Hilfe für Schulen wird "Knochenarbeit"

Beim KURIER-Gespräch zum Thema Schule in Not war auch Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky dabei.
Jürgen Czernohorszky will Risikoschüler und Schulen besser unterstützen.

Es war kein leichter Start für den neuen Chef über 702 Wiener Schulen: Mitte Dezember trat Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky sein Amt an. Seither sieht er sich konfrontiert mit den sehr schwachen Ergebnissen der Deutsch-Tests der vierten Klasse und mit dem Faktum, dass die Zahl derer steigt, die die Schulpflicht beenden ohne ausreichend Deutsch, lesen, rechnen und schreiben zu können.

Eine Debatte darüber hatte eine KURIER-Reportage ausgelöst. Darin hatte die Direktorin einer Neuen Mittelschule in Wien erklärt, dass aufgrund von schweren Defiziten rund ein Drittel der Schüler nicht am Arbeitsmarkt vermittelbar sein werden. Czernohorszky besuchte die Schule am vergangenen Freitag – was will er ändern, wie kann man helfen?

"Wir hatten ein langes, intensives, positives Gespräch mit der Direktorin und einigen Lehrern", erzählt der Stadtschulratspräsident im Gespräch mit dem KURIER. "Es geht um Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Wir haben viel über den Ist-Zustand gesprochen, aber auch über Ansätze und Projekte, wie man der Schule helfen kann."

Schließlich ist die NMS in der Gassergasse kein Einzelfall. Denn: "Die Schulen stehen in der Welt, und die Welt widerspiegelt sich in den Schulen", sagt Czernohorszky. Die Wiener Volksschulen hätten beim Deutsch-Test nicht besser und nicht schlechter abgeschnitten als Schulen anderer österreichischer Städte über 100.000 Einwohner. "Da geht es Wien nicht anders als anderen Millionenstädten."

Aber was soll geschehen? Erstens, und damit richtet er einen Appell an den Bund, brauche er mehr finanzielle Ressourcen. "Es muss bei der Mittelzuteilung über den Finanzausgleich berücksichtigt werden, dass die Herausforderung in den Städten ungleich größer ist. Das gilt für alle Schulen, die in Wien einen hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache haben, und wo Kinder schwierige soziale Lebensrealitäten oder Sprachschwierigkeiten haben."

Zweitens seien alle gefragt, " Knochenarbeit" zu leisten – die Schule, die Schulaufsicht und auch der Stadtschulrat. "Es gibt immer Spielräume für Schulentwicklung. Wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen und schauen, was wir machen können." Konkret werde überlegt, wie man am Standort den Unterricht besser in Modulen gestalten könne, "weil es derzeit unter den Kindern einer Klasse zu große Leistungsunterschiede gibt. Eine modulares System lassen die Schulgesetze derzeit auch zu. Ich bin überzeugt, dass das klappt."

Sozialarbeiter

Bereits beschlossen sei, dass die Stadt Wien rund einhundert zusätzliche Mitarbeiter wie Schulsozialarbeiter und Psychologen bereitstellen wird. "Das haben wir uns sehr lange vom Bund gewünscht, jetzt tritt die Stadt dafür in Vorlage. Davon wird auch die Gassergasse profitieren. Es ist ja vor allem eine Herausforderung für Sozialarbeiter, wenn Kinder in der Früh nicht in die Schule kommen."

Für jene Schule in Wien- Margareten ist zudem eine Kooperation mit einer weiterführenden berufsbildenden Schule geplant. "Damit kann es eine bessere Anbindung geben."

Eine Änderung soll es auch bei der als "Förderung 2.0" bekannt gewordenen Nachhilfe geben. "Die wird von der Stadt Wien ja im großen Stil finanziert. Es geht um 200 zusätzliche Nachhilfelehrer. Auch davon werden die Schulen profitieren, die vor besonderen Herausforderungen stehen. Mit der Direktorin haben wir vereinbart, dass künftig diese Nachhilfe auch am Vormittag stattfinden kann."

Der Stadtschulratspräsident erwartet sich aber auch viel von der geplanten Bildungsreform: "Dort werden die richtigen Schritte gesetzt. Mir wäre wichtig, dass die einzelnen Reformpakete jetzt rasch umgesetzt werden und nicht auf dem Altar irgendwelcher Bundesländer-Interessen geopfert werden. Das ist nämlich leider das Bild, dass sich bisher in der Diskussion zwischen Bund und Ländern zeigt. Wir können nicht immer Reformen paktieren und nachher infrage stellen. Besonders in der ÖVP gibt es da sehr blockierende Akteure. Das können wir uns aber schon lange nicht mehr leisten."

