Papst-Sekretär in der Schusslinie

Papst-Sekretär in der Schusslinie
Wieder sind gestohlene Vatikan-Dokumente aufgetaucht. Diesmal im Visier: Papst-Sekretär Georg Gänswein.

Der Rabe fliegt wieder", titelte dramatisch La Repubblica. Als Raben werden in Italien die Drahtzieher der VatiLeaks-Affäre bezeichnet, bei der brisante, geheime Schreiben an die Öffentlichkeit gelangen.

Jetzt wurden der römischen Zeitung erneut drei Dokumente mit einem erpresserischen Begleitschreiben zugespielt. Darin fordert der anonyme Absender, man solle die wahren Verantwortlichen des Skandals vertreiben – Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, die Nummer zwei im Vatikan, und Papstsekretär Georg Gänswein.

Der Absender behauptet, er sei im Besitz Hunderter Dokumente. Auf zwei der Schreiben sind nur Datum (19. Februar 2009), Briefkopf und die Unterschrift von Papstsekretär Gänswein zu erkennen. Der Text wurde unkenntlich gemacht – angeblich, um Benedikt XVI. zu schützen. Bei den heiklen Dokumenten könnte es sich um Urteile über die umstrittene, streng konservative Piusbruderschaft handeln.

Vatikan-Insider rätseln, warum nun ausgerechnet der Sekretär des Papstes in die Schusslinie geraten ist. Von Verleumdung und einem undurchsichtigen Erpressungsversuch spricht Vatikan-Experte Marco Politi. Der Insider erklärt gegenüber dem KURIER: "Es ist klar, dass Gänswein keine Verantwortung in dem Skandal hat. Man hat ihn hineingezogen, um Chaos zu stiften und die Konflikte innerhalb der Kurie zu verschärfen."

Laut Marco Ansaldo, "V­aticanista" von La Repubblica, sind Neid und Eifersucht im Spiel: "Monsignore Gänswein hat eine von vielen beneidete Position im Vatikan. Die Attacken kommen von denen, die keinen Filter zwischen sich und dem Papst dulden."

Zugang zum Papst

Padre Georg, wie der 55-jährige Geistliche genannt wird, verbringt den ganzen Tag an der Seite des Papstes, er entscheidet über Audienz-Ansuchen, verwaltet päpstliche Briefe und Dokumente. Gänswein kontrolliert, wer Zugang zum Papst hat und wer nicht. Wegen seines auffallend guten Aussehens wird der begeisterte Tennisspieler und Skifahrer als "George Clooney der katholischen Kirche" bezeichnet. Er pflegt einen aufwendigen Lebensstil und gilt als äußert konservativ.

Die neuen Enthüllungen sehen viele als Beweis dafür, dass der verhaftete Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, als Sündenbock herhalten muss. In Mailand zeigte sich der Papst erstmals mit dem neuen Kammerdiener Sandro Mariotti.

Die wahren Drahtzieher bleiben aber im Hintergrund: "Wir wissen nicht, wie viele Laien und Kleriker hinter dem Netzwerk stehen, das sich wie eine Dissidenten-Gruppe verhält und sehr politisch agiert", analysiert Politi. Ziel der Affäre sei es, Kardinalstaatssekretär Bertone zu stürzen. Brisante Dokumente, in denen es um fehlende Transparenz bei Macht und Geld geht, drehten sich immer um ihn. Politi erinnert daran, dass die Kardinäle Schönborn, Bagnasco und Scola den Papst bereits vor drei Jahren um den Rücktritt Bertones baten.

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