Westbahn fordert ÖBB heraus

Westbahn fordert ÖBB heraus
Der Miteigentümer der privaten Westbahn, Strabag-Boss Hans-Peter Haselsteiner, im Streitgespräch mit ÖBB-Chef Christian Kern.

In zwei Wochen tritt die private Westbahn auf der Schiene gegen die ÖBB an. Im KURIER traten Westbahn-Miteigentümer Hans-Peter Haselsteiner und ÖBB-Boss Christian Kern zum Duell der Worte an.

KURIER: Auf der Bahn gibt es im Personenverkehr erstmals Wettbewerb. Üblicherweise unterfährt der Newcomer den Platzhirsch mit den Preisen. In diesem Fall beklagen Sie sich, Herr Haselsteiner, dass der Wettbewerber zu billig ist und sehen einen Spielraum bei den Ticketpreisen von einem Drittel nach oben. Ist Österreich das erste Land, in dem Bahnfahren durch Wettbewerb teurer wird?
Hans-Peter Haselsteiner und Christian Kern:
(sehen einander an, zehn Sekunden lang Schweigen).
Haselsteiner: (lacht.) Betretenes Schweigen ...
Kern: An wen ist die Frage gerichtet?

An beide Herren.
Kern:
Zuerst einmal empfinden wir es als großes Kompliment und sind stolz , dass wir unseren Kunden attraktive Preise bieten. Wir fühlen uns da absolut bestätigt. Aber selbst wenn die Preise steigen, wären wir historisch betrachtet nicht das erste Land. Wenn Sie sich etwa die Liberalisierungsexperimente in Großbritannien anschauen, und dort einmal mit der Bahn gefahren sind, wissen Sie, dass das Preisniveau doppelt so hoch und da Serviceniveau halb so hoch ist wie in Österreich. Dass Wettbewerb zwangsläufig zu niedrigeren Preisen führt, ist in anlageintensiven Versorgungsunternehmen keineswegs die Regel, eher ein Vorurteil.
Haselsteiner: Ich glaube, Großbritannien ist ein schlechtes Beispiel. Dort hat es ja nicht Wettbewerb gegeben, sondern eine Privatisierung. Der öffentliche Monopolist wurde von einem privaten Oligopol verdrängt. Und das hat ordentlich zugelangt.

Kommen wir nach Österreich zurück ...
Haselsteiner:
Objektiv gesehen sind die Ticketpreise in Österreich im europäischen Vergleich sehr niedrig. Das Drittel ist ja nicht aus den Fingern gesogen, sondern ergibt sich aus einem Vergleich mit den Nachbarländern. Bahnfahren in Österreich ist billig.

Zu billig?
Haselsteiner:
Unser Problem ist nicht, dass es so billig ist. Unser Problem ist, ob die Preispolitik, die die ÖBB vorgibt, wettbewerbsverzerrend ist. Diese Frage können wir als Westbahn und als ÖBB nicht allein lösen. Da werden wir einen Schiedsrichter brauchen. Natürlich kann ich es Herrn Kern nicht verwehren, dass er, wenn der Wettbewerber kommt, Geld für Kampagnen und für die Stützung von Ticketpreisen ausgibt. Die Frage ist aber, wenn ein Marktteilnehmer so viel Geld vom Steuerzahler bekommt, wie weit beeinflusst das den Wettbewerb. Da geht es um die Gemeinwirtschaftlichen Leistungen (siehe Bericht unten) , andere Subventionen für die ÖBB und um die Preisbildung. Wenn das geklärt ist, dann wird man sehen, was das für Auswirkungen auf die künftigen Preise hat. Aber die Überlegung, dass die Westbahn aufgibt, weil sie ein, zwei, fünf, vielleicht zehn Jahre schlechte Preise hat, geht sicher nicht auf. Ich kann ja nicht zuerst die Züge kaufen und sie dann in die Remise stellen, weil mir der Wettbewerb zu scharf ist.

Video: Streitgespräch Haselsteiner - Kern

Die Westbahn will Verluste aus dem Markteintritt und aus niedrigen Preisen durch Kapitalerhöhungen kompensieren?
Haselsteiner:
Die Gesellschafter sind bereit, den Markteintritt zu finanzieren. Das ist ja keine Überraschung, wo soll denn das Geld sonst herkommen. Die Frage ist nur, wie lange es dauert und wie viel es kostet.

