Der ewige Patient Bastian Schweinsteiger

Der deutsche WM-Held und Publikumsliebling droht das ganze Jahr auszufallen.

Es war das Bild des WM-Endspiels in Brasilien: ein abgekämpfter Bastian Schweinsteiger, gezeichnet von 120 aufreibenden Finalminuten, blutiges Cut unter dem rechten Auge, schmerzverzerrtes Gesicht, das Trikot schmutzig – so hockte er im Gras des Maracanã-Stadions und hatte kaum mehr Kraft, den WM-Pokal in die Höhe zu stemmen.

Als "Kämpfer" wurde Bastian Schweinsteiger nach dem Finale gegen Argentinien (1:0) vom deutschen Boulevard gewürdigt. Mario Götze mag zwar das entscheidende Tor zum vierten WM-Titel in der deutschen Fußballhistorie beigesteuert haben, der entscheidende Mann war aber Schweinsteiger.

Stehaufmann

Auch Joachim Löw sah im 30-Jährigen die Schlüsselfigur für den Erfolg gegen Argentinien. Der deutsche Bundestrainer pries dabei die "unmenschliche Willenskraft" des Bayern. "Das habe ich noch nie gesehen. Er hat sich in jeden Zweikampf geworfen, er wurde selbst immer wieder gefoult", erinnert sich Joachim Löw. "Ich wusste manchmal nicht, ob er überhaupt noch einmal aufstehen kann. Und plötzlich stand er wieder da."

Es war daher nur die logische Konsequenz dieses Auftritts, dass Schweinsteiger nach dem WM-Turnier die Kapitänsbinde von Philipp Lahm erben durfte. Der Außenverteidiger hat bekanntlich mit dem WM-Titel beim Nationalteam abgedankt.

Umso bitterer ist es deshalb für den deutschen Bundestrainer, dass er jetzt in den EM-Qualifikationsspielen in Polen (Samstag) und gegen Irland (Dienstag) nicht auf seinen unverwüstlichen Leithammel zurückgreifen kann. Das WM-Finale war zugleich auch das Endspiel für Schweinsteiger – seit diesem historischen 13. Juli im Maracanã hat der 30-Jährige kein Bewerbsspiel mehr bestritten. Und prompt hat der Routinier auch schon wieder einen neuen Kosenamen verpasst bekommen: Aus dem "Krieger" Schweinsteiger ist der "ewige Patient" geworden.

Knöchelprellung, Patellarsehnenreizung, Mandelentzündung – so liest sich die unendliche Krankengeschichte des neuen Kapitäns seit dem WM-Turnier. Und viele hatten diese Verletzungsmisere auch schon kommen sehen: Nach fast eineinhalb Jahrzehnten im Profifußball ist Bastian Schweinsteiger zunehmend anfällig für Wehwehchen aller Art. Wegen seiner langwierigen Probleme mit der Patella hatte der Bayern-Star schon für die WM auszufallen gedroht und war gerade noch rechtzeitig fit geworden. Diese Verletzung macht Schweinsteiger nun erneut zu schaffen. Einen Einsatz in den beiden EM-Qualifikationsspielen gegen Polen und Irland hatte Löw ohnehin schon vor Wochen abgehakt, doch nun droht Schweinsteiger eine noch längere Pause. Ein Comeback im Team ist jedenfalls erst für das neue Kalenderjahr vorgesehen, und auch bei den Bayern rechnet man heuer nicht mehr mit dem Mittelfeldspieler, dessen Stammplatz zuletzt die Kraftkammer war. "Wir spielen mit dem Ball, nicht mit dem Fahrrad", erklärte gerade erst Bayern-Coach Josep Guardiola.

Sorgenkinder

Während der deutsche Rekordmeister den Ausfall seines Routiniers scheinbar mühelos wegstecken kann, geht Schweinsteiger im Nationalteam an allen Ecken und Enden ab. Zumal er auch nicht der einzige prominente Abwesende ist. Einmal abgesehen von Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker, die alle nicht mehr im Team spielen, fehlen auch noch Mesut Özil (Knieprobleme), Marco Reus (Knöchelverletzung), Benedikt Höwedes (Sehnenriss) und Sami Khedira (Muskelverletzung). Bundestrainer Joachim Löw hatte in dieser Woche in der Vorbereitung auf das Match in Polen zeitweise nur 14 Feldspieler beim Training und muss seine Mannschaft nach dem WM-Triumph radikaler umbauen, als ihm lieb ist.

Immerhin hat Bastian Schweinsteiger bereits angekündigt, zumindest bis zur Europameisterschaft 2016 auch im deutschen Team am Ball sein zu wollen. Patellarsehnenreizung hin, Mandelentzündung her. Wie wichtig der 30-Jährige ist, weiß Tormann Manuel Neuer, der in den kommenden EM-Spielen gegen Polen und Irland als Kapitän für seinen Teamkollegen einspringt: "Er kann Tempo und Spielrhythmus bestimmen. Das ist wichtig für eine Mannschaft. Er fehlt uns natürlich."

Andere würden hadern, grübeln, zweifeln. Lukas Podolski grinst und glaubt an seine nächste Chance. Die könnte sich für das Gute-Laune-Urgestein im Kreis der Fußball-Weltmeister schneller bieten als gedacht: Ausgerechnet beim wichtigen Spiel der EM-Qualifikation in seinem Geburtsland Polen am Samstag stehen die Chancen für den 29-Jährigen so gut wie schon lange nicht mehr, in die Startelf der deutschen Nationalmannschaft zu rutschen. „Ich versuche, immer alles zu machen, was geht. Letztendlich liegt die Entscheidung beim Trainer, sowohl beim Verein, als auch bei der Nationalmannschaft“, sagte Podolski.

Sowohl Bundestrainer Joachim Löw als auch Podolskis Klub-Trainer Arsène Wenger beim FC Arsenal entschieden sich in diesem Jahr regelmäßig gegen den bekennenden Kölner. Das nervt mittlerweile auch Podolski, den selbst ernannten „Straßenkicker“, wie er sich selbst auf seinem Twitter-Profil präsentiert. „Klar, mit der Situation kann man nicht zufrieden sein“, sagte Podolski, der mit 118 Länderspielen und 47 Toren der erfahrenste und erfolgreichste aktuelle deutsche Nationalspieler ist.

Ein Abschied aus London scheint wahrscheinlich, schon im Sommer hatte sich Galatasaray Istanbul um den 29-Jährigen bemüht, auf den Joachim Löw große Stücke hält. „Weil er einfach immer gute Stimmung in die Nationalmannschaft bringt.“ Podolski – der älteste Feldspieler im aktuellen Löw-Aufgebot – schien zuletzt tatsächlich eher für atmosphärische denn sportliche Aufgaben im DFB-Team zuständig zu sein. „Er ist schon ein einmaliger Typ. Das ist ein wichtiger Aspekt für die Mannschaft“, sagte denn auch Teammanager Oliver Bierhoff, fügte aber an: „Er gibt dem Trainer gute Alternativen.“

Vor allem nach dem jüngsten Ausfall von Mesut Özil. Der Spielmacher, bei Arsenal leidgeprüfter Teamkollege von Podolski, fällt mit einer Knieverletzung, die er sich am Wochenende im Stadtderby gegen Chelsea (0:2) zugezogen hatte, für rund zwölf Wochen aus.

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