Kicken ist reine Kopfsache

Aus dem Heer der Arbeitslosen: In Steinbrunn kämpfen die AMS-Kicker um neue Interessenten.
Viele Spieler scheitern als Profi - eine Ausbildung ist unabdingbar.

Ich habe seit meinem 16. Lebensjahr nur Fußball gespielt. Jetzt bin ich 25 Jahre alt. Was mache ich dann mit 30?" Atilla Erel stellt diese ehrliche Frage nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Kicker-Kollegen, die sich mit ihm beim von der Fußball–Gewerkschaft VdF organisierten Camp fit halten. Nicht nur sportlich halten sich die Spieler auf Trab, sie werden parallel dazu auch von der Organisation "Karriere Danach" (KADA) in Zusammenarbeit mit dem AMS begleitet und über mögliche Ausbildungen informiert.

Vergangenen Dienstag war der erste von vier Vorträgen, auf interessante Art und Weise gehalten von Wolfgang Stockinger, einem Ex-Profi, der sich nach Verletzungen ein zweites Standbein suchen musste. "Ich bin genau einer, der es nicht geschafft hat, nach dem Fußball ausgesorgt zu haben." Das gelingt in Österreich ohnehin nur drei Prozent der Fußballer. Erel aber hat den Traum vom Profit bringenden Profifußball wie alle anderen noch nicht aufgegeben. Manche haben eine bessere Ausbildung als er, Lukas Mössner beispielsweise ein abgeschlossenes Sportmanagement-Studium, oder Routinier Peter Hlinka immerhin fünf Semester an einer Uni in der Slowakei.

Der ewige Kreislauf

So saßen 15 vereinslose Spieler im VIVA-Landessportzentrum in Steinbrunn, lauschten aufmerksam den Worten und erzählten selbst von ihrem Kicker-Schicksal. Daraus entwickelte sich eine höchst interessante Diskussion. Dabei wurden die Probleme der Spieler, aber auch die Missstände im System des heimischen Fußballs aufgezeigt. 2015 sind rund 115 Fußballer arbeitslos gemeldet, 2004 waren es nur 46. Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. Mössner: "Wir haben zwar zwei Profi-Ligen, aber nicht alle Vereine sind Profiklubs." Gemeint ist vor allem die Erste Liga.

Allgemeiner Tenor: Das Durchschnitts-Einkommen in der Erste Liga ist erschreckend gering. "Vor zehn Jahren noch hatte man bei einer Profi-Karriere viel mehr Perspektiven", weiß der 31-jährige Mössner zu berichten. Die Jugendregelung (mindestens vier U-22-Spieler müssen auf dem Spielbericht stehen)sorgt dafür, dass junge und sehr billige Spieler Verträge erhalten, bessere Spieler manchmal daher auf der Strecke bleiben. Überall regiert der Sparstift.

Bedrückendes Schweigen im Seminarraum. Stockinger: "Umso wichtiger ist es, dass ihr alle eine Ausbildung habt." Und schon regte sich Widerstand. Wie studieren, wenn man für einen Erste-Liga-Klub spielt und mindestens ein Mal pro Woche querdurch Österreich fährt? Stockinger gab zu: "Ein Vollzeitstudium ist neben einer Profi-Karriere nicht möglich. Aber es gibt Alternativen." In verpflichtenden Einzelgesprächen wurde diese den Spielern auch erläutert, damit sie später nicht eine Statistik bestätigen: 47 Prozent der über 30-jährigen Fußballer in Österreich haben keine Ausbildung! Stockinger spricht zu Recht von einer erschreckenden Zahl.

Gar nicht erschreckend verlief das erste Spiel bei der Arbeitslosen-EM. Die Truppe von Ex-Bundesliga-Coach Paul Gludovatz gewann nach einem 1:1 (Tor von Nacho Casanova) das Elferschießen und spielt nächsten Freitag in Belgien.

Die VdF-Kicker: Peter Hlinka (letzter Verein Wacker Innsbruck), Cem Atan (St. Pölten Ama.), Gerald Peinsipp (Horn), Lukas Mössner (FAC), Mario Kröpfl (Horn), Nacho Casanova (Horn), Serkan Ciftci (Otelul Galati), Uwe Kropfhofer (Neusiedl), Andreas Gradinger (Amstetten), Ervin Bevab (Austria Klagenfurt), Martin Kraus (Austria Klagenfurt), Kelwin Nwamora (Kapfenberg), Sandro (St. Pölten), Atilla Erel (Hatayspor), Mark Prettenthaler (Wr. Neustadt), Salihu (Post SV), Martin Demic (FAC).

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