Sind für den ÖBB-Chef die Gemeinwirtschaftlichen Leistungen auch Wettbewerbsverzerrung?
Kern:
Nein, aber das wird Sie nicht überraschen. Wir müssen jeden Cent belegen und einzelnen Strecken zuordnen. Wir bekommen für den Betrieb der Westbahn keine staatlichen Gelder und wir können auch nicht durch Überförderung anderer Strecken da Geld herüber schaufeln. Das wird nicht nur in Österreich kontrolliert, sondern da schaut auch Brüssel drauf. Aber ein zweiter, ganz wichtiger Punkt: Bahnfahren ist vor allem, was die Infrastruktur betrifft, enorm investitionsintensiv. Daher gibt es in ganz Europa für Betrieb und Erhaltung der Infrastruktur öffentliches Geld. Aber nicht nur die ÖBB bekommt öffentliches Geld, auch die Westbahn erhält Geld vom Steuerzahler.
Haselsteiner: Protest, Protest ...
Kern: Ich weiß, das hören Sie nicht gern, aber ich kann es Ihnen vorrechnen. Das Infrastrukturbenützungsentgelt, das Sie zahlen, deckt 37 Prozent der Kosten. Den Rest zahlt der Steuerzahler. Das sind 20 Millionen Euro im Jahr. Wir essen aus einem gemeinsamen Subventionstrog.

Stimmt das?
Haselsteiner:
Ob die Gebühren für die Infrastruktur kostendeckend sind, ist nicht das Thema. Das Thema ist die Wettbewerbsverzerrung. Die ÖBB und wir zahlen für die Benützung der Westbahn dieselben Gebühren. Erstaunlich ist ja nur, dass ausgerechnet die Gebühren auf der Westbahn für die Benützung der Schienen und der Bahnhöfe mit 1. Jänner 2011 überproportional gestiegen sind. Tatsache ist, dass die ÖBB rund 600 Millionen Euro im Jahr für gemeinwirtschaftliche Leistungen bekommt ...
Kern: 560 Millionen sind es für den Personenverkehr ...
Haselsteiner: ... jedenfalls Hunderte Millionen. Und jetzt zu sagen, davon fließt nichts in die Westbahnstrecke, gleichzeitig aber gerade auf der Westbahn eine Preiskampagne zu fahren, ist schwer erklärbar. Sie können mit 15 Euro nicht kostendeckend fahren, Sie verbrennen dabei Geld. Öffentliches Geld zu nehmen und weit unter den Kosten zu fahren, das ist eine Wettbewerbsverzerrung und das möchten wir festgestellt haben.

Über eine Wettbewerbsklage?
Haselsteiner:
Das wird nur über ein Verfahren bei den Wettbewerbsbehörden zu klären sein. Ich glaube nicht, dass wir uns anders darauf einigen können.

Herr Kern, Subventionen auf der einen Seite und eine Preisschlacht auf der Westbahn "zufällig" zum Markteintritt des Konkurrenten, wie geht das zusammen?
Kern:
Sind's mir nicht bös', das ist doch in jeder Branche üblich. Sie können ja von uns nicht erwarten, dass wir uns wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen. In einer Marktwirtschaft sind solche Angebote zum Beginn eines Wettbewerbs nichts Ungewöhnliches. Nehmen Sie Mediamarkt, Saturn oder jede andere Branche ...

Dort fließt aber kein Steuergeld hinein ...
Kern:
Bei uns fließt in die Westbahn auch kein öffentliches Geld hinein. Aber Sie müssen sich schon entscheiden: Wirft man uns vor, wir sind nicht marktfähig oder wirft man uns vor, wir verhalten uns wie ein marktorientierter Player. Was sollen wir tun, die Hände falten und dankbar sein dafür, dass man uns die Kunden wegnimmt? Das kann doch niemand von uns erwarten. Außerdem muss man sich anschauen, was wir mit Aktionen wie der Sparschiene machen. Wir bieten in gering ausgelasteten Zügen Billig-Tickets an, um die Auslastung zu erhöhen. Die Kosten sind die selben, ob ich leere Sessel spazieren fahre oder mit vollen Zügen fahre. Durch die höhere Auslastung habe ich höhere Deckungsbeiträge, in Summe ist es daher für die ÖBB profitabel.
Die Westbahn bietet als Antwort auf die ÖBB-Aktion jetzt auch Tickets um den halben ÖBB-Aktionspreis an. Sie haben doch immer gesagt, es werde keine Schleuderpreise geben ...
Haselsteiner: Solche Aktionen können nur von begrenzter Dauer sein, auch wegen der Kosten, die dafür anfallen. Und eine Quersubvention der Preise unter den Kosten ist bei uns nicht möglich.

