Mit Brigitte Bardot auf Capri

Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita
Ein Kaleidoskop magischer Momente. In der vielleicht stimmungsvollsten Kulisse der Welt. Mit der nackten Bardot und kirschgroßen Saphiren, Capri-Cabrios und einem Leoparden an der Leine.
Mit Brigitte Bardot auf Capri
Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita
Liebst du meine Brüste – oder nur deren Spitzenwill Brigitte Bardot in Jean-Luc Godards „Die Verachtung“ von ihrem Liebhaber wissen, dem erfolglosen Krimiautor Paul. Michel Piccoli antwortet schlicht und belanglosIch weiß nicht...

In einem schlichten und belanglosen Film, in dem das Begehren der Zuschauer nur durch schöne Lichtspiele der Natur erfüllt wird. Als der Produzent die erste Fassung des Films sah, wurden der Regisseur und BB nach Capri zurückgeschickt: Gegen den Willen der Bardot musste Godard Nacktszenen nachdrehen … Vor 53 Jahren noch eine Sensation. Frustriert kaufte sich BB Hosen in sechs verschiedenen Farben. Alle waren zu lang, weil die 165 cm kleine Bardot privat immer nur barfuß oder in flachen Ballerinas ging. Sie schnitt die Hosen einfach ab – etwas zu kurz. Die Capri-Hose war kreiert.

Capri. Die vielleicht stimmungsvollste Kulisse der Welt. Ein nur zehn Quadratkilometer kleiner mondäner Mikrokosmos der Kontraste. Ein Kaleidoskop bleibender Eindrücke. Ein kleines Welttheater zwischen Himmel und Meer. Für den russischen Dichter Turgenjew die Inkarnation der Schönheit.

Mit Brigitte Bardot auf Capri
Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita

Auch der deutsche Stahlbaron Friedrich Alfred Krupp war, als er 1898 erstmals Capri betrat, sofort von der Atmosphäre der Insel besessen. Krupp, schwarzes Schaf der Industriellen-Familie, war unvorstellbar reich, von schwächelnder Gesundheit – und latent unglücklich. Hier hoffte er, wieder seine Mitte zu finden. Er ließ die Villa Krupp erbauen – und eine eigene Straße hinunter zum Liegeplatz seiner Mega-Yacht in der Marina Piccola. Ein kurvenreiches Kunstwerk, für das die Capresen dem Kanonen-König noch heute dankbar sind. Ein skandalöser Artikel der neapolitanischen Zeitung Il Mattino vertrieb ihn aus seinem Garten Eden: Man unterstellte ihm Orgien mit jungen Fischern. Capri hatte nicht erst im 19. Jahrhundert den Ruf eines Dorados der homosexuellen Bohème … Der laszive junge Herr aus dem hohen Norden war die ideale Figur für fragwürdige Gerüchte. Schließlich wusste man von geheimnisvollen, ausufernden Festen in einer Meeresgrotte unterhalb der Villa Krupp. Friedrich Alfred ging nach Essen zurück, wo er nach wenigen Monaten an gebrochenem Herzen starb.

Mehr als 10.000 Fremde täglich

Heute lebt die Insel im Golf vor Neapel von Tagestouristen, die von Reiseführern mit ihren gegen den Himmel gestreckten Schirmen in wenigen Stunden über die Insel gezerrt werden: Capri in six hours! Mehr als 10.000 Fremde überfallen Capri Tag für Tag. Im Stakkato. Alle 15, 20 Minuten kommen sie mit den Aliscafi, den Booten aus Amalfi, Ischia, Positano, Sorrent und Neapel. Zu der berühmtesten Höhle der Welt, der Grotta Azzura, der blauen Grotte, den bizarren Faraglioni-Felsen, der verwunschen wirkenden Villa San Michele, die Axel Munthe Endes des 19. Jahrhunderts auf den Ruinen einer Kapelle erbauen ließ. 1929 schrieb der schwedische Autor und Modearzt hier in Anacapri, der oberen Stadt, seine eitle Biografie. Und löste einen Capri-Boom aus.

Der ehemalige Salon der Dichter, Denker und Magnaten ist seit damals ein Magnet für Touristen, die sich Axel Munthes simple Kalendersprüche wie Die Seele braucht mehr Platz als der Körper zu Herzen nehmen. Im weitläufigen Garten der Villa, der von André Heller stammen könnte, träumen die Besucher von einem besseren Dasein – während sie den prächtigen Hintern einer Gips-Sphinx, die Richtung Sorrent hinüberschaut, tätscheln.

