Verdrehte Verhältnisse

Jennifer Zhang studiert an der University of Bath Architektur. Auch in diesem Studium haben mittlerweile Frauen die Nase vorne...
Frauen an der Uni. Vor 120 Jahren noch wegen "zerebraler Unterkapazität" vom Studium ausgeschlossen, stellen sie heute an vielen Unis die Mehrheit – nur noch nicht in der Technik.

"Meine Mutter hat immer gesagt, dass Architektur ein totaler Männerjob ist", erzählt die 18-jährige Jennifer Zhang. "Deshalb hat es mich so gewundert, dass es an meiner Uni eigentlich mehr Mädchen als Burschen gibt." Ja, die Zeiten haben sich geändert. Frauen haben sie verändert. Und an Österreichs Hochschulen sind – jedenfalls unter Studierenden – Frauen heute in der Überzahl. Laut Statistik Austria studieren derzeit 203.912 Frauen aber nur 171.999 Männer. Die nährende Mutter hat die Potenziale ihrer Töchter erkannt – oder umgekehrt?

An fast allen Universitäten stellen Frauen die Mehrheit – und das auf allen vier Studienebenen von Bachelor, Lehramt, Master und Doktorat. Im Studienjahr 2013/ 2014 haben laut einem Bericht der Universität Wien sogar um ein Drittel mehr Frauen als Männer (67 Prozent versus 33 Prozent) das Masterstudium absolviert.

Die Anfänge

Das war nicht immer so. Als im Jahr 1897 die philosophische Fakultät in Wien ihre Tore auch für Studentinnen öffnete, sah das Verhältnis ganz anders aus. Eine Studentin kam auf 183 Studenten und noch sträubten sich viele gegen die Zulassung von Frauen zum Studium. Grund dafür war ihre angebliche "zerebrale Unterkapazität". Es kostete viel zerebrale Kraft, im Laufe des 20. Jahrhundert die Zulassung von Frauen an allen Fakultäten zu erwirken. Noch in den Siebzigern beschrieb die Frauenbewegung Unis als "Hochburgen des Patriarchats". Erst Anfang der 1980er-Jahre war der Pfad für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen an den meisten österreichischen Universitäten geebnet. Heute schlägt das Pendel langsam in Richtung mehr Weiblichkeit aus.

Neue Zeiten

Natürlich gibt es weiterhin prototypische Männer- und Frauenstudien. Bei der Aufnahmeprüfung für Ernährungswissenschaften Anfang September bekam man kaum einen Mann zu Gesicht. In Japan verklagte ein angehender Diätspezialist die Fukuoka Women’s University, die ihn aufgrund seines Geschlechts nicht zulassen wollte.

In technischen Fächern hingegen überwiegt der Männeranteil. Doch auch hier brechen langsam andere Zeiten an: Mittlerweile sind 40 Prozent der Mathematikstudierenden an der TU Wien Frauen. Erst vergangenes Jahr gelang es einer iranischen Mathematikerin, die Fields-Medaille zu gewinnen – als erster Frau in der 80-jährigen Geschichte der Medaille.

Auch Jennifer will in ihrem Beruf die Technik – zu ihren Lieblingsfächern an der Schule gehörten Mathematik und Physik – mit Kreativität verbinden. Darum hat sie sich entschlossen, Architektur zu studieren. Und sie darf sich als Frau zur Mehrheit zählen: 54 Prozent der Architektur-Studierenden sind weiblich.

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