Frankreich wird wahrscheinlich Europameister

Wiedersehenin Marseille? Bei der WM setzten sich die Deutschen gegen die Franzosen durch
Ein Innsbrucker Professor sieht den Gastgeber als Europameister und Österreich im Achtelfinale.
Von Uwe Mauch

Im ersten Halbfinalspiel am 6. Juli in Lyon werden die Teams von England und Spanien aufeinandertreffen, einen Abend später im Stade Vélodrome in Marseille Deutsche gegen Franzosen spielen. So lautet die Prognose von Universitätsprofessor Achim Zeileis vom Institut für Statistik der Universität Innsbruck.

Eine Prognose, nicht von Orakel-Tieren oder billigen Handauflegern erstellt, sondern von honorigen Akademikern mit einer gewissen Erfolgsgarantie: Zeileis und seine Wiener Forscherkollegen Christoph Leitner und Kurt Hornik von der Wirtschaftsuniversität Wien haben 2008 die beiden Finalisten der EURO in Österreich und der Schweiz vorausgesagt. Dann sahen sie Spanien in weiser Voraussicht 2010 als Weltmeister und 2012 als Europameister. Und bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren sagten sie immerhin drei der vier Halbfinalisten richtig voraus.

Kein zweites Cordoba

"Unsere Prognosen basieren auf einem komplexen statistischen Rechenmodell", erläutert Zeileis. Für das bevorstehende Turnier habe er die Buchmacher-Daten (Stand: 22. Mai) von 19 größeren und kleineren Wettbüros in seine Rechenmaschine eingegossen. Und diese hat dann alle Resultate hunderttausendfach durchgekaut und damit einen wahrscheinlichen Turnierverlauf errechnet.

Der Statistiker geht davon aus, dass die Quoten der Wettbüros relativ realistisch sind: "Immerhin wollen sie damit Geld verdienen. Bevor wir ihre Quoten für unsere Berechnungen verwenden, müssen wir noch die Gewinnaufschläge abziehen."

Zeileis beschreibt diese Methode als Buchmacher-Konsensus-Modell. Nach der aktuellen Berechnung wird Gastgeber Frankreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 21,5 Prozent Europameister. Allerdings sei die Rechnung niemals ohne seine deutschen Landsleute zu machen (20,1 Prozent). Zum Vergleich: Für Österreich stehen nur 2,3 Prozent zu Buche.

Während der EURO wird der Statistiker, der in Paderborn geboren wurde und seit 16 Jahren in Österreich lebt, mehr als einen Daumen drücken: "Bei einem Spiel Österreich gegen Deutschland, das im Achtelfinale möglich wäre, würde ich zu jener Mannschaft halten, die den leidenschaftlicheren Fußball bietet", erklärt Zeileis. Allerdings wird er auch hoffen, dass seine Prognose aufgeht: Und die sieht nicht das Koller-Team, sondern Schweinsteiger und Co. weiterkommen.

Mit einer Gewinnwahrscheinlichkeit von 73 Prozent stehen die Chancen für das DFB-Team mehr als nur gut. Nach Adam Riese würde es somit kein Córdoba in Frankreich geben. Der Statistiker relativiert: "Von einer hundert Prozent sicheren Prognose sind wir aber weit entfernt. Wir Statistiker liefern nur Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten. Die Faszination des Fußballs lebt nicht zuletzt von seinen Unwahrscheinlichkeiten."

Das Vorbild für diese Art der Fußball-Wahrscheinlichkeitsrechnung ist in der Wirtschaft zu finden. "Dort bewerten Kreditinstitute schon seit vielen Jahren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Großkunden ihre Kreditraten zurückzahlen", erklärt der 40-jährige Hochrechner. "Der Kollege Leitner hat dann vor der Heim-EURO die Idee gehabt, das Rechenmodell auf den Fußball zu übertragen." Keine schlechte Idee: Die Endrunden seit 2008 strafen ihn zumindest nicht Lügen.

Aufstieg ins Achtelfinale

Und die Chancen der Österreicher in der Vorrunde? Im ersten Gruppenspiel gegen die Ungarn liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit bei 63 Prozent, gegen die Portugiesen nur noch bei 44 Prozent und gegen die Isländer immerhin bei 56 Prozent. Der Aufstieg ins Achtelfinale, der auch als einer der besten vier Drittplatzierten möglich ist, wurde mit immerhin 75,7 Prozent berechnet. Dann wird die Luft laut Prognose dünn und immer dünner.

Aufstieg ins Viertelfinale: 34,9 Prozent; Aufstieg ins Halbfinale: 15 Prozent; Aufstieg ins Finale: 6,1 Prozent.

Professoren in Frankfurt und Dortmund halten sich nicht so lange mit den Zwischenrunden auf. Sie interessiert viel mehr, ob ihre Deutschen den Pokal holen. Auf der Seite Fußballmathe.de wird eine Zahl von 14,39 Prozent genannt. Ohne Gewähr: Die Schwankungsbreite ist bei so einem großen Fußballturnier größer als bei Wetter-, Wahl- und Finanzprognosen.

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