Bei der kurzen Rast mit Limoncello, dem picksüßen Zitronenlikör, wird von all den prominenten Gästen Capris berichtet: Heute sieht man Lady Gaga, George Clooney und Julia Roberts durch die elegante Via Camerelle schlendern. Der 1,5 Milliarden Dollar schwere Nobelschuster Diego Della Valle und der Agnelli-Clan rauschen im Helikopter an. Die Erben der Tiroler Kristall-Dynastie Swarovski lassen in ihrer Villa (inklusive mindestens vier Hunden und einem Ex-Finanzminister) den Herrgott einen guten Mann sein …

Später, beim Café in der Marina Piccola erzählt der rastlose Guida, der Fremdenführer, gerne auch von den Mythen, den Orgien der Antike. Julia, skandalumwitterte Tochter des römischen Kaisers Augustus, gab sich wüsten Exzessen hin. Für die Tafel sollen hochgiftige Muränen gezüchtet und Sexsklaven, die unwillig waren, serviert worden sein. Augustus war von Capri derart begeistert, dass er das viermal größere und wesentlich fruchtbarere Nachbareiland Ischia gegen die kleine Felseninsel eintauschte. Sein Stiefsohn und Nachfolger Tiberius ließ zwölf prunkvolle Paläste an den spektakulärsten Aussichtspunkten erbauen, darunter seinen Alterssitz, die Villa Jovis, und ernannte Capri, das ehemalige Eiland des Esels, zur Hauptstadt. Die letzten elf Jahre seines Lebens regierte er das Römische Reich von der kleinen Insel im Mittelmeer aus. Nicht ohne in den Villen und Meeresgrotten hemmungslose Orgien zu feiern. Ausgediente Lustknaben ließ der launische Monarch von einem 330 Meter hohen Kliff, dem Salto Tiberio, ohne lang nachzudenken ins Meer werfen.

Wenn Capri den Einwohnern gehört

Wenn dann am Nachmittag die von Geschichte und Geschichten vollgepumpten, erschöpften Tagestouristen wie Schafherden mit der funiculare, der Zahnradbahn, zu ihren Booten Richtung Festland gebracht werden, gehört Capri – zumindest bis zum nächsten Morgen – wieder seinen Einwohnern. Die Menschen diskutieren und philosophieren gestenreich, gönnen sich ein Gelato al Limone, die Möwen ziehen ihre erste Abendrunde über die Marina Grande. Und die Fremden, die über Nacht bleiben, geben sich einer der schönsten Beschäftigungen hin, der Auswahl des Restaurants für den Abend.

Mit Brigitte Bardot auf Capri
Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita

Vielleicht vorher noch eine kleine Spritztour. Ganz hinauf zum Panorama-Blick über die Insel. In blau/rot/violett-leuchtenden Farben. Im offenen Fiat 1500 L-Taxi in der längeren Luxusausführung President hat der Sonnenuntergang seinen großen Auftritt. Wie auch das Cabrio der Familie de Gregorio aus dem Jahre 1960 – und sein stolzer Chauffeur. Padre Pio und die Jungfrau Maria als Schutzengel am Armaturenbrett sind zum Glück bei den waghalsigen Fahrten durch die engen Straßen – mitunter schwebt man gefährlich über dem (schönen) Abgrund – immer dabei. Im letzten Oldtimer-Cabrio der Insel kommen Reminiszenzen an frühere Zeiten auf. Kleine Auto Bianchi-, Fiat- und Lancia-Modelle wurden einfach in der Mitte durchgeschnitten, in Pastellfarben lackiert, mit Korbsitzen und Sonnensegeln ausgestattet – und fertig waren die Capri-Cabrios.

Jetzt der Aperitif auf der Piazzetta, offiziell Piazza Umberto I genannt. Der Abend kann kommen. Im Salon von Capri. Auf der Bühne zwischen Kirche, Rathaus, Uhrturm und den pastellfarbenen Häusern. Das ewige Spiel von Sehen und Gesehenwerden geht los. In den vier Cafés wetteifern die eleganten Herren in ihren cremefarbenen Blazern um die Gunst der Gäste. Noch bevor die Bestellung ausgesprochen ist, landen Berge von Oliven, Mandeln, Käsewürfeln, Schinken-Sandwiches und Taralli – Knabber-Gebäck aus Apulien – auf den Tischchen. All das wird sich auf ein üppiges Trinkgeld auswirken – hoffen zumindest die Kellner …

Mit Brigitte Bardot auf Capri
Vintage photo frame with figured edges, on white background

Wie früher.Als Nietzsche und Rilke, Brecht und Werfel, Gorki und Lenin, für den man sogar eine Marmorstatue errichtete, hier waren. Camus und Cocteau. Und Legionen von Malern. Die manchmal von Muse Peggy Guggenheim begleitet wurden. Aber gerne erinnern sich die eleganten Kellner der Piazzetta auch an die goldene Zeit von Capri, an Onassis und Jackie Kennedy. An all die Paradiesvögel des Jet Set. An die Luftschlösser der Exzentriker, den frivolen Müßiggang. Als der müde Mond, La Luna Caprese, früher zur Ruhe kam als die vergnügungssüchtigen Party-Tiger.

