Niedrigere Frauengagen: Österreich ist EU-Schlusslicht

Niedrigere Frauengagen: Österreich ist EU-Schlusslicht
Wenige Tage vor dem Equal Pay Day am 5. April schlägt Frauenministerin Heinisch-Hosek wegen der wachsenden Einkommensschere Alarm.

Frauen und Männer verdienen in Österreich bei gleicher Arbeit ähnlich viel. Die klaffende Lohn­lücke ist ein Mythos.“

Das schreibt das Nachrichtenmagazin profil in seiner neuesten Ausgabe anlässlich des Equal Pay Day am 5. April. Der KURIER begab sich auf Faktenrecherche. Die Conclusio vorweg: Gehaltsunterschiede gibt es sehr wohl. Je nach Berechnung sind sie aber unterschiedlich hoch.

SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek versteht den profil-Bericht nicht: "Ich hätte mir mehr journalistische Qualität in der Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht." Und sie hat zudem eine bittere Neuigkeit parat: "2009 waren wir beim Gender Pay Gap der EU am vorletzten Platz. Österreich ist 2010 weiter abgerutscht und teilt sich mit der Tschechischen Republik den letzten Platz. Gerade vor diesem Hintergrund ist es mehr als zynisch, von Lohngerechtigkeit in unserem Land zu reden."

Hier sind die Details und Hintergrund-Infos:

Niedrigere Frauengagen: Österreich ist EU-Schlusslicht

Wie groß ist die Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern?
Je nachdem, welche Faktoren berücksichtigt werden, gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Vergleicht man die mittleren Brutto-Jahreseinkommen der unselbstständig Erwerbstätigen (inklusive öffentlicher Dienst, Vollzeit- und Teilzeitkräfte), beträgt die Differenz laut Statistik Austria knapp 40 Prozent. Der Unterschied ist so groß, weil in Österreich 44 Prozent aller Frauen Teilzeit arbeiten.

Wie groß ist der Einkommensunterschied der Vollzeitbeschäftigten?
Hier klafft laut Statistik Austria immer noch eine Lücke von 19,1 Prozent. Im öffentlichen Dienst allein beträgt die Differenz 15,7 Prozent.

Wie groß ist der Einkommensunterschied in der Privatwirtschaft?
Das EU-Statistikamt Eurostat vergleicht beim Gender Pay Gap Brutto-Stundenlöhne von Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft (Betriebe ab zehn Mitarbeitern). Demnach beträgt die Differenz 25,5 Prozent. Im EU-Schnitt liegt sie bei 16,4 Prozent. Guido Strunk, der sich an der Wirtschaftsuni-Wien seit Jahren mit Geschlechter-spezifischen Gehaltsunterschieden befasst, sagt: "Der Gender Pay Gap misst Chancengleichheit. Da ist der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen um 25,5 Prozent geringer. Das ist eine Tatsache."

Was sind die Gründe für unterschiedliche Bezahlung?
Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Branchen als Männer (z.  B. Handel, traditionelle Dienstleistungsberufe wie Frisörin) und sind in Spitzenfunktionen unterrepräsentiert. Nachteile ergeben sich durch Karenzzeiten nach der Geburt eines Kindes. Doch selbst wenn solche Faktoren und etwa noch die Ausbildung berücksichtigt werden, bleibt laut Statistik Austria eine Lücke von 18,1 Prozent, die durch derlei Umstände nicht erklärbar ist. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) sind 13,5 Prozent nicht nachvollziehbar. Das WIFO bereinigt neben der Branche um: Berufserfahrung, Position im Betrieb oder auch Unternehmensgröße. Frauen arbeiten laut WIFO-Expertin Christine Zulehner vor allem in kleineren Betrieben, was sich auf das Gehalt auswirke: "Große Unternehmen zahlen prinzipiell besser."

Was ist der Equal Pay Day?
Der internationale Aktionstag für gleiche Entlohnung wird auf zwei Arten berechnet. Daher findet er entweder im Frühjahr oder im Herbst statt. Vergleicht man Frauen und Männereinkommen aus dem Vorjahr, müssen Frauen heuer noch bis 5. April arbeiten, um auf dasselbe Einkommen wie die Männer im ganzen Jahr 2011 zu kommen. Die zweite Berechnungsart: Ab Anfang Oktober (im Vorjahr 4. Oktober) arbeiten Frauen gratis, weil sie im Schnitt um ein Viertel weniger verdienen als Männer (siehe Frage: Einkommensunterschiede in der Privatwirtschaft) . Sinn des Equal Pay Day ist, auf die Einkommensunterschiede aufmerksam zu machen.

Brauchen wir den Equal Pay Day noch?
"Der Equal Pay Day hat sich noch lange nicht erübrigt. Ich möchte Frauen ein Einkommen für ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und die Lohnunterschiede zu den Männern reduzieren. Wir müssen deshalb an allen Maßnahmen, die Einkommensgerechtigkeit bringen sollen, festhalten und sie weiter ausbauen", sagt die Frauenministerin. Sie will daher wie im öffentlichen Dienst auch die Privatwirtschaft gesetzlich zu Frauenförderplänen verpflichten. Auch ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm hält den Aktionstag für notwendig. "Wir brauchen nicht nur den Equal Pay Day, wir müssen jeden Tag darauf aufmerksam machen, dass Frauen und Männer unterschiedlich entlohnt werden. Jeder, der etwas anderes behauptet, kennt die Realität nicht." Sogar in den Führungsetagen von staatsnahen Betrieben klaffe eine Einkommenslücke von rund 30 Prozent, zitiert Schittenhelm aus Berichten des Rechnungshofes.

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