Töchterle: Der nette Professor zeigt Zähne

Töchterle: Der nette Professor zeigt Zähne
Der Ex-Rektor wurde von vielen als zu nett für den Minister-Job eingeschätzt. Jetzt zeigt er, dass er auch ganz anders kann.

Karlheinz Töchterle ist spät dran. Er soll gleich eine Rede vor erlesenem Publikum halten, doch das Taxi, das ihn vom Flughafen in die Stadt bringt, kommt nur langsam voran. Der Fahrer grummelt, das Team wird unruhig. Der Minister könnte jetzt auf die Planung schimpfen oder den Fahrer anweisen, auf den Pannenstreifen auszuweichen; er könnte sich auch schon gedanklich in seine Rede vertiefen.

Doch was macht Töchterle? Vom Stau inspiriert, erklärt er seine Ideen vom Verkehr der Zukunft in modernen Großstädten - um sogleich von E-Bikes, elektrisch angetriebenen Fahrrädern zu schwärmen, die er unlängst getestet hat.

Am Ziel angelangt, muss der wartende Fotograf sich ebenso noch kurz gedulden wie die Organisatoren: Töchterle will die Plauderei über E-Bikes nicht abrupt beenden, so viel Zeit muss sein.

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Die Szene passt zu dem Bild, das seit seiner Angelobung als Wissenschaftsminister im April viele bekommen haben: dem Bild vom Mensch gebliebenen Politiker, der mehr als Phrasen von sich gibt; des Wissenschaftlers, der Dinge abseits des partei-ideologischen Tunnelblicks sieht; des Professors, der statt Politsprech auf alte Römer und Griechen zurückgreift.

Die fachliche Qualifikation des Ex-Rektors war unumstritten; doch so mancher sah den freundlichen Tiroler auf dem Wiener Parkett schlittern. Nett sei er, hörte man oft; das ist unter Politikern durchaus als Geringschätzung zu verstehen. Spätestens seit dieser Woche ist klar, dass Töchterle auch anders kann. Er hat mit einem strategischen Schachzug seinen ersten großen Polit-Coup gelandet.

Mit dem Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer, wonach die Universitäten - sollte sich die Koalition nicht auf ein neues Gesetz einigen - ab März selbst Beiträge einheben dürfen, hat Töchterle Dynamik in die Debatte um Studiengebühren gebracht und die SPÖ unter Druck gesetzt. Bisher galt: kein neues Gesetz, keine Gebühren. Das stimmt jetzt so nicht mehr.

Was die SPÖ als "Rache" für die Abschaffung der Uni-Gebühren im Jahr 2008 bezeichnet, argumentiert Töchterle nüchtern-wissenschaftlich: Er sieht in Studienbeiträgen ein geeignetes Instrument, die Verbindlichkeit im Studium zu erhöhen; einen (wenn auch kleinen) finanziellen Beitrag; und er hält sie für gerechter als ein rein steuerfinanziertes Hochschulwesen: "Warum sollte die Supermarkt-Kassierin das Studium der Millionärstochter bezahlen?" Seine Ansage "es muss nicht jeder an einer Uni studieren", hat ihm Kritik eingebracht, er würde die Unis Eliten vorbehalten wollen.

Töchterle bleibt dabei: Der Ausbau der Unis stoße an budgetäre und intellektuelle Grenzen; man solle auch nicht so tun, als ob ein gelungenes (Berufs-)Leben nur mit akademischem Abschluss möglich wäre. "Ich komme aus einem kleinen Dorf in Tirol, da hat nicht jeder studiert. Aber da legt der Schmied am Abend den Hammer weg, greift zur Geige und spielt Mozart."

Der Sager ist authentisch; und Töchterle unverdächtig, einen elitären Zugang zu Bildung zu vertreten: Sein Vater war Schmied, die Familie nicht wohlhabend. Der akademischen Karriere stand das ebenso wenig im Wege wie der politischen.

Werdegang

In eine Schublade passt Töchterle hier nicht: Er ist Mitglied einer (nicht schlagenden) Pennäler-Verbindung, saß 15 Jahre für eine Bürgerliste im Gemeinderat von Telfes im Stubaital; für die Grünen hätte er 1994 in den Landtag einziehen können, verzichtete aber auf das Mandat; mittlerweile ist er im ÖVP-Team Minister - ohne Parteibuch.

Nicht nur das unterscheidet ihn von Regierungskollegen; auch seine Sicht des Quereinsteigers haben nur wenige. Was er als Schlüsselerlebnis im ersten halben Jahr als Minister bezeichnen würde? "Die erste Sitzung im Ministerrat", sagt Töchterle. "Ich war überrascht vom sachlichen Umgang."

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