Matthäus: "Ich hätte bei uns gerne Alaba"

Lothar Matthäus über Weltmeister Deutschland, Guardiola und das ÖFB-Team.

Lothar Matthäus ist ein gefragter Mann. Ob als Experte bei Sky, als Testimonial oder als Ehrengast bei der Meisterfeier des FC Bayern am Samstag. Sogar in seinem Urlaub ist der deutsche Welt- und Europameister ständig am Ball. Im Sporthotel Stock im Zillertal nahm sich der ehemalige Rapid-Coach und Teamchef von Ungarn Zeit für einen Fußballtalk. Also sprach Lothar Matthäus über...

... seine EM-Favoriten: "Ich habe drei Top-Favoriten: Den Weltmeister, den Gastgeber – und Belgien. Ich denke, dass man die Belgier auf der Rechnung haben muss, die waren nicht von ungefähr so lange die Nummer eins in der Weltrangliste. Und sie haben so viele Spieler bei Topklubs."

... Deutschlands Entwicklung seit der WM: "Die EM-Qualifikation war durchwachsen und mehr schlecht als recht. Aber es ist normal, dass nach so einem riesigen Erfolg die Spannung erst einmal nachlässt. Außerdem hat die Mannschaft einige wichtige Spieler verloren. Das Team musste sich erst wieder neu finden, da ist sicher noch Luft nach oben."

... den WM-Siegtorschützen Mario Götze: "Götze und der FC Bayern – das hat einfach nicht funktioniert. Ich habe bei ihm vermisst, dass er dort den Ellbogen ausgefahren hat. Auch mit der Körpersprache einmal zu sagen: ,Hey, ich bin auch noch da!‘ Aber nein, den siehst du einfach nicht. Mario Götze hat im Nationalteam aber immer wieder gezeigt, wozu er eigentlich imstande ist. Wenn er das Vertrauen des Trainers genießt. Bei Pep Guardiola hatte er das nicht, bei Joachim Löw hingegen schon."

... Bundestrainer Joachim Löw:"Er findet die richtige Mischung und überlässt seinen Spielern auch Selbstverantwortung. Wenn du als Spieler das Vertrauen merkst, dann gibst du auch gerne etwas zurück. Dann missbrauchst du das auch nicht. Das erinnert mich an Franz Beckenbauer. Bei Berti Vogts war das ganz anders, der hat alles kontrolliert. Der ist nachts zur Rezeption gegangen und hat sich die Telefonrechnungen der Spieler angesehen. Da denkst du dann auch: ,Hallo, warum soll ich für den durchs Feuer gehen?‘"

... den Einfluss von Pep Guardiola auf den deutschen Fußball: "Er hat vieles verändert, er hat die Bundesliga vielleicht auch international interessanter gemacht. Aber er wird nicht so lange im Gespräch bleiben. Die Liebe und Anerkennung, die etwa ein Hitzfeld, Heynckes oder Lattek bei den Fans genossen haben, die hatte er nie. Ich hatte auch das Gefühl, dass sein Deutsch von Jahr zu Jahr schlechter geworden ist. Der Abgang von Pep ist eine Chance."

... die Probleme der deutschen Nationalmannschaft auf den Außenverteidigerpositionen: "Man könnte jetzt sagen, wir haben dort keine Probleme, wir sind ja Weltmeister geworden. Ich gebe es zu: Ich hätte bei uns gerne einen wie David Alaba. Der ist für mich mit Abstand der beste Linksverteidiger der Welt. Ich sehe ihn auch in Zukunft auf dieser Position, auch wenn ich weiß, dass er lieber im Mittelfeld spielen würde. Aber dort ist bei den Bayern kein Platz. Und bei Österreich muss er ja im Grunde im Mittelfeld spielen, wenn es links hinten einen Fuchs gibt, der englischer Meister geworden ist."

... eine EM-Teilnahme des verletzten Bastian Schweinsteiger: "Wenn er nicht rechtzeitig fit wird, dann macht es auch keinen Sinn, ihn mitzunehmen. Den Typen Schweinsteiger allein braucht man nicht. Wir haben bei der WM in Brasilien schon gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Da wurde er auch für die K.-o.-Spiele gebraucht – aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Erfahrung, seines Stellenwerts."

... die österreichische Nationalmannschaft: "Österreich hat eine Mannschaft, die sich sehen lassen kann. Was mich beeindruckt hat: Österreich spielt nicht nur erfolgreich, sondern auch attraktiv. Da war in der Qualifikation kein einziger Duselsieg dabei. Die österreichische Nationalmannschaft ist auf jeden Fall höher einzuschätzen als Ungarn und Island. Die Gruppe müssten sie also überstehen, ich glaube auch, dass es Österreich ins Viertelfinale schaffen könnte. Für den Titel wird es nicht ganz reichen."

Joachim Löw und die EURO, das war bisher noch keine echte Liebesbeziehung. 2008 war der Bundestrainer im Duell mit Österreich – wie auch Josef Hickersberger – auf die Tribüne verbannt worden und fand im Finale in Wien in Spanien seinen Europameister. 2012 wurde er nach dem Semifinal-Aus gegen Italien sogar infrage gestellt und musste sich harsche Kritik gefallen lassen.

Und 2016? Nach den Rücktritten einiger Leistungsträger (Lahm, Mertesacker, Klose) befindet sich das Team etwas um Umbruch, dazu sind einige wichtige Spieler verletzt (Gündogan, Schweinsteiger).

KURIER-Prognose: Die Deutschen werden wieder weit kommen, für den Titel wird es aber erneut nicht reichen.

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