Baumgartlinger: "Wir haben keine Angst vor irgendwem"

Baumgartlinger: "Wir freuen uns alle auf Frankreich, das wird eine lässige Zeit."
Julian Baumgartlinger knapp vor der EURO über die Erwartungen, seine Situation und warum er nicht Ronaldo ist.

Seine Kollegen beneiden ihn für seinen Körper, obwohl sie selbst durchtrainiert sind, als würden sie soeben der Kraftkammer entspringen. "Adonis" nennen ihn manche, andere bezeichnen den Körper von Julian Baumgartlinger "wie aus Stein gemeißelt". Der Salzburger ist Profi durch und durch, seine Fitness gehört zu seinem Beruf.

Im Nationalteam hat sich Baumgartlinger spätestens während der vergangenen Qualifikation unverzichtbar gemacht, auf Klubebene hat er sich als Kapitän von Mainz dermaßen in den Vordergrund gespielt, dass er noch vor der EURO bei Leverkusen unterschrieben hat.

KURIER: Sie sind fit und haben bei Leverkusen unterschrieben. Haben Sie den Kopf frei für das Wesentliche?

Julian Baumgartlinger: Ja. Ich glaube, ich hatte noch nie in meiner Karriere eine Situation, in der alles so klar war wie jetzt. Das tut mir sehr gut.

Merkt man schon die Anspannung? Es wird schön langsam ernst.

Ja, dieser Spannungsbogen, von dem ich beim Trainingslager in der Schweiz gesprochen habe, baut sich auf. Da merkt man, wie schnell eigentlich die Zeit vergeht. Wir waren in der Schweiz, dann in Klagenfurt, jetzt Wien und im Prinzip ist die Vorbereitung schon wieder vorbei. Es geht flott.

Rund um das Team hat sich eine riesige Euphorie aufgebaut. Flott spürt man bei den Fans dann auch eine Enttäuschung wie gegen Malta.

Die Erwartungshaltung ist eben sehr groß. Daran sind wir selbst schuld, die haben wir mit den Leistungen und der Qualifikation auch erzeugt. Es ist aber nicht fair zu erwarten, dass wir jetzt jeden Test mit 10:0 gewinnen. Nach dem Malta-Spiel haben wir uns fast rechtfertigen müssen dafür, dass wir gewonnen haben. Natürlich war es kein Spiel auf höchstem Level, das wissen wir. Wir verspüren diesen Druck. Und wenn du dann nicht zu 100 Prozent überzeugst, dann kommt eben so eine Reaktion heraus. Ich kann versichern, dass wir uns richtig einschätzen können.

Kann man das Spiel gegen Malta als Test für die erste EM-Partie gegen Ungarn betrachten?

Ehrlich, ich kann das nicht einschätzen, ob man Teams miteinander vergleichen kann. Noch wissen wir Spieler nicht genug über Ungarn, wir bekommen die Details noch in der Videoanalyse. Ich denke aber, dass das Niveau in der Gruppe hoch sein wird. Wer weiß also, ob die Ungarn defensiv agieren werden? Wir werden dann sehen, ob Malta ein guter Test war.

In wenigen Tagen heben Sie nach Frankreich ab. Der Trainingsplatz in Mallemort soll nicht in bestem Zustand sein. Beunruhigt?

Davon haben wir nicht viel mitbekommen. Nein, ich bin nicht beunruhigt. Wir freuen uns alle auf Frankreich, das wird eine lässige Zeit. Wir haben schon in der Vergangenheit ein paar Einblicke in die Planungen erhalten. Auch der Platz wird in Ordnung sein, wenn wir kommen.

Was wissen Sie jetzt schon über die drei Gruppengegner?

Wir haben Grundsätzliches schon besprochen, die Details kommen noch mit den Videos. Aber wir sehen ja alle durchaus fern. Und da sieht man einiges. Außerdem haben wir im Fernsehen die Testspiele der Gegner verfolgt.

Sie haben in der Schweiz auch das Champions-League-Finale und Ronaldo verfolgt. Ist es etwas ganz Besonderes, gegen ihn zu spielen?

Nein, ich bleibe dabei, was ich schon bei Ibrahimovic und Schweden gesagt habe: Viele von uns spielen Woche für Woche gegen Top-Stars. Mit dieser Erfahrung bleibt der Respekt, aber wir haben keine Angst vor irgendwem.

Aber Ronaldo ist neben Messi der Beste der Welt.