Geschichten vom Scheich

Und gerne wird vom Scheich erzählt, der zu Beginn der 1960er-Jahre in einem Schiffscontainer seinen Ferrari 250 GTO – von dem nur 36 Exemplare erzeugt wurden – auf die Insel bringen ließ. Um an der ein paar hundert Meter kurzen Marina Grande von Eissalon zu Eissalon absurde Runden zu drehen. Oder dem Mailänder Milliardär, der mit seinem Leoparden an der Leine durch die schmalen Gassen promenierte. Oder dem Immobilien-Tycoon aus Texas, der bei den Juwelieren von Capri gern gesehen war – er orderte kirschgroße Saphire als Souvenir für die ständig wechselnden Geliebten in den Staaten. Die wirklich Reichen und Einflussreichen blieben immer auf ihren Yachten, in ihren Villen, oben, hoch über dem Meer. Man erkannte sie daran, dass man sie nie zu sehen bekam.

Mit Brigitte Bardot auf Capri
Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita

HOTELS
Grand Hotel Quisisana
Seit 1845 Capris erstes Haus. Eine Oase des Luxus. Auf der legendären Terrasse des 5-Sterne-Hotels beobachtet man das Promenieren prominenter und nicht so prominenter Gäste. Eines der teuersten Hotels Italiens, Europas. Wer sich’s leisten kann und will, genießt die einzigartige Atmosphäre. Als kleine Aufmerksamkeit sendet die Direktion alle paar Jahre – statt Blumen – Reptilien an Stammgäste: bunt-schillernde Eidechsen, die nur auf Capri vorkommen.
www.quisisana.com

Punta Tragara
Die ehemalige Villa der adeligen Familie Manfredi wurde 1920 errichtet und später vom Architekten Le Corbusier umgebaut. Heute ist dieses Hotel wegen seiner einzigartigen Lage mit freiem Blick auf die Faraglioni-Felsen sehr beliebt – und fast immer ausgebucht.
www.hoteltragara.com

La Scalinatella
In den 30 Zimmern des intimen Boutique-Hotels werden Träume wahr. Behaupten zumindest die Besitzer, die Familie Morgano. Fest steht: Man findet auf Capri kaum einen gediegeneren Platz fernab des Trubels als hier an der Via Tragara.
www.scalinatella.com

Villa Sarah
Ein Geheimtipp: Umgeben von einem gepflegten Garten und Olivenbäumen, ist dieses seit mehr als 50 Jahren familiär geführte 3-Sterne-Hotel der ideale Platz, um nach Erlebnissen in crowdy Capri zur Ruhe zu kommen. Kleiner Pool. Günstige Preise.
www.villasarahcapri.com

Mit Brigitte Bardot auf Capri
Michael Horowitz / Künstlerkolonie Monte Verita

RESTAURANTS
Villa Brunella
Hier genießt man vielleicht den schönsten Blick auf das abendliche Treiben der Insel. Während man bei Kerzenlicht diniert. Hausgemachte Pasta, frische Fische, fantasievolle Dessert-Kreationen.
www.villabrunella.it

Trattoria Il Solitario
Ein einfaches Restaurant mit kleinem Garten in Anacapri. Zu empfehlen: Gemischte Antipasti, Pizza und immer frischer Fisch.
www.trattoriailsolitario.it

Paolino
Das kulinarische Paradies unter einem Himmel von tausenden Zitronen. Seit 40 Jahren trifft man hier, in einer ehemaligen Landwirtschaft, Prominenz, die etwas von Gastlichkeit und Essen versteht. Von den Agnellis bis Tom Cruise. Das Capri-Dinner wird zum einzigartigen Erlebnis.
www.paolinocapri.com

BEACH-CLUBS
La Canzone del Mare
Während der 1950er-Jahre von der britischen, exzentrischen Entertainerin Gracie Fields gegründet. Seit damals gehört dieser Beach Club zu den absoluten Hot-Spots auf Capri. Atemberaubender Blick. Private Feiern werden organisiert.
www.lacanzonedelmare.com

La Fontelina
Im Schatten der Faraglioni-Felsen liegt dieser angesagte Beach-Club. Der mühsame Abstieg ans Meer lohnt sich. Man schwimmt in einem sicheren, abgegrenzten Bereich.
www.fontelina-capri.com

HOCHZEITS-PLANER
Capri Wedding
Immer mehr Verliebte wollen hier – fast im Paradies – heiraten. In der blauen Grotte, zwischen den Faraglioni-Felsen oder auf einer Luxusyacht.
www.capriwedding.com

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