Ein anderes Streitthema: Die Westbahn drängt auf eine gegenseitige Anerkennung der Tickets. Die ÖBB sind dagegen ...
Kern:
Das ist ja wieder dieselbe Geschichte: Wollen wir Wettbewerb auf der Bahn oder nicht. Wenn wir Wettbewerb wollen, dann sollten wir uns in der großen weiten Welt umschauen, wie das funktioniert. Versuchen Sie einmal, mit einem Obi-Gutschein beim Baumarkt einzukaufen oder auf der Air-France-Homepage einen FlyNiki-Flug zu buchen. Das wird nicht gehen. Dasselbe gilt für den Streit um die Aufnahme der Westbahnzüge in das ÖBB-Auskunftssystem Scotty. Das sind Differenzierungsmerkmale, die der ÖBB im Wettbewerb helfen, und gerade darauf sollen wir verzichten? Dass das alles als wettbewerbsverzerrend gewertet wird, macht uns natürlich keine Freude.
Haselsteiner: Ich glaube, das geht zulasten der Bahnkunden. Wir würden es gerne anbieten, die ÖBB will das nicht. Wir werden den Kunden sagen, dass es leider nicht so geht wie wir wollen. Aber ich glaube, dass man eine Weile zuwarten muss, dann kann man vielleicht wieder darüber reden.

Nennen Sie mir drei Gründe, warum ich mit Ihrer Bahn fahren soll.
Kern: Erstens sind Sie um 14 Minuten schneller. Zweitens haben wir die beste Mannschaft und drittens haben wir mit dem railjet aus meiner Sicht den besten Zug Europas.
Haselsteiner: Wenn Sie ein paar Minuten mehr Zeit haben als der railjet und deutlich weniger als der Intercity - weil den schlagen wir um Längen - dann haben Sie ein modernes Angebot mit vollem Service. Und einen Snack, der zwar bescheiden ist, aber sicher nicht älter als drei Stunden.

Westbahn fordert ÖBB heraus

Unternehmen Eigentümer sind zu je 25,93 Prozent Ex-ÖBB-Vorstand Stefan Wehinger, die Familienstiftung von Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner und die französische Staatsbahn SNCF. Gut 22 Prozent hält die Schweizer Augusta-Holding.Die Westbahn fährt mit 7 Doppelstock-Triebwagenzügen des Schweizer Herstellers Stadler mit 501 Sitzplätzen, bisher wurden rund 130 Millionen Euro investiert. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter, Der Großteil davon sind Zugbegleiter in den Zügen.
Angebot Die Westbahn fährt ab 11. Dezember 14-mal täglich Wien-Salzburg und retour. Die Züge verfügen über ein Raucherabteil.

Preise Die Tickets - die nur im Zug und im Internet verkauft werden - kosten jeweils die Hälfte eines 2.-Klasse-Tickets der ÖBB. In der Startphase werden 7500 Tickets um 7,50 Euro angeboten. In Niederösterreich können Pendler mit VOR-Zeitkarten die Westbahn-Züge benützen.
Internet: www.westbahn.at

Der Verteidiger: Monopolist mit 4300 Personenzügen täglich

Westbahn fordert ÖBB heraus

Verkehrsriese Die staatliche ÖBB verfügen über mehr als 1000 Loks und fahren täglich 4300 Personenzüge davon 4000 im Nahverkehr. Jährlich werden 210 Millionen Passagiere auf der Schiene befördert, weitere 250 Millionen fahren mit den 2200 ÖBB-Postbussen. Die ÖBB Personenverkehr AG hat rund 3200 Mitarbeiter.

Gemeinwirtschaftliche Leistungen Die Bahn erhält vom Staat Abgeltungen für Verkehrsverbindungen, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen. Diese GWL sind in einem Zehnjahres-vertrag mit dem Bund geregelt und machen für den Personenverkehr rund 560 Millionen Euro pro Jahr aus. Die Westbahnstrecke selbst wird nicht subventioniert.

Aktionspreise Zum Start des Konkurrenten Westbahn bieten die ÖBB 25.000 Tickets um 15 € je Fahrt auf der gesamten Westbahn zwischen Wien und Bregenz an.
Internet: www.oebb.at

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