Vati-Leaks: Ein Kammerdiener zweier Herren

Vati-Leaks: Ein Kammerdiener zweier Herren
Der Butler von Benedikt XVI. sitzt in Haft, weil er geheime Dokumente gestohlen haben soll – ein Krimi wie von Agatha Christie.

Von einem "verheerenden Kapitel" in der Geschichte des Vatikans ist am Tag nach der Verhaftung des Kammerdieners von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, die Rede. Der 46-jährige Italiener wird beschuldigt, geheime Dokumente und persönliche Briefe des Papstes an die Presse weitergegeben zu haben. Gabriele wurde am Donnerstag von der vatikanischen Gendarmerie verhaftet. Nachdem sich Gabriele im Zuge der Ermittlungen in der "VatiLeaks"-Affäre in Widersprüche verwickelte, wurde seine Wohnung durchsucht.

Seit Jahresbeginn gelangten wiederholt geheime Dokumente aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit. Im Apartment des päpstlichen Kammerdieners nahe der vatikanischen Mauern wurden tatsächlich streng vertrauliche Dokumente gefunden.

Gabriele, verheiratet und dreifacher Vater, arbeitet seit 2006 für Benedikt XVI. La Repubblica zeigte online ein Video, in dem der Römer dem Papst beim Mittagessen Orangensaft und Rotwein einschenkt und Pasta serviert. Als "maggiordomo", Helfer, begleitete er den Papst im Papamobil und überreichte Würdenträgern bei einer Audienz den Rosenkranz.

Vati-Leaks: Ein Kammerdiener zweier Herren

Gabriele gehörte neben den vier Ordensfrauen und den beiden Privatsekretären Georg Gänswein und Alfred Xuereb zum engsten Kreis der "päpstlichen Familie". Er hatte als einer der wenigen Vertrauten Zugang zu den streng abgeriegelten päpstlichen Privaträumen im Apostolischen Palast. Papst Benedikt, so heißt es, zeigte sich von der Festnahme "schmerzhaft betroffen". Der Verdächtige war für seine besondere Demut und Treue dem Papst gegenüber bekannt.

Nach seinen Motiven wird deshalb nach wie vor gerätselt. Gabriel, von Freunden "Paoletto", Paulchen, gerufen, hätte nicht aus Geldgründen gehandelt, heißt es in vatikanischen Kreisen. Vermutet wird, dass man ihn manipuliert habe. "Paolo liebt den Papst, er würde ihn nie verraten. Ich kenne ihn seit Jahren und alle schätzen ihn", erklärte Gabrieles Seelsorger.

Ende April hatte Benedikt XVI. eine Kardinalskommission beauftragt, die wiederholte Weitergabe interner Schreiben nach außen aufzuklären. In den vertrau­lichen Dokumenten, die direkt vom Schreibtisch des Papstes entwendet wurden, geht es um Korruptionsvorwürfe, Managementfehler und Kritik an der Führung der Vatikan-Bank IOR.

Deren Präsident, Ettore Gotti Tedeschi, der am Donnerstag überraschend entlassen wurde, wies Spekulationen über einen Zusammenhang mit dem VatiLeaks-Skandal zurück. Briefe des Papstes an seinen Sekretär Gänswein sowie Dokumente zum Fall um die 1983 entführte Vatikan-Bürgerin Emanuela Orlandi wurden ebenfalls an Medien weitergegeben.

Maulwürfe

Ein oder mehrere "Maulwürfe" aus dem Vatikan dürften dem Journalisten Gianluigi Nuzzi das Dossier mit streng geheimen Einblicken in den vatikanischen Regierungsalltag und in interne Konflikte, zugespielt haben. Daraus entstand Nuzzis Enthüllungsbuch "Sua Santita-le carte segrete di Benedetto XVI." (Seine Heiligkeit – Die geheimen Briefe Benedikt XVI.).

Kritiker sehen Gabrieles Festnahme als ein Manöver, schnell einen Sündenbock zu finden. Sie sind davon überzeugt, dass weitere Personen – und nicht nur wie in einem Krimi der Butler allein – in den Skandal verwickelt sind. Im Vatikan wird nach Drahtziehern gesucht, die Gabriele zur Unterschlagung der Dokumente bewogen haben könnten.

Für Vatikan-Experte Marco Politi handelt es sich um einen klaren Machtkampf in der Kurie, der einen Höhepunkt erreicht hat. "Eine geheime Gruppe an der Spitze des Vatikans, nicht nur der Butler, möchten einen Wechsel an der Spitze von Kardinalstaatssekretär Bertone", sagt Politi.

Engster Kreis: Die Vertrauten des Papstes

Die Sekretäre Der Papst hat zwei Privatsekretäre an seiner Seite. Der Prominenteste von ihnen ist der deutsche Pfarrer Georg Gänswein. Der zweite ist gebürtige Malteser Alfred Xuereb. Sie wickeln die protokollarischen Aufgaben des Papstes ab. Sie haben vollen Zugang zu den Gemächern des Papstes.

Die Ordensfrauen Vier Nonnen stehen dem Papst zur Seite. Sie sind zuständig für den päpstlichen Haushalt, kochen für ihn und halten seine Gemächer in Schuss.

Der Butler Er ist das "Mädchen für alles" an der Seite des Kirchenoberhauptes, serviert sein essen und sorgt auf Reisen für das leibliche Wohlbefinden seines Chefs. In seiner Tätigkeit hat er freilich freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Papstes.

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