man hinsah. Ob im Flugzeug oder bei der Gepäckausgabe oder in der Bahn, die vom Airport in die Londoner Innenstadt führt: Überall machten es sich Stunden vor dem Champions League Finale Fans von Dortmund und Bayern bequem. Ein Sitzplatz in der Bahn war ähnlich schwer zu bekommen wie einer im Wembley-Stadion.

Die Bayern-Fans

Einer war dann doch noch zu haben für den KURIER. Ein letztes Plätzchen mitten unter den Bayern-Fans. Und dann kam’s: „Brauchste noch ’ne Karte?“ Tatsächlich hatten Gerd und Paul noch eines dieser heiß begehrten Tickets übrig. Die beiden kommen aus Ulm, der Heimatstadt des polarisierenden Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß.
Zu dritt wollten sie sich auf die Reise nach London machen. Nur: Einen hatte eine Grippe erwischt. Wie sie denn überhaupt an die Karten gekommen sind, wollte man wissen. „Ich bin Mitglied bei Bayern, hab’ mich angemeldet und Glück gehabt.“

277 Euro pro Ticket haben die beiden hingelegt. Klingt nicht unbedingt abschreckend für ein Finale der Königsklasse. „Um 277 geben wir es aber nicht her“, haute Gerd gleich auf den Tisch in der Bahn. Schließlich wollte man kein Verlustgeschäft machen und auch das verstrichene Flugticket des in der Heimat kränkelnden Kumpanen refinanzieren. „600 wolle mr schon dafür ha’. Hoffentlich bleibet mr net drouf sitza“, sagte Paul in seinem perfekten Schwäbisch.

Der Schwarzmarkt

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epa03716988 Munich's supporters are seen on the stands prior to the UEFA soccer Champions League final between Borussia Dortmund and Bayern Munich at Wembley stadium in London, England, 25 May 2013. EPA/FRISO GENTSCH
Die beiden konnten beruhigt sein: Auf dem Schwarzmarkt vor dem Wembley-Stadion sollen Wahnwitzige zwischen 3000 und 4000 Euro gezahlt haben. Wie so viele hatten auch die beiden Ulmer kein Hotel reserviert. Kein Wunder: London war seit Wochen ausgebucht. Und wenn doch noch wo ein Zimmer zu haben war, musste man selbst in einem Drei-Sterne-Hotel mit Preisen ab 300 Euro rechnen.

Die Polizei hielt sich am Nachmittag im Hintergrund. Dennoch waren die Sicherheitskräfte alarmiert: Nachdem zwei mutmaßliche Islamisten einen britischen Soldaten auf offener Straße ermordet hatten, herrschte in London Alarmbereitschaft.

In einem solchen Zustand war die Londoner Polizei schon gestern Vormittag. Aber nicht wegen des Terrors. Nach einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Fangruppen gegen neun Uhr Ortszeit hatte die Polizei eingreifen müssen, weil sich auf einem Busparkplatz Fans gegenseitig angegriffen hatten. Es habe sich um eine „große Gruppe“ gehandelt, genaue Zahlen konnte die Polizei aber nicht nennen. Es sei jedoch niemand festgenommen worden.

In der Londoner Innenstadt hatte es vor dem Spiel bei strahlendem Sonnenschein wunderbare Szenen mit friedlich feiernden Fans aus Dortmund und München gegeben. Die Dortmunder hatten den Picadilly Circus im Herzen der Themse-Metropole in Beschlag genommen. Die Münchner feierten wenige Straßen weiter, unter anderem vor dem Big Ben.

David Alaba: "Das sind unglaubliche Momente, die habe ich noch nicht realisieren können. Wir haben uns das wirklich verdient. Einfach ein Wahnsinn, unglaublich. Dieser Weg da rauf, wenn man den Pokal von unten sieht, ist ein unglaublicher Moment, den vergisst man nicht so schnell. Dieser Abend wird sicher noch lustig. Sicher wird noch richtig gefeiert, das dürfen wir auch und haben es uns auch verdient."

Arjen Robben (Siegtorschütze): "Es war so ein enges Spiel. Wir waren auf Augenhöhe, es gab Chancen auf beiden Seiten. Dann in der letzte Minute, ich war früh beim Ball und konnte ihn reinschieben. Dieser Titel bedeutet sehr viel, auch wenn ich es jetzt noch nicht fassen kann. Es sind so viele Emotionen im Moment, es ist unglaublich. Viele Menschen haben es mir gegönnt und im Vorfeld gesagt, du schießt heute das Tor. Ich habe zunächst einige Chancen vergeben, aber ich bin ruhig geblieben."