Zu viele Schüler können zu wenig. Was muss sich ändern? Darüber wurde beim KURIER-Gespräch am Dienstag im Raiffeisenforum diskutiert. Anlass für die Debatte war eine Aussage der NMS-Direktorin Andrea Walch von der Gassergasse in Wien: "Ein Drittel der Schüler wird sein Leben lang von der sozialen Sicherung leben, weil sie mit vielen Problemen in die Schule kommen: Unsere Lehrer werden zu Ersatzeltern. Sie gehen mit Kindern zum Arzt oder begleiten sie zu Vorstellungsgesprächen. Die Eltern können oder wollen die Aufgaben nicht wahrnehmen."

Da bleibt wenig Zeit, um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Solche Zustände sind keine Ausnahmen, wie Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorsky berichtet: "57 Prozent der Wiener Schulen haben Kinder mit hoher bzw. sehr hoher sozialer Benachteiligung. Ganz anders in den Bundesländern: In Niederösterreich sind das 8 Prozent, im Burgenland 0 Prozent."

Er fordert deshalb, dass es für diese Schulen mehr Ressourcen geben müsse. Das sieht auch der Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger so: "Auch wenn es so kolportiert wird: Unser Schulsystem ist nicht teuer. Österreich gibt 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür aus – der OECD-Schnitt liegt bei 3,9 Prozent. In Euro macht das einen Unterschied von einer Milliarde Euro. Damit können wir viele Probleme lösen." Doch nicht nur am Geld mangele es: "Schulen sind zu sehr am Gängelband der Behörden. Wir brauchen die pädagogische Freiheit."

Wichtigster Job

In Ballungszentren seien gute Ganztagsschulen wichtig, betonte Czernohorsky, der den Lehrern Rosen streute: "Sie machen den wichtigsten Job in unserer Gesellschaft und brauchen unsere Unterstützung." Wie wichtig qualifiziertes Personal an Schulen ist, bestätigte Paul Scharner, der als Fußballer und fünffacher Vater auf seinen Stationen viele Schulsysteme kennengelernt hat, etwa in Norwegen oder Deutschland.

Bei den Wortmeldungen der Zuhörer wurde eines deutlich: Viele fürchten sich vor der Abschaffung der Sonderschulen. Besonders Eltern von Kindern mit Behinderungen wollen, dass diese bestehen bleiben.

Ute Brühl, KURIER

Wer ein Haus baut, beginnt mit dem Fundament, und das Fundament der Bildungsreform der Regierung, so wurde erklärt, ist die Schulverwaltungsreform. Geplant ist das Ende der neun Landesschulräte, sie sollen in neun Bildungsdirektionen umgewandelt werden. Vorgestellt wurden die Eckpunkte der Reform vergangenen November. Seither – seit 142 Tagen – wird zwischen Bund und Ländern und SPÖ und ÖVP weiterverhandelt, offenbar weil bei der Präsentation der Eckpunkte viel zu viele Details offen gelassen wurden, über die jetzt teils heftig gestritten wird.

Aus der Not heraus wollen SPÖ-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer nun das Schulrechtspaket vorziehen. Der Entwurf geht heute, Donnerstag, in Begutachtung ins Parlament.

Konkret geht es um drei Schwerpunkte:

Sprachförderung "Sprachstartgruppen" werden zusätzlich zu den Sprachförderkursen gesetzlich verankert. Geplant ist eine "Testung" am Anfang und am Ende der Gruppe, ein Mindestniveau muss erreicht werden.

Schuleingangsphase Um eine punktgenaue Förderung von Anfang zu ermöglichen, müssen die Eltern alle Informationen vom Kindergarten bei der Schuleinschreibung mitbringen. Derzeit dürfen per Gesetz die Kindergärten keine Infos über die Kinder (Defizite und Stärken) an die Volksschulen weitergeben.

Ziffernnoten auf Wunsch Am Schulstandort wird entschieden, ob statt Ziffernnoten in den ersten drei Klassen der Volksschule eine alternative Leistungsbeurteilung eingeführt wird oder nicht. Ausnahmen auf Wunsch der Eltern sind nicht vorgesehen.

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