Nicht für die Zukunft, für die Schule lernen wir

Was sollen die Schüler lernen, um die Welt von morgen zu verstehen?
Seit Jahrzehnten wird um die Form der Schule gestritten. Die weit brennendere Frage ist aber der Inhalt: Was sollen die Schüler lernen, um die Welt von morgen zu verstehen?

Lehnen Sie sich zurück und stellen Sie sich etwas Wunderschönes vor – nämlich, dass ganz, ganz plötzlich die Einigung über eine tief greifende Schulreform da ist.

Nach jahrzehntelanger Diskussion ist unerwartet der Kompromiss da, der gesucht wurde; die Umsetzung beginnt schon im kommenden Schuljahr. Das finden Sie zu schön, um wahr zu sein? Es ist aber leider das Gegenteil – nämlich nicht schön genug.

Soundtrack

Die Schulreform ist, wie der Donauwalzer, die Verwaltungsreform und die ORF-Debatte, so etwas wie der Soundtrack zur Zweiten Republik. Es wird seit Jahrzehnten darum gerungen, wie lange Kinder gemeinsam unterrichtet werden sollen, wann die Weichen für die Zukunft gestellt werden, wie die Ausdifferenzierung zwischen Berufs- und Allgemeinbildung ausschauen soll. Es geht, zumeist streng nach parteipolitischer Linie, um die Frage, ob eine Gesamtschule besser ist oder eine frühe Trennung. Ob Lehrer mehr Stunden in der Klasse verbringen sollen. Wie es mit der Tagesbetreuung aussieht (Stichwort: Ganztagsschule).

Es geht aber kaum darum, was die Schüler eigentlich lernen sollen. Und das ist ein Riesenproblem.

Eine einfache Rechenaufgabe: Die Schulreformdebatte läuft seit zumindest vier Jahrzehnten. Wenn, und damit kehren wir zum Eingangs-Wunschtraum zurück, die große Schulreform jetzt sofort umgesetzt werden würde, fängt die Uhr neu zu laufen an: Es ist zu erwarten, dass die nächste große Reform dann wieder lange auf sich warten ließe.

Das kann sie aber nicht. Denn die Lebensumstände werden sich in den kommenden 40 Jahren bei Weitem stärker verändern als in den vergangenen. Schon die Kinder, die jetzt in der Schule sind, werden radikal veränderte Lebensumstände vorfinden. Auf die sie nicht vorbereitet werden.

Automatisch

Ein Kind, das dieser Tage seine Einschulung hinter sich bringt, wird nach der Schule in eine Zeit entlassen werden, die ganz anders ist. Eine Zeit, in der u. a. die Computertechnik einen Großteil der heutigen Jobs erledigen können wird. Und zwar auch hochwertige Tätigkeiten wie Übersetzen, Rechtsauskünfte-Geben, Texte-Schreiben. Oder Buchhaltung, Aktienhandel, Logistik. Das ist eine immense Herausforderung sowohl für die berufsbildenden, als auch für die höheren Schulen – denn wie man einen Menschen auf diese Zeit vorbereitet, steht nicht im Lehrplan. Die Kreativität soll, so glaubt man derzeit, das sein, was der Mensch dann noch der Maschine voraus haben wird. Also genau das, woran immer mehr gespart wird.

Die Streitpunkte

Dass die Schule reformiert werden muss, ist das Einzige, worüber weitreichende Einigkeit herrscht. Dann aber zerbricht die Diskussion relativ strikt an den Parteilinien und Eigeninteressen. Es geht, im Groben, um Gesamtschule versus Förderung von Spitzentalenten, um die Arbeitszeit der Lehrer und um die Betreuung von Kindern am Nachmittag.

Reform per Kommission

Eine Reformkommission soll bis Ende des Jahres eine Schulreform auf den Weg bringen. Dort gab es zuletzt Turbulenzen: Die Landeshauptleute Erwin Pröll (ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ) haben die Reformkommission zu Beginn des Sommers verlassen. Dennoch will das Bildungsministerium bis November einen Vorschlag vorlegen.

Die Fronten

Es gibt viele Parteien mit eigenen Interessen, die auf die Schulreform Einfluss haben: Auf jede Änderung muss man sich mit Ländern, Schulpartnern, Gewerkschaft einigen. So ist vor allem die Arbeitszeit der Lehrer ein Konfliktpunkt, in dem eine Einigung nicht in Sicht ist. Auch die Aufteilung der Schul-Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist ein Knackpunkt für die gesamte Reform. Bisher hat sich die Regierung u. a. über sechs Zusatzstunden bei der Neuen Mittelschule geeinigt – ein Schritt hin zu mehr Autonomie, wie Bundeskanzler Werner Faymann betonte.

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