Franz Beckenbauer (Ehrenpräsident Bayern München): "Dortmund hat die Bayern überhaupt nicht ins Spiel kommen lassen, da waren die Bayern ratlos. Dass sie trotzdem das Spiel gewonnen haben, spricht für die Klasse dieser Mannschaft. Robben ist ein Wahnsinn. Zuerst hat er drei Hundertprozentige vergeben. Da habe ich schon angefangen zu verzweifeln. Den Siegtreffer hat er dann natürlich hervorragend gemacht."

Matthias Sammer (Sportdirektor Bayern München): "So etwas ist im Sport mit nichts in der Welt vergleichbar. Man hat Tränen in den Augen. Für manche Spieler ist es wichtig, ihre Laufbahn mit so etwas zu krönen. Aber heute sind alle Bayern Mitarbeiter Champions-League-Sieger. Ich habe großen Respekt vor Borussia Dortmund."

Roman Weidenfeller (Tormann Dortmund): "Wir sind voller Stolz, dass wir den Bayern so Paroli geboten haben. Wir haben ein tolles Spiel gezeigt, aber es sollte nicht reichen. Wir haben es nicht geschafft, die Partie zu gewinnen, das ist für uns sehr traurig. Und schade, weil wir bis hierher eine tolle Saison gespielt haben. Schade, aber wir greifen nächste Saison wieder an."

Joachim Löw (DFB-Bundestrainer): "Glückwunsch an Bayern München zum Gewinn der Champions League. Vor allem gratuliere ich auch Jupp Heynckes zu diesem Erfolg. Es war ein hochklassiges, rassiges Finale mit allem, was zum Fußball gehört. Beide Mannschaften haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie zurecht im Endspiel standen. Und beide Teams hätten den Sieg absolut verdient gehabt. Dortmund hat es den Bayern extrem schwer gemacht, vor allem in der ersten Halbzeit. In der zweiten Hälfte haben die Bayern dann viel Druck gemacht und den entscheidenden Treffer erzielt. Wer dreimal innerhalb von vier Jahren in einem Champions League Finale steht, der hat es auch verdient, den Titel zu holen. Vielleicht waren die Bayern in diesem Jahr einfach an der Reihe."

Oliver Bierhoff (Manager DFB-Nationalteam): "Was für ein Kampf, was für eine Klasse! Europa hat ein ganz großes Endspiel erlebt. Mit Anpfiff standen elf Nationalspieler auf dem Platz. Ich gratuliere dem FC Bayern München, aber auch Borussia Dortmund, die an einem großen Finale wesentlichen Anteil hatten. Heute haben wir eine Sternstunde des deutschen Fußballs erlebt, bei der ganz Europa zugeschaut hat, und wir von Miami aus natürlich auch."

Jürgen Klopp (Dortmund-Trainer): "Sie haben zwei Tore geschossen, wir nur eines. Es war ein dramatisches Spiel, das spät entschieden wurde. Der Sieg ist verdient. Glückwunsch! Wir wollten Jupp das Karriereende nicht versalzen, aber natürlich trotzdem gewinnen. Natürlich wurde das Spiel erst spät entschieden, aber hoch zu verlieren wäre viel schlimmer gewesen. Wir waren verdienter Finalist. Beim Tor haben die Bayern nochmals alle Körner zusammengekratzt. Das war stark von Robben. Wir waren die krassen Außenseiter, aber auch nahe genug dran, um zu gewinnen."

Philipp Lahm (Bayern-Kapitän): "Unglaublich, was sich diese Mannschaft erarbeitet hat. Wir sind heute endlich dafür belohnt worden, was wir in den letzten Jahren, Monaten und Wochen geleistet haben."

Manuel Neuer (Bayern-Tormann): "Das ist ein überragendes Gefühl. Nach dem 1:1 ist mir ehrlich gesagt der Arsch auf Grundeis gegangen. Umso überragender ist jetzt das Gefühl nach dem 2:1 in der 89. Minute, das kann man gar nicht in Worte fassen."

Thomas Müller (Bayern-Mittelfeldspieler): "Ich habe Krämpfe links und rechts, bin diesmal aber nicht vom Platz gegangen. Scheinbar hat's gewirkt. Ich bin körperlich am Ende."

Langsam wird’s nun doch fast ein wenig kitschig. Als wäre es nicht schon der Ehre genug gewesen, dass erstmals in der Fußball-Historie zwei Mannschaften aus Deutschland den Champions-League-Titel unter sich ausmachen, da erreichte die Nation in der letzten Woche gleich noch die nächste Jubelmeldung. Obendrein aus England, dem Land des ewigen Rivalen.