Ja, aber wichtig ist für uns, wie Portugal spielt. Das hat Priorität. Und dann schauen wir, wie Ronaldo innerhalb dieses Systems agiert. Hat er einen genialen Moment, werden wir ihn nur schwer verteidigen können. Aber wir werden alles versuchen, so wie gegen Ibrahimovic.

Sie haben – wie einige Ihrer Kollegen meinen – den besten Körper des Teams. Ronaldo ist auch nicht schlecht beisammen. Wieso posen Sie nicht so wie er?

Ich schieße nicht so viele Tore wie er, daher habe ich einfach keine Gelegenheit, mir das Leiberl vom Körper zu reißen (lacht). Aber es wäre so oder so nicht mein Ding. Selbst wenn ich ein Tor schieße, präsentiere ich nicht meinen Oberkörper, da fallen mir andere Dinge zum Jubeln ein.

Was wäre denn für das Team ein Erfolg bei der EURO?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Die Antwort wird sich im Laufe des Turnieres ergeben. Jetzt kommen erst einmal die Ungarn, dann sehen wir weiter.

Wann wäre für Sie persönlich die EURO ein echter Sommer-Hit?

Auch das kann ich schwer sagen. Schön wäre, wenn wir die Gruppenphase überstehen. Und dann warten wir, welches Los uns die K.-o.-Phase beschert.

Von Spiel zu Spiel denken ...

Stimmt. Mit diesem Motto sind wir in der Qualifikation schon sehr gut gefahren.

Nicht wenige Experten halten Sie für einen der wichtigsten, wenn nicht sogar für den wichtigsten Spieler dieses Teams. Was sagen Sie dazu?

Das freut mich, wenn das der Tenor sein soll. Aber ganz ehrlich: Wir sind als Mannschaft wertvoll. Es hat uns in der Qualifikation ausgezeichnet, dass wir alle auf einem hohen Niveau gespielt haben. Und dann waren vielleicht ein oder zwei Spieler in einem Match auf einem noch höheren Niveau. Aber es waren immer verschiedene.

Während der Woche in der Schweiz wurde für viel Abwechslung gesorgt. Was macht Sie sicher, dass in Frankreich nicht der Lagerkoller ausbricht?

Weil alles so schnell geht. Gerade waren wir noch in der Schweiz, jetzt hatten wir die zwei Testspiele, bald schon geht es nach Frankreich. Und dort sind wir plötzlich im Turnier mit Spielen alle vier Tage. Ganz im Gegenteil, wir werden zwischendurch sogar froh sein, wenn wir mal einen Abend frei haben.

Das Quartier liegt in der Provence. Was wissen Sie über die Gegend im Süden Frankreichs?

Es ist eine traumhafte Landschaft. Ich habe Dokus gesehen und darüber gelesen. Deshalb freuen wir uns ja auch, weil Teamchef Koller ein tolles Fleckerl ausgesucht hat. Es ist ihm immer wichtig, dass wir uns wohlfühlen.

Viele Ausflüge wird er den Spielern aber nicht genehmigen.

Allein schon wegen der Sicherheitslage, da muss man erst mal schauen, wie es dort abläuft. Wir haben beim Hotel ja zudem einen Sicherheitsdienst.

Ausbüchsen wird besonders schwer.

Wahrscheinlich (lacht). Aber unser Fokus liegt ja sowieso woanders. Wir haben eine hohe Professionalität, jeder ist ein erwachsener Mensch, hat eine Verantwortung und weiß, welche Regeln gelten.

Im Vorfeld der EM ist in den Medien der Terror ein ständiges Thema. Wie gehen Sie damit um?

Ich möchte nicht sagen, dass ich es wegschiebe. Ich vertraue einfach dem Veranstalter, den Politikern und den Sicherheitsbehörden. Das ist ein gewisses Ur-Vertrauen. Oft ist es nur ein fiktives Risiko, aber genau das will der Terror ja erzeugen. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem statistischen und dem gefühlten Risiko. Wir haben es nicht in der Hand.

Karriere

Julian Baumgartlinger (*2. Jänner 1988 in Salzburg) wechselte bereits mit 13 Jahren in den Nachwuchs von 1860 München. Bei den Löwen gelang ihm der Sprung in die Kampfmannschaft. Nach einem zweijährigen Gastspiel bei der Austria kehrte der defensive Mittelfeldspieler 2011 nach Deutschland zurück.

Nach fünf Jahren in Mainz wechselt der 45-fache Teamspieler im Sommer zu Champions-League-Starter Bayer Leverkusen.

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