Deutschland ist das beliebteste Land der Welt.

Das ist zumindest das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des britischen Fernsehsenders BBC, bei der 26.000 Personen in 25 Ländern ihr eindeutiges Votum abgegeben hatten. Ein Ergebnis, das in dieser Form wohl noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre.

Aber wer hätte auch gedacht, dass in Wembley zwei deutsche Teams im Finale stehen? Wer hätte es vor wenigen Monaten noch für möglich gehalten, dass einmal der beste Trainer der Welt (Pep Guardiola) Deutschland beehrt? Wer geahnt, dass der Fußball Made in Deutschland plötzlich für Esprit und Entertainment steht?

Sympathiekurs

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Germany's national soccer team head coach Joachim Loew attends a training session ahead of their 2014 World Cup qualifying soccer match against Kazakhstan in Astana March 21, 2013. REUTERS/Shamil Zhumatov (KAZAKHSTAN - Tags: SPORT SOCCER)
Wie das Land hat auch der Fußball einen Imagewandel vollzogen. Eine Entwicklung hin zur Vorzeige-Nation, die durchaus einhergeht. Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land (2006), das vielzitierte und -gelobte Sommermärchen, hat Deutschland in einem anderen Licht erscheinen lassen, einem sympathischen. Nicht nur auf dem Rasen, auch in den Städten, in denen das Schwingen Tausender deutscher Fahnen plötzlich für keine Irritationen mehr sorgte oder einen schalen Beigeschmack auslöste. „Wenn die Leute auf die Straßen gehen und das Team feiern, dann empfinde ich das als riesigen Erfolg“, erklärt der deutsche Bundestrainer Joachim Löw im KURIER-Gespräch.

Der 53-jährige Rotwein-Liebhaber, Genussraucher und Mode-Trendsetter – sein blauer Pullover von der WM 2010 in Südafrika hat es sogar bis ins Museum des Deutschen Fußballbundes geschafft – legt auch im Spiel der Nationalmannschaft großen Wert auf Ästhetik. „Ich will keinen Fußball, bei dem es nur ums Verwalten geht.“

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epa03717221 German national soccer team head coach Joachim Loew watches the UEFA Champions League final match in the St. Regis Hotel in Miami, Florida, USA, 25 May 2013. Borussia Dortmund faces FC Bayern Munich in the UEFA Champions League soccer final in London on 25 May 2013. EPA/MARKUS GILLIAR / POOL
Bereits bei seinem Amtsantritt 2006 hatte Löw dem Rumpelfußball (© Franz Beckenbauer) den Kampf angesagt und das Ende des Zeitalters der teutonischen Eisenfüße ausgerufen. Gegen Widerstände wurden die altbekannten und oft berüchtigten deutschen Tugenden (Härte, Kampfgeist) entsorgt und von neuen, zeitgemäßen Werten (Ballbesitz, Kombinationsfußball) abgelöst. „Die alte Spielweise hat ja teilweise niemanden mehr vom Hocker gerissen“, weiß Löw, „wir wollen mit unserem Fußball die Leute begeistern.“

Bayern München und Borussia Dortmund flogen in der abgelaufenen Champions-League-Saison jedenfalls die Herzen zu. Beeindruckend, wie die Bayern im Semifinale dem großen FC Barcelona die spielerischen Grenzen aufzeigten; begeisternd, wie Dortmunds junge Wilde mit ihrem spektakulären Hochgeschwindigkeitsfußball über die prominenten Gegner hinwegrauschten.

Erfolgskurs

Ist da im Fußball vielleicht gerade eine kleine Palastrevolution im Gange? Ist das Tiki-Taka anno 2013 nicht mehr das A&O? Ist Deutschland gar das neue Spanien?

Jetzt, wo sogar Pep Guardiola die Liga beehrt (er tritt am 26. Juni sein Amt bei den Bayern an) und ganz Fußball-Europa schwärmt von der Infrastruktur, dem Publikumsansturm und der Zahlungsmoral in der deutschen Bundesliga. „Dass Guardiola kommt, ist eine große Wertschätzung für den deutschen Fußball“, meint Löw.

Sonst warnt der Bundestrainer aber vor voreiligen Schlüssen. Von einer deutschen Dominanz oder gar einer neuen deutschen Welle will Löw, von dem zehn Teamspieler am Finale mitwirkten, nichts wissen. „Die Einzigen, die dominiert haben, waren die Spanier. Wenn nächstes Jahr wieder zwei Bundesliga-Teams im Champions-League-Finale sind und wir den Titel in Brasilien gewinnen, dann kann man von einem nachhaltigen Machtwechsel sprechen.“

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